Naturschutz im Lost PlaceRaketenstation im Billiger Wald bei Euskirchen wird zurückgebaut

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Das Bild zeigt ein Gebäude der ehemaligen Raketenstation. Es ist seit Jahren der Natur überlassen.

Die NRW-Stiftung ist neue Eigentümerin der ehemaligen Nike-Station im Billiger Wald. Die belgischen Streitkräfte betrieben ab 1963 eine Raketenstellung oberhalb von Euskirchen.

Sobald das Gelände nicht mehr kontaminiert ist und die Gebäude zurückgebaut sind, soll der Zaun an der Militäranlage verschwinden.

Das Areal verlassen, die Gebäude verwittert und mit Graffiti versehen: Die ehemalige Nike-Station im Billiger Wald ist zu einem Lost Place verkommen. Ein Ort, um den sich niemand mehr zu kümmern scheint. Ein Ort, der während des Kalten Kriegs von enormer Bedeutung gewesen ist. Ein Ort, an dem nur fünf Kilometer von Euskirchen entfernt bis 1985 Raketen in einer mehr oder weniger handelsüblichen Garage lagerten.

„In allen Nike-Stellungen in Europa haben die US-Amerikaner während des Kalten Krieges atomare Sprengköpfe gelagert. Wieso sollten sie das ausgerechnet nicht im Billiger Wald gemacht haben?“, sagt Peter Kern. Dass in Reetz und Euskirchen tatsächlich atomare Sprengkörper stationiert waren, ist aber nie offiziell bestätigt worden.

Nike-Station Billiger Wald: Flugabwehrraketen oberhalb von Euskirchen

Der Mechernicher Kern ist Mitarbeiter der Bunker-Dokumentationsstätten und führte in den vergangenen Jahren immer wieder mal über das 86 Hektar große Gelände. Und berichtete unter anderem davon, dass Mitte der 1960er Jahre belgische und US-amerikanische Streitkräfte der Flugabwehrraketen-Abteilung im Billiger Wald stationiert gewesen seien. Die Soldaten hätten die Aufgabe gehabt, die Nike-Raketen für einen Einsatz bereitzuhalten. „Auf dem Areal gab es drei Abschussrampen für jeweils drei Raketen“, so Kern.

Das Bild zeigt das Innere eines ehemaligen militärisch genutzten Gebäudes, von dem nur noch die Mauern erhalten sind.

Die ehemals militärisch genutzte Anlage im Billiger Wald ist zum Lost Place verkommen. Die Gebäude sollen zurückgebaut werden.

Von den Abschussrampen ist höchstens noch der Standort zu erahnen. Seit einigen Jahren erobert die Natur den ehemaligen Raketenstützpunkt zurück. Anders als beim vergleichbaren Nike-Standort in Reetz, der zu einem Photovoltaik-Park umgewandelt werden soll, ist das Areal im Billiger Wald an die NRW-Stiftung übergegangen.

Das Bild zeigt ein Gebäude der ehemaligen Nike-Station. Der Zahn der Zeit nagt gewaltig an dem Komplex.

Eine der Ruinen in der Nike-Station im Billiger Wald.

„Der Bund hat vor zwei Jahren die Flächen zur naturschutzfachlichen Weiterentwicklung mit Auflagen im Rahmen des Nationalen Naturerbes an die NRW-Stiftung übertragen. Diese sehen unter anderem vor, den Wald aus der Nutzung zu nehmen und einen Naturwald entstehen zu lassen“, sagt Thomas Härtel von der Projektsteuerung Nationales Naturerbe bei der NRW-Stiftung. Das dem Nationalen Naturerbe übergebene Areal sei eine der wenigen größeren zusammenhängenden Waldflächen am Rande der Zülpicher Börde.

Als natürliches Bindeglied zwischen der offenen Bördelandschaft und dem Mittelgebirge der Eifel komme dem schon seit mehr als 30 Jahren nicht mehr militärisch genutzten Gebiet eine besondere Bedeutung für den lokalen Biotopverbund zu, so Härtel.

Nike-Station bei Euskirchen: Gebäude werden zurückgebaut

Noch ist aber über die Militärgeschichte kein Gras gewachsen – zahlreiche Gebäude stehen noch auf dem Gelände. Wie lange noch? Das ist unklar. Fest steht, dass sie verschwinden werden. „Ein Rückbau ist angedacht. Zuvor wird das Gebiet aber eingehend untersucht, um diesen sachgerecht vorzubereiten“, berichtet Härtel auf Anfrage dieser Zeitung.

Das Gelände der Nike-Stellung würde laut dem Stiftungsmitarbeiter anschließend renaturiert und als von Altlasten und Beton befreiter Naturraum in das Naturerbegebiet Billiger Wald eingefügt. „Es bestehen derzeit keine konkreten Planungen zum zeitlichen Ablauf“, so Härtel.

Das Gelände bleibe so lange umzäunt, „da die Gebäude nicht verkehrssicher sind und an vielen Stellen Altlasten die Gesundheit gefährden können. Eine Freigabe für Spaziergänger ist aus diesem Grund nicht möglich.“ Das Eingangstor ist deshalb mit einem recht neuen Schloss versehen, während das Tor selbst mehr oder weniger vor sich her rostet.

Die NRW-Stiftung ist vom Erfolg ihres Vorhabens im Billiger Wald überzeugt. Wie auf vielen anderen früheren militärischen Liegenschaften, habe auch oberhalb von Euskirchen ausgerechnet die lange militärische Nutzung dazu beigetragen, Lebensräume zu erhalten, die andernorts zugunsten einer intensiven landwirtschaftlichen Nutzung oder wegen des Siedlungsbaus verloren gegangen seien – trotz der Kontaminierung, etwa durch Öl oder Munitionsreste.

Unter den dort lebenden Insekten seien unter anderem der Kleine Heidegrashüpfer, der Große und Kleine Schillerfalter, Großer Fuchs und Kleiner Eisvogel sowie die wärmeliebende Spanische Flagge als Nachtfalterart von Bedeutung für das Gebiet. Der Billiger Wald sei Heimat mehrerer Fledermausarten, darunter die Zwergfledermaus, die bis zu 1000 Mücken pro Tag erbeutet, und das Braune Langohr, der heimischen Fledermausart mit den größten Ohren.


Die NRW-Stiftung

Die NRW-Stiftung ist 1986 von der Landesregierung zum 40. Geburtstag des Landes NRW gegründet worden. Seit 38 Jahren hilft sie seitdem gemeinnützigen Vereinen, Verbänden und ehrenamtlich arbeitenden Gruppen, die sich für den Naturschutz sowie die Heimat- und Kulturpflege einsetzen.

Im Naturschutz liegt ein Schwerpunkt im Erwerb schutzwürdiger Flächen, um gefährdeten Tieren und Pflanzen dauerhaft einen geeigneten Lebensraum zu erhalten. Das Spektrum reicht von der Weser-Niederung im Kreis Minden-Lübbecke über die Lippe-Aue in den Kreisen Soest bis zum Perlenbachtal in der Eifel. Zudem steht die Pflege, etwa die von denkmalgeschützten Mühlen, im Portfolio der Stiftung. (tom)

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