Aus vier Richtungen rollt der Verkehr über die Kreuzung in der Herrenberger Innenstadt. Am Reinhold-Schick-Platz steuern smarte Ampeln je nach Verkehrslage die Phasen . Foto: Herrenberg

Schneller, flüssiger, weniger Schadstoffe: Messungen belegen positive Effekte der ergriffenen Verkehrsmaßnahmen in Herrenberg.

Herrenberg ist Modellstadt: Um die hohe Stickoxid-Belastung zu reduzieren, musste eine ganze Reihe an Maßnahmen zur Verbesserung des Verkehrsflusses und der Luftqualität auf den Weg gebracht werden. Erste Ergebnisse zeigen nun: Die Maßnahmen fruchten.

Verkehrsknotenpunkt Reinhold-Schick-Platz ist deutlich entlastet

Weniger Stop-and-go auf den Hauptstrecken und eine Verbesserung der Luftqualität waren die Ziele, die Herrenberg als geförderte Modellstadt erreichen wollte. Am Reinhold-Schick-Platz, wo sich mehrere Bundes- und Landesstraßen in der Innenstadt kreuzen, ist jetzt erst die smarte Ampeltechnik in Betrieb. Hier ist immer viel los – besonders wenn die Autobahn dicht ist und sich der Umleitungsverkehr durch die Kernstadt wälzt. Stoßstange an Stoßstange stehen dann die Fahrzeuge am zentralen Knotenpunkt, in denen wohl die meisten Fahrer innerlich fluchen, während sie darauf warten, dass die Ampel auf Grün springt.

Bevor Herrenberg 2018 Modellstadt für saubere Luft wurde, gab es am Schick-Platz besonders hohe Schadstoffwerte. Heute ist die Luft nachweislich sauberer. Das Modellprojekt hat weitere Veränderungen bewirkt, die die Stadtverwaltung nun, da alle Komponenten wirksam sind, zusammenfasst.

Verkehrsfluss ohne grüne Welle „Im Rückblick zeigt sich das Modellstadt-Projekt als echter Gewinn für Herrenberg, denn die Verkehrssituation im Zentrum hat sich durch Umbau, Tempolimit und smarte Ampeln messbar verbessert“, betont der Erste Bürgermeister Stefan Metzing. Außerdem sei es durch das Förderprogramm gelungen, die notwendige Sanierung der Haupt-Verkehrsachsen in kürzester Zeit und mit hoher finanzieller Unterstützung zu erledigen. Gleichwohl räumt er ein, dass die Zufriedenheit der motorisierten Verkehrsteilnehmer nicht im gleichen Maß gewachsen ist: „Es gibt nach wie vor Frust im Stau und an der roten Ampel. Selbst die beste Verkehrslenkung kann keine grüne Welle und leere Straßen zaubern, durch die es sich wie von selbst fährt“, betont er. Zumal eine „grüne Welle“ nur mit erheblichen Nachteilen für Bus, Fußgänger und Radverkehr machbar wäre.

Spätzündung für smarte Ampeln Bereits zum Projektende im Jahr 2021 waren die Baumaßnahmen an den Straßen abgeschlossen. Linksabbiegespuren, Parkbuchten und andere Hindernisse, die den Verkehrsfluss stören, waren beseitigt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit zeigen elektronische Tafeln an. Die neue Ampelsteuerung am Reinhold-Schick-Platz ist jedoch erst seit Sommer 2022 in das Gesamtsystem integriert. Die Ergänzung dieses Knotenpunkts hatte sich zuletzt nochmals verschoben, da das Ampelprogramm fehlerhaft war und getauscht werden musste. „Zur Verifizierung der bisherigen Ergebnisse strebt die Stadtverwaltung eine erneute Überprüfung der Wirkung an, die wir auch dem Gemeinderat vorlegen möchten“, sagt Metzing.

Steuerung je nach Verkehrsmenge Die Ampeln steuern die Grünphasen auf den einzelnen Straßenzügen abhängig vom Verkehrsaufkommen. Und auch die elektronischen Anzeigetafeln passen die zulässige Verkehrsgeschwindigkeit an die Fahrzeugmenge an. Der Bus als umweltfreundliches Verkehrsmittel hat an den neuen Ampeln Vorrang. Mit einer digitalen Steuerungs- und Regelungstechnik werden die einzelnen Komponenten im cloudbasierten Verkehrsrechner miteinander abgeglichen und an die Echtzeitlage auf der Straße angepasst. Die Verkehrsmengen erkennt das System durch in der Straße verbaute Detektoren. Wird es auf den Innenstadtstrecken zu viel, drosseln die Ampeln bereits an den Ortseingängen die Zufahrt. Mit der smarten Ampelsteuerung sei die Herrenberger Verkehrstechnik schon heute für kommende Entwicklungen wie das autonome Fahren oder die Kommunikation zwischen Ampel und Einsatzfahrzeugen zukunftsfähig aufgestellt.

Messbare Erfolge Messungen und Datenauswertungen der Robert Bosch GmbH belegen den Erfolg: Der Verkehr ist deutlich flüssiger geworden. Der Vorher-Nachher-Vergleich zeigt, dass die neuen Tempolimits paradoxerweise zu einer höheren Durchschnittsgeschwindigkeit geführt haben. Das bedeutet trotz Tempo-30 auf der Seestraße und Tempo-40 auf der Hindenburgstraße kommt man heute nachweislich um rund 20 Prozent schneller durch diesen Straßenzug als zuvor. Das funktioniert, weil die Fahrzeuge deutlich seltener anhalten und wieder anfahren müssen – nicht zuletzt dank der Beseitigung der Störfaktoren wie Längsparkplätze am Straßenrand und Linksabbiegespuren. Die Schadstoffbelastung ist so um ein Fünftel gesunken.

Beitrag zur Mobilitätswende Das Modellstadt-Projekt hat auch zu einer Veränderung des Straßenbilds geführt: Auf Teilen der Hauptstraßen konnten Radfahrstreifen und Aufstellflächen für den Radverkehr eingerichtet werden. Bestimmte Abbiegespuren und seitliche Parkplätze wurden entfernt, um mehr Platz zu gewinnen. Durch eine Bevorrechtigung an der Ampel kommen die Busse besser durch und können die Fahrpläne besser einhalten. Der Citybusverkehr konnte im Modellstadtprojekt zudem durch subventionierte Tickets attraktiver gemacht werden und die Mobilitäts-App Stadtnavi macht die Routenplanung mit nachhaltigen Verkehrsmitteln auf Knopfdruck möglich.

„Alles in allem hat das Modelstadtprojekt in Herrenberg einen beachtlichen Beitrag für die Umsetzung der Mobilitätswende geleistet“, betont Metzing. „Trotzdem bleibt der Verkehr ein zentrales Handlungsfeld, in dem wir uns um mehr Klimaschutz und weitere Verbesserungen bemühen müssen und werden“, resümiert der Erste Bürgermeister.