Leserbriefe zu 90-Meter-Bahnen in KölnVerkehrschaos absehbar

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Aus 17 Einzelbildern zusammengestellt, verdeutlicht das Foto das hohe Verkehrsaufkommen auf dem Barbarossaplatz in Köln: Sich kreuzende Straßenbahnlinien, Autos und Fußgänger bahnen sich ihren Weg über den Verkehrsknotenpunkt.

Schon 60-Meter-Bahnen behindern den Verkehrsfluss in Köln, hier am Barbarossaplatz.

Leser äußern Vorbehalte gegen überlange Straßenbahnen in der City. Daraus folgt nicht zwangsläufig, dass sie die Tunnellösung bevorzugen. 

Testlauf mit 90 Meter langen Stadtbahnen (22.11.)

90-Meter-Bahnen behindern den Verkehr

Jetzt wird die nächste „Sau“ durchs Dorf getrieben, und das auch nur, um zu beweisen, was jeder einigermaßen denkende Bürger dieser Stadt ohnehin bereits weiß: Auf 90 Meter verlängerte Straßenbahnen, die auch noch in einer höheren Taktfrequenz fahren, stellen Verkehrshindernisse im verdichteten Innenstadtbereich dar. Wozu soll ein so aufwendiger Verkehrsversuch also wirklich gut sein?

Wie lange will eine politische Clique im Rat noch die Bürger der Stadt Köln für ihre verquere Idee einer neuen oberirdischen Verkehrsführung der Linie 1 in Geiselhaft nehmen? Ja, eine Tunnellösung ist teurer und bedarf einer längeren Bauzeit. Aber die Vorteile sind so gigantisch, dass es gerade mit Blick auf die Zukunft dazu keine vernünftige Alternative gibt.  Peter Rießler Köln

60-Meter-Bahnen mit Taktverdichtung bevorzugt

„Es ist bei einem Beschluss mit einer solchen Tragweite extrem wichtig, alle Fakten genau zu kennen. Dem sollte sich niemand verwehren“, kommentiert Tim Attenberger. Sehr wahr. Es wäre auch gut, wenn Politik und „Kölner Stadt-Anzeiger“ folgende Fakten endlich zur Kenntnis nähmen: Es gibt eine Alternative zum Tunnel und zu 90-Meter-Bahnen, nämlich 60-Meter-Bahnen mit Taktverdichtung. Dazu liegen Konzepte vor, unter anderem Taktverdichtung durch Umbau der beiden Nadelöhr-Haltestellen Heumarkt und Neumarkt, mit verschobenen Haltestellen, Mittelbahnsteigen und drei Bahnspuren in jede Richtung. Dieses Konzept wird von etlichen Bürgerinitiativen favorisiert.  Angela Bankert Köln

Praxistest mit 90-Meter-Bahnen dringend erforderlich

Der Test-Vorschlag ist zwingend notwendig, denn wie sich die oberirdische Variante der drei Bahn-Linien in zwei Richtungen für alle Zukunft auswirken würde, kann sich kaum einer wirklich vorstellen. Das gilt ebenso für den Stadtraum der Bahntrassen, der fast permanent von 90 Meter langen, rot-weißen, fahrenden „Wänden“ geprägt würde, wie auch für den immensen Raumbedarf, den die Stationen auf den drei historischen Plätzen Heumarkt, Neumarkt und Rudolfplatz einnehmen würden.

Beides würde die Ost-West-Achse, dieses Rückgrat der Innenstadt, entscheidend bestimmen – für alle Zeiten. Die Stadtverordneten, die demnächst für die Oben-Unten-Entscheidung Verantwortung tragen, sollten sich selbst und ihren Wählern diese möglichen Auswirkungen vor dem Ratsbeschluss erlebbar machen, realistisch und nicht mithilfe aufgehübschter Visualisierungen. Aus dieser Verantwortung dürfte sich keiner gegen den parteiübergreifenden Vorschlag stehlen, es ist nämlich kein „Spielchen“. Prof. Ulrich Coersmeier Köln

Kölner Schienennetz für 90-Meter-Bahnen ungeeignet

Den Kommentar von Tim Attenberger zu einem Test mit den überlangen Straßenbahnen habe ich mit Interesse gelesen. Hier wird allerdings eine Versuchsanordnung beschrieben, die kein anderes Ergebnis produzieren soll als die Ost-West-Tunnellösung. Das Schienen- und Haltestellennetz der KVB ist an vielen Stellen nicht in der Lage, die überlangen Bahnen zu integrieren. Von Kreuzungen und Ampelschaltungen für den Fußgänger- und Kfz-Verkehr ganz zu schweigen. Schon heute hat an vielen Stellen der Querverkehr längst grün, wenn die Bahn noch über die Kreuzung rollt.

Mir fehlt in der Verkehrspolitik vielfach der Wille. Warum gibt es in Köln kaum Ampelschaltungen, die den Bahnen eine grüne Welle ermöglichen? Gerade zwischen Heu- und Neumarkt steht die Linie 1 bis zu viermal. Warum sind die Fahrpläne nicht aufeinander abgestimmt? Warum wollen die KVB längere Bahnen kaufen, wenn das bestehende Schienennetz diese nicht aufnehmen kann? Erst wenn an allen Stellschrauben gedreht ist, lässt sich beurteilen, wie leistungsfähig das bestehende System ist.

