BMW Bayerische Turbomotoren Werke

Von sp-x 5 min Lesedauer

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Viel Leistung aus wenig Hubraum: Seit 50 Jahren machen Turbos Verbrennungsmotoren richtig Dampf. Eine Erfolgsstory, die mit dem 2002 Turbo ihren Anfang nahm. Mit Spoilern und „Kriegsbemalung“ provozierte der 02er Tempobolzer und Politik.

Einen gewaltigen Imagesprung in Richtung sportliche Marke vollführte BMW mit dem 2002 Turbo. Der erhitzte die Gemüter auf und abseits der Stammtische.
Einen gewaltigen Imagesprung in Richtung sportliche Marke vollführte BMW mit dem 2002 Turbo. Der erhitzte die Gemüter auf und abseits der Stammtische.
(Bild: BMW)

Ungläubig staunend stauten sich die Sportwagenfans im September 1973 um den IAA-Messestand der Bayerischen Motorenwerke. Plötzlich war sie Serienstandard, diese furiose Turbo-Power, die ein Jahr zuvor noch als futuristisches Triebwerk in der Traumwagen-Studie BMW Turbo gefeiert worden war. Jetzt aber debütierte der BMW 2002 Turbo als erstes europäisches Serienfahrzeug mit Abgasturbolader und Benzineinspritzung, stolze 125 kW/170 PS stark und ebenso schnell wie ein weit kostspieligerer Porsche 911. Auch der Elfer wurde auf der IAA mit Turboaufladung präsentiert, allerdings nur als Prototyp. Zur Publikumsattraktion avancierte deshalb die Topversion der bereits über sieben Jahre alten BMW-02-Serie.

Dies nicht nur, weil der 2002 Turbo rekordverdächtig rasante Rundenzeiten versprach – der Turbolader von Kühnle, Kopp und Kausch (KKK) entlockte dem bewährten Reihen-Vierzylinder aus dem 2002 tii satte 40 zusätzliche Pferdestärken –, sondern auch, weil der Sportdress des Bayernexpress deutschlandweite Debatten provozierte. Spoiler, Streifen und Kotflügelverbreiterungen, so etwas trugen zwar auch wilde Ford Capri und andere Kraftsportler. Aber der BMW brachte das Thema durch seinen berühmt-berüchtigten 2002-Turbo-Schriftzug in Spiegelschrift auf dem gewaltigen Frontspoiler nun bis in eine Fragerunde im Bundestag.

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Kriegsbemalung als Zubehör

Damit der „Vordermann in seinem Rückspiegel den schnellen Hintermann signalisiert“ bekommt, so begründete eine BMW-Presseinformation die umstrittene Spiegelschrift und ergänzte: „Gegenstück zum Spoiler ist die Kunststoffabreißkante hinten auf dem Kofferraumdeckel. Exklusive Turbofarben: Weiß und Silber. Seitliche Zierstreifen mit Schriftzug verraten, um was für ein heißes Kraftpaket es sich handelt.“ Tatsächlich sicherte der 2002 Turbo durch diese Speed-Insignien, teils in den typischen Blau-Violett-Tönen der gerade erst gegründeten BMW Motorsport GmbH, auf Anhieb einen Platz in Popkultur, Autoquartetts und Postern.

Aber auch modische Accessoires promoteten den schnellsten BMW 02 und den Begriff „Turbo“, der nach dem Debüt weiterer Dynamiker wie Porsche 911 Turbo und Saab 99 Turbo in die Umgangssprache Eingang fand. Wenn heute vom Turbo-Abi über den Turbo-Dünger bis zum Turbo-Wischmopp viele Worte „aufgeladen“ sind oder bei der täglichen Arbeit der „Turbo“ als Beschleuniger eingeschaltet wird, geht dies zurück auf jene ersten Autos, die in den tempohungrigen Siebzigern den Turbohammer auspackten. Mit dem für damalige Verhältnisse geradezu entfesselt schnellen BMW 2002 Turbo – mit Vmax 211 sogar exakt einen symbolträchtigen km/h flotter als Porsche 911 oder Mercedes 350 SL – löste man quasi ein Abo für die Überholspur auf Autobahnen. Und das ohne Spiegelschrift, die es nach den öffentlichen Debatten nur noch als kaum geordertes „Sonderzubehör Klebestreifen von der Firma 3M am Frontspoiler“ gab.

