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Schäuble vergleicht Putin mit Hitler: Warum das ahistorisch und gefährlich ist

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Wolfgang Schäuble vergleicht Putin mit Hitler. Er ist nicht der Erste, der im Ukraine-Krieg derartige Vergleiche wagt: Es gibt eine rhetorische Enthemmung.

Berlin – Erst kürzlich erschien in der Kreiszeitung ein Artikel, der sich mit verqueren Vergleichen und der Instrumentalisierung des Zweiten Weltkriegs im Ukraine-Krieg auseinandergesetzt hat. Nur wenig später äußert sich jetzt eine prominente Stimme aus Deutschland mit einem ähnlichen Vergleich: Wolfgang Schäuble. Der CDU-Mann schreckt nicht davor zurück, den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Adolf Hitler zu vergleichen. Weshalb diese Vergleiche nicht nur ahistorisch sind, sondern auch gefährlich.

Wolfgang Schäuble vergleicht Wladimir Putin mit Adolf Hitler

CDU-Politiker Wolfgang Schäuble ist der nächste, der sich im Zuge des Ukraine-Kriegs überaus problematischer Vergleiche bedient: Er verglich den russischen Präsidenten Wladimir Putin jetzt mit Adolf Hitler. Schäuble sagte, Hitler habe in „Mein Kampf“ bereits erklärt, die Ergebnisse des Ersten Weltkriegs rückgängig machen zu wollen. Zunächst habe der Westen gegenüber Hitler auch nach dem Einmarsch der Wehrmacht ins Rheinland zurückhaltend agiert, erst nach dem Zusammenbruch Frankreichs 1940 und dem Fall Europas unter die Herrschaft der Nazis habe Churchill die Briten zum Kampf überzeugt. Vorher habe er keine Mehrheit für seine Politik gehabt. Schäuble sagt: „Bei Putin sind die Parallelen groß“.

Wolfgang Schäuble.
Wolfgang Schäuble (CDU) hat Russlands Präsident Wladimir Putin zum wiederholten Male mit Adolf Hitler verglichen. (Archivbild) © CDU-Bundesgeschäftsstelle

Der CDU-Mann verkündete, Putin habe geglaubt, er könne die Ukraine ebenso schnell erobern wie Hitler im Frühjahr 1939 die Tschechoslowakei. Er fügte an: „Aber der heldenhafte Widerstand der Ukraine hat das als eine Illusion zerplatzen lassen.“ Bereits 2014 wagte Schäuble den Vergleich zwischen Putin und Hitler: Als damaliger Bundesfinanzminister hatte er das russische Vorgehen auf der Krim mit der Annexion des Sudetenlandes durch die Nazis unter Adolf Hitler 1938 verglichen. Angela Merkel hatte sich damals von Schäubles Aussagen distanziert, Christian Lindner von einer Grenzübertretung gesprochen.

Nicht nur bei Schäuble und Putin: Immer wieder verquere Referenzen zum 2. Weltkrieg und Adolf Hitler

Es sind nicht die ersten verqueren Verweise und Vergleiche zu Adolf Hitler und dem Nationalsozialismus seit Beginn des Ukraine-Kriegs. Der ukrainische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Sergij Kislitsja, erklärte in einer Debatte um den eventuellen Einsatz von Atomwaffen durch Russland zuletzt: „Wenn er (Putin) sich selbst umbringen möchte, braucht er dafür keine Atomwaffen. Er muss nur das machen, was dieser Typ in Berlin gemacht hat, im Mai 1945.“

Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte seinerseits wiederum mit Blick auf Wolodymyr Selenskyj gesagt: „Ich kann mich irren. Aber Adolf Hitler hatte auch jüdisches Blut. Das heißt überhaupt nichts. Das weise jüdische Volk sagt, dass die eifrigsten Antisemiten in der Regel Juden sind.“ Die Vergleiche und Verweise im Ukraine-Krieg nehmen zu – keine von ihnen, sind haltbar.

Schäubles Putin-Hitler-Vergleich: Die Geschichtsvergessenheit solcher Vergleiche

Es wird deutlich, dass verquere Vergleiche von Personen und Ereignissen seit Beginn des Ukraine-Kriegs zugenommen haben. Das zeugt, egal, wer diese Vergleiche tätigt, von ungeheurer Geschichtsvergessenheit, denn in diesen Vergleichen liegt immer die Relativierung der Einzigartigkeit nationalsozialistischer Verbrechen: Die industriell organisierte Vernichtung menschlichen Lebens ist mit dem Ukraine-Krieg, so schrecklich dieser auch ist, in keiner Weise zu vergleichen. Jeder Vergleich relativiert den Nationalsozialismus in seiner historischen Einmaligkeit, ob bewusst oder unbewusst.

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Adolf Hitler und die Nationalsozialisten sind der Inbegriff des Bösen. Besonders im Ukraine-Krieg wird deshalb aktuell auf diesbezügliche Vergleiche gesetzt, um die Bösartigkeit des Gegenübers zu verdeutlichen – das ist gefährlich. Es ist niemandem damit gedient, in dieser Situation Vergleiche zum Nationalsozialismus und seinen Protagonisten heranzuziehen, denn das ist eine rhetorische Enthemmung. Dass diese immer öfter von höchster politischer Stelle verschiedener Länder kommt, zeigt die Verrohung im Diskurs: Bei allem Bösen des Ukraine-Kriegs – zur Relativierung nationalsozialistischer Verbrechen darf er nicht missbraucht werden.

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