3.2.1 Kanalbau in offener Bauweise
     
   

Insbesondere in anthropogen beeinflussten Stadtböden lassen sich auf engem Raum unterschiedliche Böden mit unterschiedlichen Bodeneigenschaften vorfinden. Ein Grund ist die Nutzung des Bodenkörpers für Bauwerke der unterirdischen Infrastruktur. Zum einen werden üblicherweise Versorgungsleitungen in Tiefen bis zu 1,60 m verlegt (vgl. [20]). Zum anderen befinden sich dort Bauwerke der Ortsentwässerung wie Abwasserkanäle, Hausanschlussleitungen und Straßeneinläufe. Einen Eindruck der Nutzung und Verwurzelung des Bodenkörpers von Stadtböden gibt Abb. 5.

     
   

     
   

Abb. 5: Schematische Wiedergabe des städtischen Wurzelraumes, aus [7].

     
   

Die Tiefenlage der in der Regel als Freigefälleleitungen gebauten Kanäle steigt in Fließrichtung üblicherweise an. In [6] konnte eine Häufung der Verwurzelungsschäden an Hausanschlussleitungen in einem Bereich zwischen 2 und 3 m Tiefe festgestellt werden. Aber auch in Tiefenlagen bis 6 m traten solche Schäden auf.

     
   

Insbesondere die Herstellung von Kanalisationen in der offenen Bauweise stellt einen starken Eingriff in den Bodenkörper dar. Sie erfolgt durch Ausheben eines Grabens, Verlegen der Leitung im Schutze einer Böschung oder eines Verbaus und anschließendes lagenweises Verfüllen des Grabens und sorgfältiges Verdichten des eingefüllten Materials (vgl. DIN EN 1610 [21]).

     
    Bei dieser Bauweise werden nach [21] unterschiedliche Baugrundzonen definiert.
     
   

   

Abb. 6: Baugrundzonen nach DIN EN 1610 [21].

     
    Diese werden als ungestörter Baugrund und als Leitungsgraben bezeichnet. Im Leitungsgraben unterscheidet man wiederum zwischen oberer und unterer Bettungsschicht, Seitenverfüllung, Abdeckung und Hauptverfüllung. Nicht definiert ist der sogenannte Zwickel, der sich räumlich zwischen den Kämpfern und der Rohrsohle befindet.
     
    Die Bettungsschichten umfassen den Bereich zwischen Grabensohle und der durch den Auflagerwinkel a gegebenen Höhe am Rohrumfang. Bei direkter Auflagerung auf gewachsenen Boden gehört auch dieser zur Bettung.
     
   

Die Abdeckung stellt den Bereich im Leitungsgraben unmittelbar über dem Rohrscheitel dar. Ihre Mindestmaße sind 150 mm über dem Rohrschaft bzw. 100 mm über der Rohrverbindung. Die Seitenverfüllung ist gemäß [21] der Bereich zwischen Bettung und Abdeckung. Der Bereich oberhalb der Abdeckung bis zu einer gegebenenfalls vorhandenen Straßen- oder Gleiskonstruktion wird als Hauptverfüllung bezeichnet.

     
    Je nach Erfordernis sind unterschiedliche Grabenquerschnitte vom geböschten Graben bis hin zu Gräben mit senkrechten Wänden möglich. Die Mindestbreite von Rohrgräben ist in DIN EN 1610 [21] festgelegt.
     
   

Die untere Bettungsschicht soll eine gleichmäßige Druckverteilung sicherstellen und muss daher in Anpassung an die Werkstoff- und Verbindungsart der einzelnen Rohre ausgebildet sein.

     
   

Als Voraussetzung für alle weiteren Arbeitsgänge wird zunächst die untere Bettungsschicht als stabile und feste Unterlage zur Aufbringung der Rohrleitung hergestellt, um spätere Bodensetzungen und Rohrverschiebungen zu vermeiden. Wird die Grabensohle als untere Bettungsschicht verwendet, so soll sie nicht aufgelockert sein, oder muss ihre ursprüngliche Lagerungsdichte (Tragfähigkeit) durch besondere Maßnahmen (Verfestigung, Bodenaustausch) wieder erhalten. Anschließend ist die obere Bettungsschicht und die Seitenverfüllung herzustellen. Dabei muss die eingebaute Rohrleitung mit Bodenmaterial umgeben sein, dessen Zusammensetzung (z.B. Größtkorn bis 40 mm bei Rohren größer DN 200 bis DN 600) im Hinblick auf die mechanische Widerstandfähigkeit der Rohre und der Rohrumhüllung geeignet ist [21]. Wenn die Rohre mit einer werkseitigen Schutzumhüllung umgeben sind oder wenn der Rohrwerkstoff keine Rohrumhüllung erfordert (z.B. Betonrohre), können besondere Vereinbarungen über die Anforderungen an das Material getroffen werden. Hierbei ist zu beachten, dass keine negativen Einflüsse hinsichtlich folgender Gesichtspunkte auftreten:

     
   
  • aktiver und passiver Korrosionsschutz,

  •  Dränagewirkung im Rohrgraben,

  • Standfestigkeit der Bettung gegenüber dem umliegenden Boden.

