Das Wirtschaftswachstum dürfte in den nächsten Jahren sehr verhalten bleiben. Das Institut für Höhere Studien (IHS) rechnet bis 2027 mit Wachstumsraten von durchschnittlich nur 1,2 Prozent pro Jahr. "Die Politik sollte sich mit diesem Wachstum nicht zufriedengeben oder abfinden", appelliert Neo-IHS-Chef Holger Bonin bei seinem ersten offiziellen Auftritt in Richtung Politik. Gegensteuern sollte man etwa mit verstärkter Digitalisierung. Bonin: "Die positive Nachricht ist, die aktuelle Phase der Stagnation könnte 2024 überwunden werden." Dann könnte auch die Inflation auf 4 Prozent sinken.

Ist ein derart verhaltenes Wachstum über fünf Jahre ein Alarmsignal? IHS-Experte Helmut Hofer beruhigt: In den vergangenen fünf Jahren habe es durchschnittlich ein Plus von 1,3 Prozent gegeben. Allerdings standen die vergangenen Jahre durch Corona und den Beginn des Ukraine-Krieges unter extremen Vorzeichen.

Wachstumsbremsen sind die zunehmende Alterung und der Arbeitskräftemangel. Das verschlimmere sich, wenn die Politik jetzt nicht ausreichend finanzielle Spielräume für Reformen bei Gesundheit, Pflege, Pensionen schaffe, so Bonin.

"Trend zu kürzeren Arbeitszeiten nicht beschleunigen"

Die Möglichkeiten qualifizierter Zuwanderung seien für ein kleines Land begrenzt, erklärt der Arbeitsmarktexperte. "Deshalb muss man den Pool vergrößern." Das könne durch gezielte Verbreitung von Ausbildungsstandards und Sprachvermittlung gelingen – am besten in einer Partnerschaft mit Deutschland. Angesichts des knappen Arbeitskräfteangebots warnt Bonin wie schon zuvor andere Ökonomen eindringlich: "Der Trend zu kürzeren Arbeitszeiten darf sich nicht beschleunigen." Das hätte nicht nur sofort, sondern auch langfristig negative Auswirkungen auf Österreichs Wachstumspotenzial.

Im Gegenteil müsse Österreich umfassende Strategien gegen den Arbeitskräftemangel entwickeln. Das AMS sollte mittelfristig in einem gut geplanten Prozess einen Strategiewechsel vollziehen, der die Aufgaben der Arbeitsvermittlung ganz neu definiere. Die Rolle des AMS sollte dann auch deutlich stärker auf Prävention ausgerichtet werden, vor allem, um Risiken von Langzeitarbeitsarbeitslosigkeit zu reduzieren. Bonin plädierte stark für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz beim AMS, so könnten Menschen künftig viel bessere persönliche Empfehlungen bekommen. Die Arbeitslosenquote sinkt laut der IHS-Prognose von heuer 6,5 Prozent auf voraussichtlich 5,8 Prozent 2024.

Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale?

Zur Herbstlohnrunde gibt das IHS keinerlei Empfehlung ab. Michael Reiter untersuchte das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale. Reiter sieht dieses Risiko zumindest nicht dauerhaft, obwohl nach seinen Berechnungen eine nominelle Lohnerhöhung um 1 Prozent sich in 0,5 bis 0,6 Prozent mehr Inflation niederschlage. Bonin verweist allerdings auf die deutschen Sozialpartner, die oft gewisse Reallohneinbußen hingenommen und dafür stärker auf Nachzahlungen gesetzt hätten.