Tonio Borg, der EU-Gesundheitskommissar aus Malta, ist gerade sehr mit dem Pferdefleischskandal beschäftigt. Da droht ein anderes wichtiges Vorhaben aus seinem Ressort fast unterzugehen. Die EU-Kommission bereitet die Vorlage einer Gesetzesnovelle vor, durch die Humanversuche mit Medikamenten erleichtert werden können. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" gehe es darum, "die Medizinindustrie zu fördern". Die jetzt verpflichtende Befassung von Ethikkommissionen soll künftig nicht mehr vorgesehen sein.

"Unauffällig entsorgen"

Karin Kadenbach, österreichische Abgeordnete im EU-Parlament (SPÖ), will das Ausbooten der Ethikkommissionen auf jeden Fall verhindern. Sie ist damit einer Meinung mit dem Arbeitskreis der deutschen Ethikkommissionen. Der stößt sich am Versuch in dem EU-Vorschlag, das jetzige Schutzniveau für Testpersonen "unauffällig zu entsorgen". Deshalb zeigt sich das Gremium nach dem Zeitungsbericht "bestürzt" über die offensichtliche Absicht der EU, "grundlegende, vom ärztlichen Ethos getragene Prinzipien der Forschung am und mit Menschen auszuhöhlen". Die Worte "Ethik" und "Ethikkommission" würden im Gesetzestext gar nicht mehr aufscheinen.

Die Materie zeigt mehrere Zielkonflikte in heiklen Fragen. Es gibt das vitale Interesse von Erkrankten, dass Ergebnisse der Forschung möglichst rasch in zugelassenen Heilmethoden umgesetzt werden. Dann die Sorge vieler Bürger, dass neben Tieren wie Mäusen auch Menschen für Versuche herangezogen werden. Deshalb haben Ethiker Regeln zum Schutz dieser Menschen durchgesetzt. Die Medizinindustrie ist besorgt, dass strenge Bestimmungen bei Humanversuchen ihre Forschungstätigkeit hinauszögerten. Zum Schaden von Erkrankten, argumentiert sie.

Die EU-Abgeordnete Kadenbach weist darauf hin, dass manche Firmen mit ihren Testreihen an Menschen deshalb in Länder außerhalb Europas ausweichen würden, wo die Regeln der EU nicht gelten. Das sei auch kein wünschenswerter Zustand. Die Tendenz in dem deutschen Zeitungsbericht, die Standards für Versuchstiere seien bald höher als die Rechte als Versuchspersonen, weist sie als "verkürzt" zurück.

Zeitdruck

Die Absicht der EU-Kommission, die Regeln in diesem heiklen, aber wichtigen Bereich zu erneuern, verteidigt die Parlamentarierin insgesamt. Aber auch sie sieht wesentliche Passagen des Vorschlages - besonders den Verzicht auf die Einschaltung von Ethikkommissionen - sehr kritisch und erwartet im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens noch heftige Auseinandersetzungen der Kommission mit dem EU-Parlament.

Dieses Verfahren beginnt voraussichtlich im Frühjahr, die erste Lesung im EU-Parlament soll noch vor der Sommerpause stattfinden. Wegen dieses Zeitdrucks hat bisher vor allem die deutsche Ärzteschaft mobilgemacht und wesentliche Teile des Berliner Bundestages auf ihre Seite gebracht. Beobachter gehen davon aus, dass EU-Kommissar Borg demnächst eine Überarbeitung des Entwurfes vorlegt, der Ethikkommissionen nicht mehr aus diesem sensiblen Bereich verbannt.