Festnahmen aufgrund einer begangenen Straftat werden seitens der Polizei sowie der Strafverfolgungsbehörden vorgenommen. In der Praxis ist dies auch die Norm, dennoch gibt es Ausnahmen, gemäß derer es auch einer Privatperson gestattet ist, eine andere Person festzunehmen. Die gesetzliche Grundlage hierfür findet sich in § 127 Abs. 1 S. 1 StPO: „Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.“ Dieses Jedermann-Gesetz (oder: Jedermann-Festnahmerecht) bezieht sich im wahrsten Sinne des Wortes auf „Jedermann“; das bedeutet, die Person, welche eine Festnahme durchführen darf, muss weder ein bestimmtes Alter haben noch einer speziellen Berufsgruppe angehören: Jeder Mensch hat das Recht, einen anderen vorläufig festnehmen zu dürfen. Dennoch bestehen einige Voraussetzungen, damit dieses Gesetz Anwendung finden kann.

Der Täter muss zunächst auf frischer Tat erwischt worden sein. Dies bedeutet, dass die betreffende Tat mit der aktuellen Situation in einem räumlichen und zeitlichen Kontext steht und sich der Täter noch am Tatort befindet – oder zumindest in unmittelbarer Nähe davon. Hat er diesen bereits verlassen, kann das Jedermann-Gesetz nicht angewendet werden.

Darüber hinaus ist es unabdingbar, dass die Tat auch wirklich begangen worden ist. Landläufig herrscht die Meinung, dass bereits ein dringender Tatverdacht ausreichend ist, um jedermann festnehmen zu dürfen. Dies ist jedoch nicht der Fall: glaubt ein Kunde in einem Supermarkt, dass ein anderer Kunde Ware in seine Tasche steckt, ohne sie zu bezahlen, so darf er ihn nicht festnehmen. Sieht er jedoch, dass die Ware eingesteckt wird und der Kunde den Laden verlässt, ohne zu bezahlen, so sind die Voraussetzungen für § 127 StPO gegeben.

Des Weiteren heiß es, dass eine vorläufige Festnahme durch Jedermann gestattet ist, wenn beim Täter Fluchtgefahr besteht oder dessen Identität nicht sofort festgestellt werden kann. Wenn also der besagte Ladendieb versucht, sich aus dem Staub zu machen oder seinen Namen nicht preisgeben möchte, darf er ebenfalls von Jedermann festgenommen werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass dies nur möglich ist, wenn er den Täter nicht persönlich kennt. Ist dies nämlich der Fall, sind die Voraussetzungen der Strafprozessordnung nicht gegeben. Derartige Voraussetzungen betreffen allerdings in der Praxis eher Mitarbeiter von privaten Sicherheitsdiensten oder Behörden ohne polizeiliche Befugnis. Es kommt nicht so häufig vor, dass eine Privatperson von einem Täter verlangt, dass er sich ausweisen möge.

Bei der Jedermann-Festnahme ist zudem zu beachten, dass sie unter Einhaltung des Prinzips der Verhältnismäßigkeit vonstatten gehen muss. Das heißt, die Praktiken, welche bei der Festnahme angewendet werden, müssen in einer angemessenen Relation zur begangenen Tat stehen. Eine Verhältnismäßigkeit ist zum Beispiel nicht gegeben, wenn jemand ein Päckchen Kaugummi im Supermarkt mitgehen lässt, und ein übereifriger „Jedermann“ den Dieb von hinten anspringt, zu Boden wirft, ihn gewaltsam zwingt, dort zu bleiben und ihn womöglich noch fesselt.

Grundsätzlich haben Festnahmen unter Beachtung einiger Regeln zu erfolgen:

  • Die Festnahme hat in einem angemessenen Verhältnis zum Festnahmezweck zu erfolgen.

  • Ist das Verhältnis nicht als angemessen zu bezeichnen, darf der Festgenommene nicht verletzt werden.

  • In Fällen, in denen er Widerstand leistet, flüchten möchte und/oder aggressiv wird, dürfen ihm die Arme und Beine gefesselt werden.

  • Eine Verhinderung der Flucht durch Wegnahme von Autoschlüsseln oder eines Fahrrads sind gestattet.

  • Der vorläufig Festgenommene hat der Polizei übergeben zu werden. Ist dies nicht möglich, beispielsweise weil kein Telefon zur Verfügung steht, muss er ins nächste Polizeirevier gebracht werden.

Zu beachten ist, dass in Fällen, in denen sich der Festgenommene massiv gegen die Festnahme wehrt, auch Gewalt angewendet werden darf. Diese lässt sich allerdings nicht mit dem § 127 StPO begründen, sondern durch Notwehr gemäß § 227 BGB oder durch Selbsthilfe gemäß § 229 BGB [AG Grevenbroich, 26.09.2000, 5 Ds 6 Js 136/00].