Turbo als „Umweltschützer“

Das Land veränderte sich in den Siebzigern, der Glaube an grenzenloses Wachstum aus Wirtschaftswunderzeiten war vorbei, Verkehrssicherheit und Umweltschutz wurden erstmals großgeschrieben. „Umweltfreundlich, rasant in handlicher Verpackung“ titelte deshalb eine Werbeschrift, die BMW an die Gäste der 2002-Turbo-Premiere auf der IAA 1973 verteilte. Die Publikation klärte auf, dass „die gute Gemischbildung für umweltfreundliche Verbrennung sorgt“ und der DIN-Verbrauch nur 9,7 Liter Super betrug. Das waren zwar zehn Prozent mehr Sprit als der schwächere 2002 tii konsumierte, aber gut ein Drittel weniger, als vergleichbar flinke, hubraumgrößere Sportler anderer Hersteller verlangten. Auch deshalb hat sich die Turbotechnik rasch durchgesetzt, heute nutzen sie fast alle Hersteller von Verbrennern.

Ganz neu war die Turboaufladung in Serienautos 1973 nicht mehr, denn bereits elf Jahre zuvor hatte General Motors mit den Turbo-Modellen Oldsmobile F-85 Jetfire und Chevrolet Corvair Spyder die amerikanische V8-Szene gerockt. Mit der Charakteristik der Turbo-Pioniere – im Drehzahlkeller und in der Mitte kaum Leistung, stattdessen oben ein explosionsartig startendes Power-Feuerwerk – konnten sich die Amerikaner aber nicht anfreunden. So lag es ab Ende der Sechzigerjahre an europäischen Tunern wie Michael May, Turbo-Kits für Motorsportmodelle zu entwickeln. Bei BMW setzten sie derweil 1969 in der Tourenwagen-Europameisterschaft auf einen 2002 ti, dessen verlässlicher Reihen-Vierzylinder vom Typ M10 dank Abgasturbolader auf 202 kW/275 PS kam (zum Vergleich: Im Serien-2002 ti waren es 88 kW/120 PS) und so den EM-Titel nach München holte.

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Der 2002 Turbo war nur der Auftakt

Warum also nicht die Straßenversion des 2002 mit Turbo-Muskeln stärken, zumal kein hubraumgroßer Sechszylinder unter die Haube des kompakten Mittelklassetyps passte. Gesagt, getan: Auf das 1972 vorgestellte Concept Car BMW Turbo folgte ein Jahr später der 2002 Turbo mit einem im „harten Wettkampf bewährten Hochleistungsmotor, beschränkt auf gebrauchstüchtige Zuverlässigkeit“, wie die Presseinformation blumig erläuterte. Zuverlässig und zukunftsfähig war der M10-Motor zweifellos, entstand doch noch zehn Jahre später aus diesem Aggregat das Formel-1-Triebwerk für Brabham-BMW, mit dem Nelson Piquet die erste „Turbo-Weltmeisterschaft“ gewann. Apropos Tempo: Als der aggressiv gekleidete und ab etwa 3.500 Touren schlagartig vorwärts stürmende BMW 2002 Turbo 1973 eingeführt wurde, polarisierte er die Gesellschaft wie kein anderes Auto. Die bundesdeutsche Unfallstatistik hatte kurz zuvor mit über 21.000 Verkehrstoten einen Allzeit-Negativ-Rekord verzeichnet und Verkehrssicherheitskampagnen und Tempo 100 auf Landstraßen schienen gerade erste Erfolge bei der Senkung der Unfallzahlen zu zeigen, da war der „Heiße Ofen von BMW“, wie die Presse den Turbo nannte, ein falsches Signal.

Die gar nicht so kleine Fraktion der Technikfreaks und Leistungsfetischisten freute sich dagegen über das in 6,9 Sekunden auf 100 km/h sprintende Geschoss mit Turbokick. Was beim Debüt des 2002 Turbo keiner ahnte: Nur einen Monat später schlug die erste Ölkrise zu, die Benzinpreise verteuerten sich um 20 Prozent, Rennsporttermine fielen aus, stattdessen wurden autofreie Sonntage und Tempo 100 auf Autobahnen verordnet. Keine Zeiten für Vollgas-Autos, der Markt brach ein und erholte sich auch nach Ende der Krise nur langsam. Eine Vollbremsung für den Turbo-Verkauf? Mitnichten, bis Juli 1975 wurden immerhin 1.672 des schnellsten BMW 2002 ausgeliefert. Ursprünglich hatte BMW nur mit 1.000 Einheiten des mindestens 18.720 Mark teuren Turbo gerechnet. Tempogeladene Autos faszinieren offenbar immer, sogar wenn Vollgas-Fahrten tabu sind, wie Sportautomärkte mit strikten Speedlimits zeigen. Welche Bedeutung der BMW 2002 Turbo heute in der Oldtimer-Community hat, erklärt Experte Frank Wilke von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Ähnlich wie der CSL hat auch der 2002 Turbo einen kometenhaften Preisanstieg hinter sich, nachdem er in den Achtzigerjahren eher ein technisch faszinierendes Mauerblümchen war, an das sich niemand so richtig heranwagte. Für wirkliche Top-Exemplare werden um die 140.000 Euro gezahlt.“

 

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