Die Bedeutung und Erstellung organisatorischer Ziele haben wir im letzten Artikel zur Zielkultur erforscht. In diesem Artikel wollen wir uns der "zweiten Seite" der Medaille zuwenden, die erforderlich ist um ein Kulturumfeld zu ermöglichen, dass Zielerreichung umsetzen kann.
Die Wissenschaftler Seppälä und Cameron [6] haben über viele Jahre festgestellt, dass die wichtigste Investition einer Organisation eine positive Beziehungskultur ist. Durch ein vorbildliches offenes Verhalten wird die Produktivität der Organisation gesteigert und die Mitarbeiter werden veränderungsfähiger. Cameron bezeichnet dieses Vorleben als den "Heliotropen Effekt" [5]. Um im Bild unserer Kultur zu bleiben, ist diese positiv ausgestrahlte Energie wie die Sonne für Pflanzen - sie gibt Orientierung und Kraft.
Im Gegensatz zu verschiedenen abstrakten Zielen (Vision, Strategie usw.) kann man positive Rahmen nicht einfach von außen in die Organisation geben. Bereits 1959 erkannte Herzberg in seiner Zwei-Faktoren-Theorie [3], dass diese Energie nur durch Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen Menschen entstehen kann. An dieser Stelle sei auch nochmals auf den Artikel zur Wirklichkeitskonstruktion verwiesen.
Um ein Umfeld zu schaffen, dass eine gesättigte Atmosphäre ermöglicht, damit Menschen in einer Organisation offen und lernfreudig für beziehungaorientierte Zusammenarbeit zu sein, braucht es ein ein paar Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt. Zum einen die Faktoren die Unzufriedenheit minimieren und diejenigen, die Zufriedenheit und Motivation fördern. Nach Herzberg sind die wesentlichsten Faktoren der Unzufriedenheit
Er nennt diese Hygienefaktoren, die es in einer Organisation zu vermeiden oder minimieren gilt. Wesentliche Motivationsfaktoren [3], [4] sind wissenschaftlich bestätigt folgende:
Im Jahr 2014 präsentierte Henrik Kniberg ein Konzept [10], das eine Matrix aus Ausrichtung der Organisation und Freiheitsgrad für die Mitarbeiter beschreibt. Seiner Ansicht nach verleiht die Organisation den Mitarbeitern Autonomie, um ihre Zusammenarbeit zu stärken. Dabei sollte Autonomie einen Handlungsspielraum bieten, in dem sie unabhängig handeln dürfen, anstatt nur unabhängig handeln zu können. Laut Kniberg ist Autonomie jedoch erst möglich, wenn bestimmte Rahmenbedingungen geschaffen wurden, also eine gewisse Ausrichtung gegeben ist. Es liegt daher in der Verantwortung der Organisation, diese wesentliche Orientierung durch Ziele und Rahmen zu ermöglichen - sowohl auf rationaler als auch auf sozialer Ebene. Wenn die Mitarbeiter diese Orientierung nicht finden, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Produktivität und Zusammenarbeit nur geringe Wirkung zeigen werden.
Um sicherzustellen, dass Menschen sich wirklich verpflichten (engl. Commitment) und Verantwortung übernehmen, um ein Problem zu lösen und nicht nur oberflächliche Ergebnisse (engl. Output) zu erzielen, müssen klare Rahmenbedingungen geschaffen werden. Im Ideal führt diese Verantwortungsübernahme zu echter Verhaltensänderung (engl. Outcome) in der Organisation. Diese sollten Übergabe-Rituale beinhalten, bei denen taktische Ziele an diejenigen übergeben werden, die das Problem bearbeiten sollen. Dies kann eine Projektgruppe oder ein festes Team sein, das für einen bestimmten Bereich verantwortlich ist. Es geht darum sicherzustellen, dass die Handlungsbefugnisse den Menschen gehören und nicht nur dem Auftraggeber.
So würde man an folgendem Verhalten schlechte Rahmensetzung erkennen können:
Aber ebenso würde man auch an folgendem Verhalten eine gute Rahmensetzung erkennen können:
Es ist wichtig zu betonen, dass normative Rahmen vor allem dazu dienen, Antworten auf persönliche Sinnfragen zu finden. Um anderen Mitarbeitenden in der Organisation dabei zu helfen, ihre eigenen Sinnfragen zu klären und daraus Energie für sich selbst zu gewinnen, gibt es nur eine Option: dies mit Tugenden wie Wertschätzung, Großzügigkeit, Demut, Vergebungsbereitschaft sowie Integrität vorzuleben. Es bedarf eines echten Interesses am Gegenüber. Das Interesse an der Weiterentwicklung des Menschen sollte zweckfrei sein; es geht um den Menschen an sich und nicht nur um seine Rolle in der Organisation [11]. Eine ausgewogene Balance zwischen organisatorischen Zwecken und individuellen Zielen ist notwendig. Nur so können die Fähigkeiten zur Zusammenarbeit innerhalb einer Organisation weiterentwickelt werden.