     
    In Verkehrsflächen ist nach [22] für den Bereich der Leitungszone, also untere/obere Bettungsschicht, Seitenverfüllung und Abdeckung, ein gut verdichtbarer Füllboden einzubringen, sofern nicht besondere Vereinbarungen oder Anforderungen vorliegen. Dieser ist lagenweise einzubauen und ausreichend zu verdichten. Bei Außendurchmessern der Rohre von mehr als 400 mm muss die Leitungszone in mehr als zwei Arbeitsgängen verfüllt und verdichtet werden. Bereiche der Leitungszone, die sich nicht einwandfrei verfüllen und verdichten lassen (z.B. obere Bettungsschicht unter beengten Verhältnissen), sind mit Beton, Porenleichtbeton oder einem Boden-Bindemittel-Gemisch zu verfüllen [23].
     
   

Die Sicherheit einer Rohrleitung hängt wesentlich von der Gestaltung und Ausführung der Bettungsschichten und der Seitenverfüllung ab [23]. Nur durch eine fachgerechte Ausführung können Risse, Verformungen, Punktlagerungen usw. vermieden werden, die ansonsten zu Undichtigkeiten, Nutzungseinschränkungen, Sanierungsbedarf oder gar zur Unbrauchbarkeit führen. Die entscheidenden Problemzonen stellen dabei die schwer zugänglichen Zwickel (vgl. Abb. 7) dar. Besonders in schmalen Rohrleitungsgräben sind die Zwickel schlecht erreichbar, so dass dort Bereiche geringer Verdichtung auftreten können.

In Abb. 7 werden die beengten Platzverhältnisse in einem Rohrleitungsgraben und der Versuch der Verdichtung des Zwickelbereiches in der Praxis gezeigt.

     
   

   

Abb. 7:

A Platzverhältnisse in einem engen Rohrgraben [Güteschutz Kanalbau].

B Zwickelverdichtung bei kleinen Rohrdurchmessern u. ausreichenden Platzverhältnissen [24].

C Platzverhältnisse in einem engen Rohrgraben [24].

D Zwickelverdichtung bei großen Rohrdurchmessern und ausreichenden Platzverhältnissen [Güteschutz Kanalbau].

     
   

Für den fachgerechten Einbau der Rohrleitung ist für die obere Bettungsschicht eine Lagerungsdichte herzustellen, die mindestens der Lagerungsdichte der unteren Bettungsschicht entspricht. Hierbei ist das Beistopfen im Bereich der seitlichen Rohrzwickel mit besonderer Sorgfalt durchzuführen. Der Einsatz von schmalen, dem Rohrleitungsdurchmesser angepassten Handstampfern ist in der Regel hier unumgänglich [25]. Die im Normen- und Regelwerk geforderten Werte für die Verdichtung werden allerdings dabei in der Regel nicht erreicht. Eine unzureichende Verdichtung dieses Zwickelbereichs, auch unter wirtschaftlichen Zwängen, hat häufig zur Folge, dass der in der Bemessung des Rohres vorgesehene Auflagerwinkel nicht eingestellt werden kann.

Die bestehenden Schwierigkeiten bei der Verdichtung des Zwickelbereichs haben in der Praxis dazu geführt, dass häufig das einzubauende Bodenmaterial bis auf Höhe des Kämpfers geschüttet und anschließend verdichtet wird (Abb. 8) [26].

     
   

   

Abb. 8: Verlegung von Leitungen in offener Bauweise.

A, B, C Anschüttung des Rohres bis zur Höhe des Kämpfers und anschließende Verdichtung.

                                                    
    Dies geschieht in der Hoffnung, dass die Bodenverdichtung bis in den Zwickelbereich hineinreicht. Es wird deutlich, dass eine solche Verdichtungsart oftmals nicht den Forderungen des Normen- und Regelwerkes nach einem definierten Verdichtungsgrad im Zwickelbereich gerecht wird [26].