Zudem sehen wir beim Ausbau der Strecke Richtung Rondorf, dass die Planung der KVB keinen Pfifferling wert ist. Zwei Jahre Verspätung, um zwei Kilometer Straßenbahn zu bauen, lässt für den Umbau der Innenstadt nichts Gutes ahnen. Die Nord-Süd-U-Bahn ist nach jetzt 25 Jahren Bauzeit noch immer nicht fertig. Alternative Lösungen zum Umbau der kompletten Innenstadt müssen dringend her. Bevor die Stadt weitere bauliche Aktivitäten beginnt, müssen die KVB erst einmal bestehende Baustellen beenden. Johannes Laubach Köln

„Ein Tunnel wäre die einzig vernünftige Lösung“

Dass in einer Millionenstadt wie Köln eine überirdische Straßenbahnführung überhaupt noch in Erwägung gezogen wird, zeigt die Weltfremdheit der Entscheider. „An jeder Ampel müssen Verkehrsmeister stehen, damit die Fahrten sicher sind“ heißt es. Das kann bei der Personalknappheit der KVB ja heiter werden!

Den Grünen wäre eine Behinderung des Straßenverkehrs mit 90 Meter langen Zügen ja nur recht in der Hoffnung, dass die Autofahrer genervt werden. Ein Tunnel wäre in einer Millionenstadt langfristig die einzig vernünftige Lösung! Aber die Kölner Verwaltung müsste erst einmal ihren verschlafenen Provinz-Charakter überwinden, um zu einer solchen Entscheidung fähig zu sein.     Gert Meyer-Jüres Köln

Kölner Klimaziele sprechen gegen Tunnellösung

Die jahrzehntelange rücksichtslose Bevorzugung des motorisierten Individualverkehrs in der Stadtentwicklung hat die Attraktivität des öffentlichen Raums in Köln und damit auch das wirtschaftliche Potenzial dieser Stadt nachhaltig beschädigt. Das Ausblenden der Klimafolgen eines weiteren Ausbaus der dieser Fortbewegungsart gewidmeten Infrastruktur kommt einer Brunnenvergiftung gleich. Dennoch wird weiterhin die personell und finanziell nachweislich kaum leistbare und zudem extrem klimaschädliche Tunnel-Lösung auf der Ost-West-Achse propagiert.

Tim Attenberger schreibt in seinem Kommentar zum Test der 90-Meter-Bahnen: „Es ist bei einem Beschluss dieser Tragweite extrem wichtig, alle Faktoren genau zu kennen.“ Dem ist vorbehaltlos zuzustimmen. Dass das KVB-Netz aktuell 90-Meter-Bahnen nicht trägt, ist allen mit dem Thema etwas vertrauteren Personen bekannt und auch bei den Vorschlägen zum oberirdischen Ausbau längst berücksichtigt.

Dass aber bei der erforderlichen Tunneltiefe im Falle des unterirdischen Ausbaus keinerlei Zeitersparnis eintreten wird, dass unterirdische Bauarbeiten in Kölns Innenstadt wie gesehen untragbare Risiken und zudem nicht tolerable Mengen von CO2 erzeugen werden und dass jedes nachhaltige Vorhaben der Stadtentwicklung durch das Mammutprojekt Innenstadt-Tunnel verunmöglicht wird – was ist mit diesen Faktoren?  Jan Schlagenhauf Köln

Bürger im Kölner Westen gegen Umbauarbeiten für 90-Meter-Bahnen

Die geplante „Kapazitätserhöhung“ durch 90-Meter-Bahnen bedeutet keine Taktsteigerung – womöglich wird zum Schluss das genaue Gegenteil erreicht. Als Bürgervereine und -Interessengruppen aus Weiden, Junkersdorf, Müngersdorf und Braunsfeld wünschen wir ein attraktives Straßenbahnangebot der Linie 1 auf der Ost-West-Achse mit einem durchgehend hohen Takt auf der gesamten Strecke durch den Kölner Westen. Die jetzige Planung mit auf 90 Meter verlängerten Zügen gewährleistet weder eine baldige Kapazitätserweiterung noch einen attraktiven Takt bis Weiden West.

So soll der heute ab Junkersdorf ausgedünnte Takt bestehen bleiben. Allein im Abschnitt West müssten 14 Haltestellen umgebaut werden. Damit verbunden wären ein massiver Verlust städtischen Grüns – allein 34 alte Bäume im Bereich der Haltestelle Junkersdorf –, ungünstigere Lagen von Haltestellen und Querungsmöglichkeiten für Fußgänger und Radfahrer, städtebauliche Nachteile, erhebliche Kosten und nicht zuletzt jahrelange Beeinträchtigungen entlang der gesamten Aachener Straße während der Bauzeit.

Da es nachweislich attraktivere und kostengünstigere Alternativen gibt, lehnen wir die aktuelle Planung zur Kapazitätserweiterung auf der Ost-West-Achse ab. Wir favorisieren Konzepte, die auf 60-Meter-Zügen in verdichteter Taktfolge basieren. Für die Linie 1 ließe sich auch so die Kapazität erhöhen, mindestens auf das Niveau der 90-Meter-Züge. Im Abschnitt West könnten alle Haltestellen erhalten bleiben.

Die überragenden Vorteile dieser Vorschläge für den gesamten Kölner Westen sind offensichtlich. Eine Realisierung wäre in wenigen Jahren möglich, mit einem attraktiven Takt im gesamten westlichen Abschnitt. Die Verkehrswende bekäme damit schon bald einen kräftigen Schub zu vergleichsweise geringen Kosten und ohne die Nachteile der 90-Meter-Planungen. Astrid Franzen (Junkersdorf), Dr. Viviane Fröhling, Ulrike Mazalla (Weiden), Harald Schaefer, Antje Frings (Müngersdorf), Henning Sonnemann, Ilsetraut Popke (Braunsfeld)

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