Um eine motivierende Lernumgebung zu schaffen, sollten kreative Räume gefördert werden. Es sollten kleine, attraktive Ziele gesetzt werden, die erreichbar sind. Dadurch können Einzelne davon überzeugt werden, dass ihre Anstrengungen lohnenswert sind, wenn sie das entsprechende Ziel erreichen (Purpose, Autonomy, Mastery).
Die normativen Rahmen einer Organisation sollten grundsätzlich darauf abzielen, organisatorisches Lernen zu ermöglichen [9]. Denn nur so kann ein kontinuierlicher Abgleich zwischen gemeinsam gesteckten Rahmen erreicht werden - im Einklang mit den individuellen und organisationalen Zielen -, um die Seinsziele Autonomie, Sinnhaftigkeit und Selbstwirksamkeit in einer gesunden Atmosphäre zu ermöglichen.
Im folgenden werden wir uns nun die Kernelemente anschauen, die Rahmenbildend sein können. Sie sind zu verstehen wie eine Pyramide mit verschiedenen Ebenen, wobei die untere Ebene zur nächsthöheren Ebene immer eine gewisse Ableitung darstellt. Deshalb ist es auch eine Hierarchie der Ebenen, in diesem Fall der möglichen normativen Rahmen.
Nach Schein können Rahmen in drei Ebenen Grundannahmen, Werte und Artefakte eingeteilt [1] werden. In diesem Artikel wählen wir eine Interpretation [2] die mit den 5 Zielebenen (siehe Artikel Zielkultur) korrelieren. Die Rahmen lassen sich in folgende Hierarchie einteilen:
Grundannahmen bilden den Kern der Organisationskultur. Sie sind meist unbewußt und im Denken der Menschen fest verankert. Diese Annahmen werden im Kollektiv als Fakten akzeptiert. Zu Grundannahmen gehören Annahmen, Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle und Glaubenssätze.
Kernfrage: Welche ungeschriebenen Annahmen spiegeln tiefe Haltungen der Organisation wieder?
Grundannahmen haben die Funktion
Merkmale
Werte spiegeln wünschenswerte ideelle Zustände wieder. Werte an sich sind zweckfrei, aber nicht sinnlos. Werte sind als Kultur erkennbar, wenn sie sich im Verhalten wiederspiegeln ("culture is behavioralized values").
Kernfrage: Welche ethischen Grundsätze sollten bestimmen wie die Vision im Alltag umgesetzt wird?
Werte haben die Funktion
Merkmale
Kultur zeigt sich durch verhaltensorientierte Werte. (engl. culture is behavioralized values
Achtung:
Beispiel:
Ein Prinzip (lat. principum = Anfang, Ursprung) ist eine Gesetzmäßigkeit die anderen Regeln als Grundlage oder Ursprung dient. Deshalb sollte sich aus einem Prinzip eine Handlungsempfehlung für konkretere Regel und Entscheidungen ableiten lassen. Prinzipien in einer Organisation sind geltende Normative die - egal ob explizit oder implizit - Entscheidungen produzieren. Sie sind für den Einzelnen somit Handlungs- und Entscheidungsempfehlung. Damit unterstützen Prinzipien nicht nur ein Voranschreiten der Organisation, sondern erhalten damit in der Organisation einen "Kulturraum", der auch Sicherheit und Vertrauen erhält. Denn die Prinzipien gelten für alle Menschen in der Organisation und sichern somit auch ein "Versprechen" im gegenseitigen Verhalten miteinander.
Kernfrage: Welche übergeordneten Gesetzmäßigkeiten gelten in einem bestimmten Kontext der Organisation?
Prinzipien haben die Funktion
Merkmale
Artefakte spiegeln Charakteristika einer Organisation wieder. Sie sind von Mitarbeitern leicht sichtbar, hörbar und fühlbar sind. Auch ein Außenstehender sollte sie beobachten können. Dazu gehören die Innenausstattung, der Kleidungsstil der Mitarbeiter, das Feierabendbier, sogar Andenken und Trophäen sind physische Artefakte. Genauso gehört die Sprache und verwendete Technologien dazu. Geschichten und Mythen, die unter den Menschen im Umlauf sind, sind ebenfalls Artefakte. Gelebte Artefakte demonstrieren Ritualen in der Organisation, "wie wir miteinander tun". Deshalb sind Artefakte "Zeitzeugen" der Kultur.
