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Rotenburger Diako-Chef zur Krankenhausreform: „Das löst unsere Probleme nicht“

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Einer der Schockräume im Diako. Wie die Krankenhausreform das Leistungsspektrum des Rotenburger Krankenhauses verändert, ist noch nicht abzusehen.
Einer der Schockräume im Diako. Wie die Krankenhausreform das Leistungsspektrum des Rotenburger Krankenhauses verändert, ist noch nicht abzusehen. © Menker

Die Folgen der Krankenhausreform sind auch für das Rotenburger Diakonieklinikum noch nicht abzusehen. So oder so drohen rote Zahlen. Diako-Chef Jörn Wessel glaubt aber nicht, dass sein Haus „sterben“ wird.

Rotenburg – Schaut man auf die höheren politischen Ebenen, ist die Wortwahl durchaus hochtrabend: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht bei der geplanten Krankenhausreform, deren Eckpunkte vergangene Woche vorgestellt worden sind, von einer „Revolution“. Sein niedersächsischer Amtskollege Andreas Philippi (SPD) redet von einem „gordischen Knoten, der durchschlagen worden ist“.

Die Worte, die Jörn Wessel wählen würde, klingen dagegen deutlich nüchterner und verhaltener. Für den Geschäftsführer des Rotenburger Agaplesion Diakonieklinikums geht der Vorschlag, der von Bund und Ländern präsentiert wurde, nicht weit genug. Durch ihn komme kein Euro zusätzlich ins System. Dabei sei frisches Geld dringend notwendig. Immerhin: Das Rotenburger Krankenhaus sieht Wessel nicht in Gefahr.

Diako-Chef erwartet Klinikschließungen

Die Eckpunkte der Reform sehen vor, das Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle – sogenannte Fallpauschalen – zu ändern, um Krankenhäuser von finanziellem Druck zu immer mehr Fällen zu lösen. Stattdessen bekommen Krankenhäuser eine Vorhaltepauschale für Leistungen, die sie den Patienten grundsätzlich anbieten können. Die alleine reiche aber gerade einmal für 60 Prozent der Kosten, alles darüber hinaus geht wieder über die Fallpauschalen, schränkt Wessel ein.

Der Reformvorschlag ändere nichts daran, dass in den kommenden Jahren bundesweit weitere Krankenhäuser schließen müssen. „Dass das System aufgeht, können wir uns nicht vorstellen. Das geht nur, wenn Krankenhäuser vom Markt verschwinden.“ Aber schon Lauterbach kündigte bereits an: Bis die Reform wirke, würden leider noch Kliniken in die Insolvenz gehen.

Dass das System aufgeht, können wir uns nicht vorstellen. Das geht nur, wenn Krankenhäuser vom Markt verschwinden.
Dass das System aufgeht, können wir uns nicht vorstellen. Das geht nur, wenn Krankenhäuser vom Markt verschwinden. © Krüger

Diako-Chef Wessel spricht lieber von einer Umverteilung als von einer Reform. „Das löst unsere Probleme nicht.“ Systemfehler würden nicht behoben, die Krankenhäuser müssen weiterhin Gewinne machen, um investieren zu können. Investitionen seien nötig, aber das Geld fehle. Zumal es mittlerweile auch an anderer Stelle gebunden wird: Der Krankenhausbetrieb würde immer teurer – etwa durch neue Tarifabschlüsse und generell steigender Kosten. Zudem mache das Thema Leiharbeit dem Rotenburger Krankenhaus zu schaffen.

Betriebskosten des Rotenburger Krankenhauses steigen

Mit mehr als 2.500 Mitarbeitern ist es der größte Arbeitgeber in Rotenburg, dennoch fehlt es an Personal. Dieses kommt dann – kostspieliger – von anderen Firmen. Rotenburg sei zwar ein gutes Krankenhaus, hätte es aber in Konkurrenz zu Großstädten schwerer. Die finanzielle Lage des Rotenburger Diakonieklinikums sei daher angespannt. „Wir bewegen uns auf einem neutralen, ausgeglichenen Ergebnis“, so Wessel über das laufende Geschäftsjahr. Für 2024 sieht es seinen Worten nach allerdings deutlich düsterer aus.

Immerhin: Trotz hoher Inflation und stark gestiegener Energiekosten hat der Mutterkonzern Agaplesion das Geschäftsjahr 2022 mit einem positiven Ergebnis und einem Jahresüberschuss von 18,2 Millionen Euro abgeschlossen. Die Umsatzerlöse seien um 75,9 Millionen Euro auf 1,76 Milliarden Euro gestiegen, berichtete der Evangelische Pressedienst EPD vergangene Woche. Das entspreche einem Zuwachs von 4,5 Prozent. Bundesweit gibt es mehr als 100 Agaplesion-Einrichtungen.

Alles ist besser als jetzt.

Jörn Wessel

Wessel wäre eine ordentliche Finanzspritze wohl lieber gewesen. Wenngleich er zustimmt, dass selbst die vorgeschlagene Reform besser ist als gar keine Reform. „Alles ist besser als jetzt.“ Aber: „Es wird Veränderungen geben müssen.“ Das letzte Wort zur Krankenhausreform ist ohnehin noch nicht gesprochen. Zwar soll sie bereits im Januar in Kraft treten. Doch vorgestellt wurden bislang nur Eckpunkte, über Details und Weiteres soll über den Sommer gerungen werden.

Somit ist auch nicht absehbar, welche Folgen die Krankenhausreform auf das Rotenburger Agaplesion Diakonieklinikum haben wird. Das Diako ist Wessels Einschätzung nach als größter freigemeinnütziger Maximalversorger Niedersachsens „too big to fail“ – zu groß, um im schlimmsten Falle tatsächlich dichtzumachen, ohne vorher gerettet zu werden. Es könne dafür sein, dass weitere Leistungsgruppen im Krankenhaus dazukommen, dass es weiter wächst. Im Gegenzug könne es ebenfalls passieren, Leistungen an andere Kliniken in der Region abzugeben. Wessel ist aber selbstbewusst, vertraut auf die Stärken seines Hauses. „Davor haben wir keine Angst.“

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