Wenn ein (adoptierter) Hund entläuft….

Vorweg: Dass ein Hund entläuft, kann passieren. Solange dies nicht aus fahrlässigem Verhalten passiert, machen wir niemanden einen Vorwurf. Auch uns sind durchaus Hunde entwischt.

Wir haben diesen Ausnahmezustand gerade drei Wochen lang gehabt. Felina, von uns vermittelt, entwischte Ende Juni ihrer Adoptantin. Lutz und ich waren zu dem Zeitpunkt in Rumänien, die Adoptantin informierte alle möglichen Menschen. Leider uns nicht. Auch bei TASSO war Felina nicht angemeldet worden, obwohl das in unseren Verträgen steht. Wir haben es über Dritte (in dem Fall ihre Pflegestelle) erfahren müssen. Das war richtig blöd, weil die ersten wichtigen Schritte und das Handeln direkt nach dem Entlaufen schief liefen. Wir hätten entsprechend beraten können, um das zu vermeiden.

Kein weißer Wolf, sondern Felina!

Es wurden genau die Fehler begangen, die nicht passieren sollen: Schreiend hinter dem Hund herrennen, Suchaktionen starten und wie wild öffentlich posten. Das ist ein absolutes No Go! Es vertrieb Felina weit weg von ihrem Zuhause. So stark, dass sie rund 15km zurück in ihre alte Heimat Richtung Pflegestelle lief.

Ich organisierte den Kontakt zwischen Pflegestelle (vielen herzlichen Dank an dieser Stelle nochmals an Tanja und ihre Familie für die großartige Hilfe und Unterstützung bei der Suche!) und Heino Krannich, um von Anfang an einen Profi dabei zu haben; ließ die öffentlichen Suchposts löschen mit dem Hintergrund, dass es für den Hund nichts gefährlicheres gibt als eine Jagd auf ihn. Selbsternannte Hundefänger spuken überall herum. Als nächstes hieß es abwarten und auf Sichtungen hoffen. Die kamen dann tatsächlich! Aber nicht am Ort des Enlaufens, sondern in der Nähe ihrer Pflegestelle. Um sicher zu gehen, wurden Wildkameras aufgehängt. Die ersten Tage war nichts zu sehen. Auch bei eingerichteten Futterstellen nach meiner Rückkehr aus Rumänien nicht.

Aber dann hatten wir wieder Meldungen über Direktsichtungen! Im vermuteteten Bereich hat Tanja Flyer aufgehängt, damit Spaziergänger gleich wussten, wo sie anrufen müsen. Das hat wunderbar funktioniert. Wir haben mehrfach zeitnah Sichtungen gemeldet bekommen. Das Gebiet konnte mehr und mehr eingegrenzt werden und in diesem Gebiet wurden mit Tipps von Heino und den Pettrailern KS Futterstellen errichtet. Endlich hatte Felina eine Futterstelle angenommen und war auf der Kamera zu sehen. Dort wurde sie bewusst oder unbewusst vertrieben. Da sie sich wohl von Erdbeeren und Kirschen gut ernähren konnte, war der Hunger anfangs nicht so groß, dass sie unbedingt auf Futterstellen angewiesen war.

Durch Beobachtung und eine direkte Sichtung von Tanja (wir waren stundenlang mit Ferngläsern bewaffnet unterwegs, um von den umliegenden Anhöhen zu beobachten; sammelten Mückstiche im Dutzend…) konnten wir dann endlich ihr Schlafversteck ausmachen. Felina hielt sich von den Zeiten her an das, was sie von ihrer Pflegestelle gewohnt war und auch draußen hatte sie ihren festen Ablaufplan. Das war trotz Ernsthaftigkeit der Lage drollig zu sehen, wie sie zur gleichen Zeit auftauchte, die gleichen Wege ablief und an den gleichen Stellen pieselte! Felina ist ein sehr auf feste Abläufe fixierter Hund, das hat bei ihrer Sicherung einiges erleichtert. Auch, dass sie fest in dem Gebiet geblieben ist. Auf Alltagsbetrieb wie Schlepper, Autos und Verkehr reagierte sie zum Glück gelassen. Hier hat sich die Arbeit von Tanja in den ersten Wochen bei ihr bezahlt gemacht. Grundlagentraining und Routinen anlegen. Sowohl bei den Spazierwegen als auch im Umgang mit Verkehr.

Grundsätzlich stellte sich die Frage, ob Felina mittels Falle zu sichern ist oder auf Distanznarkose zurückgegriffen werden sollte. Wir haben beschlossen, es zunächst mit der Falle zu probieren, sobald Felina eine Futterstelle annimmt.

Dort in der Nähe habe ich zwei Futterstellen eingerichtet und diese wurden zuverlässig von Felina angenommen. Die Erdbeeren waren nämlich inzwischen nicht mehr da, das Feld abgeerntet. Die Funkkameras haben mir die Zeiten verraten, an denen ich sicher und ohne zu stören Futter nachlegen konnte. Nach der dritten Nacht kam Heino mit Bruno und der XL-Lebendfalle zu uns. Die Falle wurde unweit der einen Futterstelle möglichst unauffällig und unbeobachtet installiert und scharf gestellt. Futter wurde zur üblichen Zeit hingelegt und ich fuhr nach Hause. Es sind gerade mal 1.000m Luftlinie zu diesem Punkt, das machte ein schnelles Handeln möglich wenn nötig. Ein Entfernen meinerseits war wichtig, da Felina das kannte. Sie hat mich wohl die letzten Tage beim Futter auslegen beobachtet, war meistens keine 10 min danach am Platz. Abweichen von der Routine hätte eine Störung und damit Vertreiben bedeuten können.

