Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) will die Vereinbarkeit mit einem Vollzeitberuf zu einem Kriterium bei der Verteilung der von der Regierung angekündigten zusätzlichen 4,5 Milliarden Euro für Kinderbetreuung machen. Bei den Verhandlungen mit den Ländern soll etwa als Ziel definiert werden, dass jeder neu geschaffene Platz "VIF-konform" (Vereinbarkeitsindikator für Familie und Beruf), ist, sagte Raab am Sonntag in der ORF-"Pressestunde".

Damit Eltern auch in Vollzeit arbeiten können, sollen laut dem Indikator Einrichtungen mindestens 45 Stunden sowie an fünf Tagen in der Woche und 9,5 Stunden täglich geöffnet haben. Ganzjährig sollen sie mindestens an 47 Wochen geöffnet haben, die Kinder müssen außerdem mit einem Mittagessen versorgt sein. Derzeit sind nur rund 50 Prozent der Kinder über drei Jahren in VIF-konformen Einrichtungen, bei den Jüngeren sind es rund 60 Prozent.

Raab fordert höhere Gehälter

Entsprechende Ziele müssen mit den Ländern bzw. Gemeinden festgelegt werden, derzeit wird gerade der Finanzausgleich verhandelt. Mit den 4,5 Milliarden Euro bis 2030 werde jedenfalls nicht nur wie bisher in den Ausbau der Infrastruktur wie etwa neue Gebäude investiert, sondern auch etwa den Erhalt. Überhaupt sollen die Länder die Mittel anhand vorgegebener Ziele flexibel einsetzen können. Das sei nötig, weil Kinderbetreuung in Wien anders als im Bregenzerwald finanziert werden müsse. Bei den Zielen werde es auch um den Betreuungsschlüssel gehen - dabei habe man mit der geltenden Bund-Länder-Vereinbarung schon ein Fundament. Bei der Betreuungsquote schwebt ihr etwa bei den Zweijährigen eine Verdoppelung der derzeitigen 27 Prozent vor.

Raab forderte unter anderem auch höhere Gehälter, wobei dafür die Bundesländer zuständig sind. Derzeit sei nur die Hälfte der fertigen Kindergartenpädagoginnen drei Jahre nach dem Abschluss auch im Beruf. Auch kleinere Gruppen sprach die Ministerin an. Eine Änderung der Kompetenzen strebt sie nicht an. Österreich sei ein föderaler Staat: Sie wünsche sich zwar eine gewisse Angleichung der Rahmenbedingungen, aber für unterschiedliche regionale Gegebenheiten müsse es Flexibilität geben.

Neos und SPÖ wollen Raab "beim Wort nehmen"

Gleichzeitig müsse auch immer der Bedarf an Kinderbetreuung erhoben werden, betonte Raab. Ansonsten könne man nicht zielgerichtet vorgehen. Gleichzeitig räumte sie ein, dass es ein "Henne-Ei-Problem" gebe. "Wenn die Plätze da sind, werden sie auch angenommen."

SPÖ-Frauenvorsitzende Eva-Maria Holzleitner reagierte auf Raabs Aussagen in der „Pressestunde“. Sie verlangte konkrete Taten. "Der Ausbau der Kinderbildung darf nicht weiter heiße Regierungsluft sein, sondern muss rasch umgesetzt werden. Klares Ziel muss der Rechtsanspruch auf Kinderbildung ab dem 1. Lebensjahr sein", hieß es in einer Aussendung. Ähnlich die Neos: "Wir werden Ministerin Raab beim Wort nehmen, dass sie beim Ausbau vor allem auf die Qualität der Betreuungsplätze achten wird", sagte Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. Die von der Ministerin vielzitierte "echte Wahlfreiheit" könne es nur bei einem österreichweiten Rechtsanspruch auf einen hochqualitativen Platz ab dem ersten Geburtstag, kleineren Gruppen und längeren Öffnungszeiten geben.