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«Auf dem Velo ist jeder gleich»

«Ich bin dezidiert der Ansicht, dass es genug Platz für das Velo braucht», sagt Fabian Cancellara. Bild: Keystone

Sie kommen mit einem eingegipsten Fuss zum Gespräch. Was ist passiert?

Ich war Ende Juli mit neun Leuten auf einer Velotour, als sieben von uns stürzten. Mich hat es leider am schlimmsten erwischt mit einem dreifachen Bruch des Fussgelenks. Die Sommerferien mit einem Gips zu verbringen, ist nicht gerade prickelnd, zumal ich oft auf Hilfe angewiesen bin. Es hätte aber noch schlimmer ausgehen können. Gott sei Dank hatte ich während meiner Sportkarriere nie einen so schweren Unfall wie den jetzigen.

Waren Sie zu schnell unterwegs?

Nein, wir fuhren mit fast schon gemütlichen 30 Kilometern pro Stunde. Schuld am Unfall war eine schwere Windböe.

Aber Sie waren sicher auch schon zu schnell unterwegs auf hiesigen Strassen.

Früher habe ich schon ab und zu mal ein Rotlicht nicht beachtet und habe mir insgesamt zwei Bussen eingehandelt.

Sind Velofahrer mitschuldig an ihrem schlechten Image?

Das ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Velofahrer sind oft Schlitzohren, die zudem schnell ein paar deftige Kraftausdrücke zum Besten geben oder mit obszönen Handzeichen ihrem Unmut Luft machen. Dieser rabiate Umgang kommt aber nicht von ungefähr. Schliesslich verhalten sich auch die Autofahrer oft sehr rücksichtslos und überholen ohne gebührenden Abstand. In Italien läuft derzeit eine bemerkenswerte Kampagne, die dafür plädiert, dass man bei Überholmanövern anderthalb Meter Abstand halten sollte.

Vor allem Fussgänger ärgern sich immer öfter über rücksichtslose Velofahrer.

Die Fussgänger sind auch keine Unschuldslämmer und mitschuldig an der Verrohung auf unseren Strassen. Ich habe oft erlebt, dass sie beim Überqueren einer Strasse weder nach links noch nach rechts schauen, weil sie auf ihr Handy starren. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern auch gefährlich. Es braucht mehr Rücksicht auf allen Ebenen und alle müssen sich ein bisschen an der Nase nehmen.

Kann der Bundesbeschluss zur Veloinitiative, über den wir am kommenden Sonntag abstimmen, hier Abhilfe schaffen?

Es hilft sicher, die Leute für die Anliegen der Velofahrer zu sensibilisieren. Denn politisch ist diese Art der Mobilität noch zu wenig verankert, obwohl sie das eigentlich verdient hätte. Dies vor allem wenn man sich vergegenwärtigt, wer alles auf dem Zweirad unterwegs ist, von der Familie bis hin zum Geschäftsmann, der immer öfter seinen Arbeitsweg mit dem Velo bestreitet.

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Video: Unsere Zweirad-Nation

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Die zugunsten des Bundes­beschlusses zurückgezogene Veloinitiative hätte ein stärkeres finanzielles Engagement des Bundes ermöglicht. Wäre dies nicht ein deutlicheres Zeichen gewesen für mehr Velowege?

Wenn in der Politik Geld ins Spiel kommt, wird es immer schwierig. Aber der vorliegende Gegenvorschlag dürfte zumindest dazu führen, dass mehr Velowege geschaffen werden und insbesondere gelbe Streifen und speziell gekennzeichnete Flächen für Velofahrer leichter bewilligt werden. Dort, wo gelbe Streifen möglich sind, sind sie meiner Meinung nach ein Muss.

Weshalb sind sie so wichtig?

Sie sorgen für einen enormen Sicherheitsgewinn für die Velofahrer, gerade in Städten. Der Velofahrer weiss, dass er diesen Raum für sich beanspruchen kann.

Müsste man dem Vorbild von Amsterdam oder Kopenhagen folgen und die Velowege noch stärker vom übrigen Verkehrsfluss trennen?

Ich bin kein Verkehrsplaner und kann nicht beurteilen, wie man die Verkehrswege konkret ausgestalten müsste. Aber ich bin dezidiert der Ansicht, dass es genug Platz für das Velo braucht und dieses nicht als Störfaktor empfunden werden sollte.

