Auch in Thüringen Personalnot schlägt immer heftiger zu

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Nicht nur in Handwerk und Industrie werden Arbeitskräfte dringend gesucht.. Foto: IMAGO/Sven Simon/IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Erschöpfte Arbeitnehmer, keine Leute mehr in der Pflege und nun auch noch eine neue Debatte um die Rente mit 63: Der Personalmangel in den Betrieben wird zu einem immer drängenderen Problem im Arbeitsleben.

 
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Privat betriebene Pflegeeinrichtungen sehen im Fachkräftemangel ein immenses Problem. Der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, Bernd Meurer, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, der Arbeitsmarkt sei völlig leer gefegt. „Die Pflegeeinrichtungen jagen sich nur noch gegenseitig das Personal ab.“ Meurer beklagte, es gebe hohe bürokratische Hürden bei der Gewinnung von ausländischen Fachkräften. „Je nach Bundesland dauert es weit mehr als ein Jahr, bis eine Fachkraft letztlich anerkannt ist. Und das in einem Mangelberuf.“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hatte vor einigen Tagen angekündigt, mehr Pflegekräfte aus Ländern mit einem großen Arbeitskräftepotenzial anwerben zu wollen. Er werde im Juni gemeinsam mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) nach Brasilien reisen, denn dort sei das Arbeitskräftepotenzial im Pflegebereich sehr groß. Darüber hinaus gebe es Absprachen mit Indonesien und Mexiko.

Verbandspräsident Meurer sagte, es mehrten sich Insolvenzen und Betriebsschließungen in der Pflege. Betroffen seien nicht nur Familienunternehmen, sondern auch größere Betreiber und Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege. Wegen des Fachkräftemangels könnten Heimplätze nicht belegt werden – wenn die Belegung aber auf 80 Prozent abrutsche, sei ein Heim kaum wirtschaftlich zu betreiben. Letztlich blieben die Pflegebedürftigen und ihre Familien auf der Strecke.

Aber auch für die Arbeitnehmer bleibt die Personalnot nicht ohne Folgen. Der aktuelle Gesundheitsreport der Krankenkasse DAK zeigt am Beispiel Bayern: Jeder zweite Beschäftigte ist von den Folgen des Personalmangels am Arbeitsplatz betroffen. Die Auswirkungen sind Erschöpfung und ernste gesundheitliche Probleme. Die große Mehrheit der Beschäftigten mit zu wenigen Kollegen schleppt sich demnach auch krank zur Arbeit. 45 Prozent der bayerischen Arbeitnehmer gaben bei der repräsentativen Umfrage an, auf der Arbeit regelmäßig Personalmangel zu erleben; nur 13 Prozent hatten diese Situation im zurückliegenden Jahr überhaupt nicht. Die Betroffenen stehen demnach unter starkem Termin- und Leistungsdruck, machen Überstunden und versäumen Pausen. „Die Arbeitsbelastungen steigen sehr stark mit der Intensität des erlebten Personalmangels“, heißt es in der Studie „Gesundheitsrisiko Personalmangel“

Die Betroffenen können auch in der Freizeit oft nicht abschalten, verzichten auf Sport und finden wenig Zeit für Hobbys, Familie und Freunde. In der Folge ist laut Studie gut die Hälfte von ihnen ständig müde und erschöpft. Etwa ein Drittel hat Rückenschmerzen oder andere Beschwerden, ähnlich viele haben Schlafstörungen. Jeder Fünfte leidet unter Kopfschmerzen. Bei besonders betroffenen Berufsgruppen ist der Krankenstand deutlich höher.

„Viele Beschäftigte reduzieren zudem ihre Arbeitszeit, um dem Druck standhalten zu können, und verschärfen dadurch den Personalmangel weiter. So droht ein Teufelskreis“, warnte die DAK-Landeschefin Sophie Schwab. Laut Umfrage haben das sechs Prozent bereits getan, von den übrigen erwägt jeder Fünfte, weniger zu arbeiten – gerade in den vom Personalmangel besonders stark gezeichneten Berufsgruppen.

Spahn: Rente mit 63 verschärft den Fachkräftemangel

CDU/CSU-Fraktionsvize Jens Spahn fordert angesichts des Fachkräftemangels ein schnelles Ende der Rente ohne Abschläge mit 63 Jahren. „Sie kostet Wohlstand, belastet künftige Generationen und setzt die falschen Anreize“, sagte der CDU-Politiker am Wochenende. „Sie sollte sofort abgeschafft und durch eine bessere Erwerbsminderungsrente ersetzt werden.“ Die inzwischen zwei Millionen Fachkräfte, die früher in Rente gegangen seien, fehlten „bitterlich“. Auch aus der Wirtschaft kommen seit Längerem Rufe nach einer Abkehr von früheren Job-Ausstiegen. Gewerkschaften verteidigen die Regelung dagegen. Heftige Kritik an Spahn kam aus SPD und der Linken. Der Vorschlag sei „eine Respektlosigkeit gegenüber den Menschen, die ein Leben lang hart gearbeitet haben, es ist eine Rentenkürzung durch die Hintertür“, sagte Thüringens Linken-Fraktionsvize Karola Stange.

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