Spezialist diagnostiziert eine schwere seelische Abartigkeit

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Armin Meiwes auf der Anklagebank des Landgerichts von Kassel.

Armin Meiwes auf der Anklagebank des Landgerichts von Kassel.

Auch der zweite Gutachter bescheinigt dem Angeklagten im „Kannibalen-Prozess“ volle Schuldfähigkeit.

Kassel - Mit der Erstattung eines psychiatrischen Gutachtens durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Georg Stolpmann (Universität Göttingen) im so genannten Kannibalen-Prozess hat die 6. Große Strafkammer des Landgerichts Kassel am Freitag die Beweisaufnahme abgeschlossen. Am kommenden Montag sollen Staatsanwaltschaft und Verteidigung plädieren. Das Urteil ist für den 30. Januar vorgesehen.

Wie der Berliner Sexualmediziner Professor Klaus Beier geht auch Stolpmann davon aus, dass der des Mordes beschuldigte Armin Meiwes „voll schuldfähig“ ist. Zudem bescheinigt Stolpmann dem 42-Jährigen, wie Beier, eine schwere seelische Abartigkeit. Gleichwohl sei seine Einsichtsfähigkeit beim Töten seines Opfers Bernd Jürgen Brandes nicht eingeschränkt gewesen. Auch sei keine Bewusstseinsstörung zu erkennen.

Meiwes hatte den 43-jährigen Berliner Diplom-Ingenieur Brandes im März 2001 in seinem Haus im nordhessischen Rotenburg auf dessen Wunsch hin geschlachtet und das Fleisch teilweise verzehrt. In der „fetischistischen Einnahme von Menschenfleisch“ sieht Stolpmann die krankhafte Störung bei dem Angeklagten. Er führt sie auf die frühe Trennung der Eltern - Meiwes war neun Jahre alt - und das Verhältnis zur dominanten Mutter zurück.

Stolpmann verwies darauf, dass der Angeklagte bereits in der Kindheit kannibalistische Fantasien entwickelt habe. Aber erst nach dem Tod der Mutter und dem Ende einer Beziehung zu einer Frau habe er über Internet 487 Kontakte zu ähnlich veranlagten Personen aufgenommen, darunter mehr als 200 „potenzielle Opfer“. Mit fünf Männern, darunter dem späteren Opfer Brandes, habe es persönliche Begegnungen gegeben.

Der Gutachter beschrieb den Probanden als „beflissen und devot“, aber zugleich auch als einen Menschen, der die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit genieße. Hinweise auf eine psychosomatische Störung gebe es nicht. Gleichwohl handele es sich um eine „Persönlichkeit mit schizoiden Zügen“. Zum Schlachten habe dem Angeklagten das Einverständnis seines Opfers genügt. Dessen seelische Nöte hätten ihn nicht interessiert. Stolpmann sieht bei Meiwes weder mangelnde Einsichtsfähigkeit in die Tat noch eine verminderte Steuerungsfähigkeit.

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