Zunächst schlich Felina nur vor der Falle herum, verschwand und guckte woanders nach Futter. Einen Riesenschrecken haben wir gehabt, als um 23:00 Uhr ein Störenfried mit Auto den Feldweg hochfuhr, an dem die Falle stand. Zurm Glück verschwand er nach 15 min. und Felina war gerade an der anderen Futterstelle. Live überwacht. Funkkameras sind klasse!

Nach durchwachter Nacht kam um fünf Uhr der erlösende Anruf: Felina sitzt in der Falle!!!!! Riesendonner vom herabfallenden Stein!

Felina endlich gesichert!

Also zu zweit hingefahren und Heino geholfen, Felina fachgerecht aus der Falle in eine sehr praktische Transportbox zu packen und dann ins Auto zu verladen. Zuhause durfte Felina erst im Haus aus der Kiste, damit nichts schief gehen konnte. Anfangs noch sehr irritiert hat sie sich schnell gefasst und während wir den wohlverdienten Kaffee getrunken haben, fand sich Felina zurück in ihr Haushundleben. Es ist erstaunlich, wie rasch Hunde nach dem Fangen umswitchen und ihre alten Routinen aufnehmen. Nach der Aufregung und den letzten drei Wochen schlief Felina zunächst vier Stunden tief und fest durch. Ich durfte mich nicht wegbewegen, sie suchte Nähe. Danach war sie deutlich ruhiger und recht entspannt.

Am gleichen Abend ist Felina zurück in ihre Pflegestelle zu Tanja gezogen. Dort kann sie sich weiter erholen! Sie hat sofort den gewohnten Tagesablauf aufgenommen und ist sehr glücklich, wieder dort sein zu dürfen. Felina sah die ganze Zeit draußen erstaunlich gut aus, obwohl sie ein fast weißer Hund ist. Abgenommen hat sie zwar, aber nicht viel. Dafür richtig Kondition aufgebaut. Zu ihrer Adoptantin geht sie nicht zurück, diese hat sich als unzuverlässig und nicht geeignet herausgestellt. Auch wir können den Menschen nur bis vor den Kopf schauen.

Zum Glück hat dieses unerwünschte Abenteuer ein gutes Ende gefunden! Das ist leider nicht immer so, wie täglich in den sozialen Medien zu lesen ist. Bitte nehmt euch die Ratschläge und Tipps für die ersten Wochen zu Herzen, wenn ihr einen Hund adoptiert.

Ein riesengroßes Dankeschön an Heino Krannich für die enge Betreuung und Hilfe. Wir standen in engem Kontakt, er war jederzeit ansprechbar für Fragen und hat uns sicher um die Tücken und Fehler beim Hundefang herumdirigiert. Hat mich beruhigen können und immer Mut gemacht. Heino war sofort zur Stelle, als es ums Falle stellen ging (was für ein durchdachtes Teil!) und die direkte Überwachung der Aktion. Ohne ihn hätten wir keine Chance gehabt, Felina zu sichern.

Toll war auch, dass unsere Jagdpächter vor Ort verständnisvoll und nett waren. Sie haben das Gebiet während der Zeit nicht betreten und uns ungestört arbeiten lassen. Das ist nicht selbstverständlich.

Die Aktion war trotz des dreiwöchigen Schlafmangels und der nervenaufreibenden Suche eins: Sehr lehrreich! Direkt in der Praxis konnten wir erproben, was zu tun ist. Ich habe viel über das Verhalten entlaufender Hunde hinzugelernt, da sind ausführliche Gespräche mit einem Profi mehr als lehrreich. Die Gegend kenne ich nun besser als unseren Keller und welche Jagdpächter wohin gehören weiß ich auch. Außerdem durfte ich Bruno kennen lernen 😀 Besonderes Highlight!

Ein paar Hinweise zum Schluss, was zu tun ist, wenn der Hund entläuft:

  • Auf gar keinen Fall niemals nicht hinterherrennen! Schon gar nicht wild rufend und schreiend! Das bringt den Hund erst recht in Panik und Fluchtmodus. So schwer es fällt, Ruhe bewahren und in die andere Richtung gehen.
  • Abwarten, ob der Hund alleine nach Hause findet. Ohne Störung passiert das in den meisten Fällen. Selbst wenn der Hund noch nicht lange dort war.
  • Profi um Hilfe bitte. Er sieht die Lage von außen und nicht emotional aufgeladen. Und er kennt sich aus. Keinen Pettrailer rufen, wenn der Hund vermutlich mobil unterwegs ist. Nur wenn die Gefahr besteht, dass sich der Hund mit Leine oder Geschirr verfangen hat oder hilflos ist weil alt, gebrechlich, blind. Ansonsten treibt es den Hund erst recht weg.
  • Immer im Hinterkopf haben, dass der Hund im Fluchtmodus ist! Selbst ein menschenvertrauter Hund reagiert dann nicht mehr auf Ansprache und Pfeifen.