Während Artefakte Eindrücke gelebte Ist-Zustände von Kultur sind, beschreiben Rahmenwerke (engl. Frameworks) gewünscht Soll-Zustände. Umgangssprache sind solche Soll-Zustände durch Normen definiert. Im Ideal sind gelebte Rahmenwerke entdeckbar als Artefakte.
Kernfrage: Welche Situationen oder Besonderheiten kennzeichnen die Kultur der Organisation?
Artefakte haben die Funktion
Frameworks haben die Funktion
Merkmale
Methoden sind Verfahren zur Erreichung gewünschter Erkenntnisse im Rahmen eines vorgegebenen Ziels. Eine Methodik (altgriech. methodikḗ) beschreibt die "Kunst des planmäßigen Vorgehens". Insofern ist jede Methode schlicht nichts anderes als ein Modellbildungsautomatik, der durch ein bestimmtes Vorgehen eine gewisse Form ein Modell bildet in einem spezifischen Kontext bei entsprechenem Ziel. Neben dem Zweckbezug des Erkenntnisgewinns durch Methode, gibt es den weitern Aspekt, dass eine Methode der Wissensvermittlung dienen sollte.
Wir haben gelernt, dass grundlegend Prinzipien, Rahmenwerke, Regelwerke oder Methoden helfen können, ein konkretes Problem zu lösen und einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Da jedes Modell zwangsläufig einen Zweck hat (siehe Modellbildung), liegt es nahe anzunehmen, dass jedes konstruierte Rahmenwerk ein erprobtes oder gewünschtes Modell ist, um den entsprechenden Zweck zu erfüllen. Es sollten keine Regeln und Normen existieren, die keinen Nutzen haben. Dramatischerweise weist der Systemtheoretiker Luhmann als studierter Rechtswissenschaftler darauf hin, dass besonders das Rechtssystem keine normativen Vorgaben aus der Umwelt beziehen kann [14]. Das bedeutet letztlich, dass Gesetze keinen natürlichen Bezug zur Realität haben. Noch schlimmer ist jedoch die Tatsache, dass sich Gesetze aus sich selbst begründen und optimieren – sie sind selbstreferenziell. Sie stehen in einem zirkulären Zusammenhang und produzieren sich gegenseitig; dadurch erhält das Rechtssystem seine eigene Existenz aufrecht.
Die nebenstehende Abbildung soll sinnbildlich das Problem veranschaulichen. Wenn sich alle Gesetze und Normen in einer flachen Ebene befinden würden, dann würde sie sich immer weiter in dieser Fläche erweitern und vernetzen. Ihren Sinn erhalten sie jedoch erst mit einem orthogonalen Zweckbezug, d.h. mit einer sinnvollen Begründung, welches Problem diese Regel in der Wirklichkeit löst. Daher sollten wir jede juristische oder normative Fragestellung immer prüfen:
Eine rein selbstreferenzielle Begründung wie: "Wir sollten dies so tun, weil Paragraph X es in Norm Y oder Gesetz Z vorschreibt" reicht nicht aus als Begründung. Es ist unsere Verantwortung als Rahmengeber einen begründeten und reflektierten Zusammenhang zwischen Zweck und Rahmen herzustellen. Tun wir dies nicht, dann gehen wir die Gefahr ein uns an Regeln zu halten, die wir nicht verstanden haben und begründen können und diese - weil ohne Zweckbezug - auch am Ende des Tages nicht erfüllen können. Dann sind diese Rahmen keine Orientierungshilfen, sondern sinnlose Frustrationsräume die Kraft und Zeit binden, was sicherlich die Produktivität als Hauptzweck einer Organisation nicht fördert. Das gilt auch für vermeintliche Qualitätsstandards [15].
Rahmengebung bedeutet, dass unsere Gedanken, Entscheidungen und Handlungen alle unsere Grundwerte und Grundannahmen würdigen. Diese Ausrichtung (engl. Alignment) bedeutet, dass wir auf unsere Intuition hören und uns durch die Welt bewegen, indem wir unser wahres Selbst verkörpern. Ausrichtung bedeutet Funktion und Aktion mit Leichtigkeit und tiefer Überzeugung. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet Ausrichtung, dass die Dinge einfach einen Sinn ergeben und unsere Worte sich mit unserem Verhalten decken. Wenn wir in sinnvollen Rahmen agieren und Leben, dann sind wir in Resonanz [12]. Dann fühlen wir ganz natürlich, dass unser Leben mit allem anderen zusammen passt, So sollten wir uns in den entsprechenden Rahmen fühlen wie ein Fisch im Wasser oder ein blühende wunderbar duftende Blume. Jeder Tätigkeit sollte Ausdrücken: "Ich bin, ich darf sein, es ist gut so".
Fühlst du das?
Herzlichst,
Matthias
Quellen