Trotz großer WohnungsnotStadt Köln kapituliert bei Geisterhäusern in Sülz

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Die leerstehenden Häuser in Sülz.

Köln-Sülz – Die Hilflosigkeit hat ein Gesicht, an manchen Stellen der Stadt, beispielsweise an der Friedrich-Engels-Straße 3 bis 7. Dort verfallen seit Jahrzehnten drei große Gebäude. Zwei der Häuser, die mit den Nummern 3 und 5, sind bereits seit dem Jahr 2000 verlassen, die Hausnummer 7 wurde zwischendurch noch über eine Gesellschaft vermietet. Aber auch dieser Bau steht nun seit mehreren Jahren leer. In den Gebäuden befinden sich zu einem großen Teil Büros, Besprechungs- und Konferenzsäle. Doch es gibt dort auch 80 Wohnungen.

Viel Platz also für Kölner, die dringend eine Bleibe suchen. Weil der Wohnungsmarkt in Köln sehr angespannt ist, hat die Stadtverwaltung seit 2014 eine Wohnraumschutzsatzung, mit der sie gegen Zweckentfremdung von Wohnungen und mittlerweile auch Eigentumshäusern vorgeht. Darunter fällt vor allem Leerstand. Ein solcher kann mit Ordnungsgeld geahndet werden. Und Eigentümer können somit dazu gebracht werden, ihre Häuser zu sanieren und zu vermieten.

Köln müsste mit dem russischen Staat verhandeln

Dabei stellt sich immer grundsätzlich die Frage, ob bereits vor Inkrafttreten der Satzung verlassene und aufgrund ihres Zustands nicht mehr als Wohnraum geeigneten Gebäude überhaupt noch in ihren Anwendungsbereich fallen. Aber selbst wenn das nicht der Fall ist, kann die Stadtverwaltung grundsätzlich versuchen, mit dem Eigentümer zu verhandeln und bestenfalls sogar das Grundstück erwerben.

Das Vorgehen scheitert im vorliegenden Fall aber an einer speziellen Situation: Der Adressat der Ordnungsverfügung oder aber der Verhandlungsversuche wäre der russische Staat. In den 1974/75 gebauten Gebäude waren ehemals die Handelsvertretung der damaligen Sowjetunion und der russischen Botschaft zuhause. Sie befinden sich noch im Eigentum der Russischen Föderation. Vor diesem potenziellen Verhandlungspartner hat die Kölner Stadtverwaltung kapituliert. Das geht aus ihren seit Jahren gleichlautenden Stellungnahmen zum Umgang mit dem Leerstand hervor.

Sanierung von Häuern in Köln-Sülz nicht wirtschaftlich

Zuletzt hatte sich die Bezirksvertretung Lindenthal im Mai vergangenen Jahres damit befasst und die Stadtverwaltung beauftragt, die Grundstücke an der Friedrich-Engels-Straße 3 bis 7 zu erwerben, die Wohngebäude zu sanieren und zu nutzen oder abzureißen oder neu zu bauen. Letztere Alternative ist die näherliegende, denn die Sanierung wäre wohl nicht mehr wirtschaftlich: Die Kosten für die Instandsetzung und Modernisierung schätzten Fachleute bei einer Besichtigung der Häuser mit den Nummern 3 und 5 im Jahr 2016 auf rund elf Millionen Euro. Für das Objekt Friedrich-Engels-Straße 7 ergab sich ein ähnliches Bild, wobei ein undichtes Dach hinzukommt.

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Etliche Jahre später sind die Häuser noch weiter verfallen, und die Sanierung ist noch einmal deutlich teurer. Die Politik begründete ihren Beschluss vor einem Jahr aber damit, dass die Grundstücke sehr gut für den Neubau von bezahlbarem Wohnraum genutzt werden könnten. Die Politiker hatten Hoffnung geschöpft, dass dieses gelingen könnte. Grund war ein Bericht des WDR. Danach sollte die Russische Föderation signalisiert haben, zum Verkauf der Häuser bereit zu sein. Doch diese Annahme erwies sich als falsch: „Bisher gab es keine konkreten Ankaufsverhandlungen durch unsere Liegenschaftsverwaltung“, schrieb damals Jürgen Müllenberg, Sprecher der Stadt. „Der Verwaltung ist auch nicht bekannt, dass eine aktuell formulierte Verkaufsbereitschaft seitens der russischen Föderation besteht.“

Stadt wird kein Bußgeld für Leerstand verhängen

Die Verwaltung konnte von keinerlei neuen Entwicklungen berichten, gab hingegen mehrere Gründe an, warum sie keinen Zugriff auf das Grundstück und die Häuser hat: Zum einen seien die Häuser inzwischen in einem so maroden Zustand, schrieb die Verwaltung in ihrer Stellungnahme, dass sie schon aus diesem Grund nicht mehr unter die Wohnraumschutzsatzung fallen. Eine Verhängung von Bußgeldern gegen den russischen Staat und dessen Präsidenten – seit dem Jahr 2000 ist das Wladimir Putin – hätte zudem keine Aussicht auf Erfolg.

Hinzu käme die Tatsache, dass Gläubiger der Russischen Föderation regelmäßig eine Zwangsversteigerung der Immobilien betreiben würde und sie somit zusätzlich ihrem Zugriff entzogen werden könnte. Die Verwaltung sah angesichts dieser Gemengelage nur eine Möglichkeit: „Es bedarf diplomatischer statt ordnungsbehördlicher Lösungsansätze.“ Mit diesem Satz hatte die Stadtverwaltung auch bereits eine gleichlautende Anfrage zwei Jahre vorher beantwortet. Damals war sie zudem pessimistisch: „Gegen eine Anmietung oder Erwerb sprechen negative Erfahrungen mit den Vertretern der Eigentümerin, der Russischen Föderation, im Hinblick auf eine zuverlässige und konstruktive Kommunikation über Vertragsverhandlungen oder Sanierung“, hieß es.

Welche diplomatischen Schritte unternommen werden könnte, ließ die Verwaltung stets unbeantwortet und gibt auch jetzt nur wie folgt Auskunft: „Am Sachstand hat sich weiter nichts geändert“, so schreibt Pressesprecher Robert Baumanns. Der Verfall schreitet somit weiter voran. Genauso wie die Wohnungsnot in der Stadt wächst.

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