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Den „Kerl“ lässt er immer noch gern raushängen

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„Swing low“ im Duett: Gunter Gabriel und Deborah Harris. ·
„Swing low“ im Duett: Gunter Gabriel und Deborah Harris. · © Foto: Bohlken

Harpstedt - Von Jürgen Bohlken. Das Haar ist schütter geworden. Im Gesicht scheint so mancher Tiefpunkt im Privatleben aus der Vergangenheit Spuren hinterlassen zu haben. Ansonsten aber ist Gunter Gabriel sich treu geblieben.

In eingängige Songs stimmte das Publikum klatschend ein.
In eingängige Songs stimmte das Publikum klatschend ein. © Foto: Bohlken

Er pflegt das Image des Kumpels, des von ihm selbst besungenen Kerls  und ganzen Manns, sympathisiert und kokettiert mit dem kleinen Mann und würde optisch am Lenkrad eines „30-Tonner Diesels“ in einem Konvoi aus Trucks kein Stück auffallen. Eigentlich klar, dass dieser Typ auf Country-Music steht und den vor zehn Jahren verstorbenen Johnny Cash, den er seinen Freund nennt, bewundert. „Ich könnte nie ein Uli Hoeneß werden“, amüsiert er sein Publikum in der Harpstedter Christuskirche. Wenn Gabriel über sein eigenes Leben plaudert, dann schwingt zuweilen sogar eine Prise Selbstironie mit. „Ich habe meinem Bestatter gebeten, frische Unterwäsche in den Sarg zu legen“, spielt er auf seine noch nicht ganz aufgegebene Hoffnung an, wider Erwarten doch in den Himmel zu kommen. „Ich habe die Modelle gewechselt“, bemerkt Gabriel im Scherz und ohne Reue – auf vier gescheiterte Ehen zurückblickend.

„Ich bin dauernd pleite, mir fällt gar nichts in den Schoß“, lauten Verse aus seinem Hit „Ohne Moos nix los“ – eine Erfahrung, die dem Sänger selbst nicht erspart geblieben ist. „Heute aber weiß ich: Auch ohne Moos kann viel los sein“, erzählt er, um sich sodann wieder seinem momentanen Lieblingsfeind zu widmen: „Man braucht im Leben nur ein bisschen Handgeld oder – wie Uli Hoeneß – ,Spielgeld‘.“ „Ohne Moos...“ habe er übrigens schon 1982 geschrieben. „Ich war der Zeit immer weit voraus.“

Bei aller Sprücheklopferei hat Gunter Gabriel weder Musikalität noch Glaubwürdigkeit eingebüßt. Stolze 70 „Lenze“ konnten der Stimme nichts anhaben. Gabriel bringt gut 200 Fans in Harpstedt ohne viel Equipment und Show in Wallung – und das in einer Kirche. Ein Mann und seine Gitarre, zwei zusätzliche (E-)Gitarristen, eine farbige Sängerin mit schwarzer Stimme – mehr braucht es nicht für ein Konzert mit Country-

„Schnauze voll von

,Biene Maja‘“

Music, Gospel und einer Prise Schlager, das im Gedächtnis haften bleibt.

Schon bei „Ring of fire“, dem zweiten Stück des Abends und einem der berühmtesten Titel von Johnny Cash, dem das Tribute-Konzert gewidmet ist, geht das Publikum richtig mit. Anfangs singt Gabriel das englische Original; dann wechselt er ins Deutsche, und aus „Ring of fire“ wird „Ring aus Feuer“. Zweisprachig kommt auch die nächste Nummer daher, diesmal mit deutscher Einleitung. Die Refrainzeile „Freiheit ist ein Abenteuer, das wie Feuer brennt“ klingt bereits verdächtig nach „Freedom‘s just another word for no-thing left to lose“ aus „Me and Bobby Mc Gee“. Tatsächlich findet sich dieser von Janis Joplin geschriebene Song im Programm wieder, wobei Gabriel in seiner Interpretation weniger dem Original als vielmehr Kris Kristoffersons Coverversion für die Zielgruppe der Trucker nahe kommt.

Bei aller Verneigung vor der Country-Music und Johnny Cash spart der 70-Jährige keinen eigenen Hit aus und ändert hier und da mit sichtlichem Spaß den Ur-Text. Dass im „30-Tonner Diesel“ der Trucker von seiner Frau verlassen wird, entlockt ihm den Kommentar „Das Luder ist Gott sei Dank nicht mehr da“. Den eigentlich fiktiven Bruno Wolf in „Hey Boss, ich brauch‘ mehr Geld“ traf Gabriel, wie er erzählt, viele Jahre nach Erscheinen des Titels, auf dem Hamburger Hauptbahnhof tatsächlich – in Person eines Mannes, der eben diesen Allerweltsnamen trägt und sich dafür bedankte, „dass du mir den Song gewidmet hast“.

Auch Spott und Spitzen, zuweilen hart an der Grenze zu Unverschämtheiten, sorgen zwischen Cashs- und Gabriel-Songs immer wieder für Erheiterung, sogar bei der Vorstellung der Begleitmusiker. „Gitarrist Peter Rehak war jahrelang in der Band von Karel Gott. Irgendwann hatte er die Schnauze voll von der ,Biene Maja‘“, lästert Gabriel. Der „unsägliche Dieter Bohlen“ kriegt an anderer Stelle sein Fett weg. Eines kann man dem gebürtigen Westfalen nicht absprechen: Der Langeweile gibt Gabriel einfach keine Chance. Deborah Harris als Support entpuppt sich indes als Idealbesetzung. Stimmgewaltig singt sie Gospelsongs wie „Swing low“ und lässt so im Gotteshaus Spiritualität und Religiosität (doch noch) zu ihrem Recht kommen.

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