Ist die Situation tatsächlich so dramatisch?

Ja, das höre ich immer wieder. Aber ist es besser, wenn die Leute mit dem Auto zur Arbeit fahren? Schaut man die CO2-Belastung durch Autos, Lastwagen und Motorräder an, dann kann man doch nur für einen stärkeren Gebrauch des Velos insbesondere im urbanen Bereich plädieren. Etliche Städte haben ja auch schon einiges getan für die Velofahrer.

«Derart hochgetunte E-Bikes gehören nicht auf den Velostreifen.»

Oft dank linksgrünen Stadtregierungen. Sind sie ein verkappter Grüner?

Ich bin in keiner Partei und habe auch nicht vor, mich einer anzuschliessen und in die Politik einzusteigen. Mal bin ich ein bisschen links, mal ein bisschen rechts und am meisten wohl in der Mitte.

Was können die Städte unternehmen, um den Gebrauch des Velos attraktiver zu machen?

Es gibt positive Entwicklungen, die man forcieren könnte. Ich denke etwa an die Einrichtung von Parkmöglichkeiten für Velos. Gerade in der Nähe von Bahnhöfen gibt es beachtlichen Handlungsbedarf. Positiv stimmt mich auch das Aufkommen von Veloverleihstationen.

Weshalb?

Aus zwei Gründen: Erstens animiert es die Einwohner, auch mal in der Stadt aufs Velo zu steigen. Zweitens ist es durchaus auch ein touristisches Plus, wenn man eine Vielzahl von unterschiedlichen Zweirädern anbieten kann, vom einfachen Fünfgänger bis hin zum E-Bike.

Wie stark beeinflusst das Aufkommen der E-Bikes die eh schon knappen Verhältnisse auf den Strassen?

Es ist tatsächlich erstaunlich, dass inzwischen fast jedes vierte Velo, das über den Ladentisch geht, ein Elektrovelo ist. Ich fahre auch ab und zu E-Bike und schätze die Vorteile dieses Gefährts, etwa wenn ich unverschwitzt zu einem Geschäftstermin erscheinen möchte. Aber insbesondere E-Bikes, die für eine Geschwindigkeit von bis zu 45 Kilometer pro Stunde angelegt sind, erzeugen Probleme.

Welche?

Ich war kürzlich am Zürichsee unterwegs, als mich ein E-Bike-Fahrer überholt hat. Ich erschrak heftig, so schnell ist der fast geräuschlos an mir vorbeigerast. Derart hochgetunte E-Bikes gehören nicht auf den Velostreifen. Auch müsste man sich überlegen, ob für diese Velos nicht eine spezielle Lizenz angesagt wäre. Oder man könnte die Velohändler dazu verpflichten, beim Verkauf eines E-Bikes einen halbtägigen Kurs anzubieten.

Das tönt jetzt doch nach Politiker.

Ich stehe zu meinen Ideen, aber nicht als Politiker. Viel lieber vermittle ich die Freude am Velofahren und das durchaus auch an politische Amtsträger. So war der Sessionsanlass im Juni super, als ich mit der Radgruppe Bundeshaus unterwegs war. Viele Politiker, die damals dabei waren, reden noch heute davon. Denn auf dem Velo ist jeder gleich. Ich habe nicht versucht, ihnen eine Botschaft einzuimpfen. Mein Ziel war es, den Politikern zu zeigen, wie schön Velofahren sein kann.

Hat für Sie persönlich die Faszination nicht etwas nachgelassen, nachdem Sie in Ihrer langen Karriere als Radrennprofi fast tagtäglich auf dem Velo sassen?

Es gab Momente, in denen ich das Velo am liebsten in eine Ecke geschmissen hätte. Aber das ist normal, wenn man so viele Kilometer auf diesem Arbeitsgerät abgespult hat, wie ich das getan habe. Inzwischen liebe ich Ausflüge auf dem Velo über alles. Es ist der Genuss, in der Natur zu sein, die Freiheit zu geniessen und die Batterien aufzuladen. Ab und zu gibt es dann auch noch einen Endorphinschub obendrauf.

Sie sind süchtig nach Velofahren.

Ich brauche das Velofahren tatsächlich als Ausgleich zu Familie und Beruf. Hoffentlich kann ich bald wieder aufs Rad steigen.