Gekonnt Innovieren: Rügenwalder erhöht Taktun...
Gekonnt Innovieren

Rügenwalder erhöht Taktung

Rügenwalder
Rekordjahr für Innovationen bei Rügenwalder: Forschung in Bad Zwischenahn.
Rekordjahr für Innovationen bei Rügenwalder: Forschung in Bad Zwischenahn.
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Gekonnt Innovieren
Rügenwalder erhöht Taktung
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Die Rügenwalder Mühle hat 2023 so viele vegane und vegetarische Innovationen wie noch nie auf den Markt gebracht. Was das Unternehmen dafür tut, um viele externe Impulse für neue Produkte zu bekommen, erklären Patrick Bühr und Steffen Zeller.

Herr Bühr, Herr Zeller, die Rügenwalder Mühle gehört zu den ersten Partnern des Food Harbour in Hamburg, der Ende 2022 mit dem Versprechen öffnete, die Neuproduktentwicklung in Unternehmen zu beschleunigen durch Full Service und ein Partnernetzwerk. Ist diese Kooperation wichtiger Teil Ihrer Innovationsstrategie geworden?

Zeller: Ja, sie ist ein wesentlicher Teil. 2022 sind wir weggegangen vom Innovieren im stillen Kämmerlein und haben damit angefangen, uns zu öffnen für Kollaboration und Innovation mit dem Fuß auf dem externem Gaspedal. Seit Mitte 2021 haben wir Büros in Hamburg, seit Januar 2023 einen eigenen Standort in der Hafencity. Damit sind wir jetzt noch viel näher dran an den Startups, am Food Harbour. Die Stadt Hamburg hat Großes vor mit dem neu gegründeten Food Cluster. Das ist eine tolle Community, die uns viel Input und Inspirationen liefert.


Steffen Zeller: Leitet das Marketing bei Rügenwalder Mühle
Foto: Rügenwalder
Steffen Zeller: Leitet das Marketing bei Rügenwalder Mühle

Bühr: Wenn man überlegt, wie schnell sich alternative Proteine entwickeln und in die Regale drängen, ist es gut, mit dem Food Harbour schnell reagieren zu können und auch mal unkonventionelle Wege zu gehen – neben den Langzeitprojekten.

Was sind unkonventionelle Wege?

Bühr: Bei der Produkttestung nutzen wir immer interne und externe Panels. Über die Partner des Food Harbour wäre es beispielsweise auch möglich, schnell Handelsstimmern einzuholen.

Damals haben Sie zu den Zielen der Partnerschaft erklärt, dass Innovationen beschleunigt, erste Kleinserien produziert und die Vernetzung mit Akteuren und Innovatoren pflanzenbasierter Ernährung vorangetrieben werden sollen. Was hat am besten geklappt?

Bühr: Der wichtigste Part ist die Innovationsgeschwindigkeit vor allem in Bereichen, die nicht unser Kerngeschäft sind wie die Veggie-Trockenmischungen zusammen mit Koro.

Zeller: Das ist das erste konkrete Beispiel für die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Food Harbour. Wir haben dadurch das Produkt extrem schnell in den Markt gebracht und erfolgreich ein ganz neues Segment betreten: Raus aus der Kühlung und rein in den E-Commerce mit unserem Partner Koro.


Networking-Gelegenheiten nutzen
Food Harbour
Networking-Gelegenheiten nutzen

Kam der Kontakt zu Koro über den Food Harbour zustande?

Zeller: Wir haben ja noch andere gute Netzwerkpartner hier in Hamburg wie beispielsweise die OMR. Mit dem Food Harbour haben wir uns E-Commerce ganzheitlich angeschaut und kamen überein, dass Koro der richtige Partner sein könnte.

Hätte die Zusammenarbeit auf eigene Faust zustande kommen können?

Zeller: Vielleicht auch nicht. Dass wir uns prinzipiell geöffnet haben, ist die Grundlage für solche Kooperationen. So haben wir einen Modus für die Zusammenarbeit gefunden, bei dem beide Firmen gleichberechtigt auf der Verpackung stattfinden. Ich weiß nicht, wie viele solcher Kooperationen auf Augenhöhe es gibt. Häufig scheitern sie am Ego der Markenverantwortlichen.


Verkostung mit Partnern
Food Harbour
Verkostung mit Partnern

Warum hilft es, kreative Prozesse partiell outzusourcen?

Bühr: Innovieren heißt für mich, dass ich neue Kompetenzen suchen oder Dinge anders verknüpfen muss, um Neues zu schaffen. Und das ist gar nicht so einfach, wenn man schon zehn Jahre im Veggie-Bereich unterwegs ist. Das Beispiel Veggie-Trockenmischung hat uns gezeigt, dass wir mit anderen Herstellern sprechen müssen. Das ist nicht unser Home Turf. In dem Moment jemanden an der Hand zu haben, der qualitativ gute Kontakte hat, die uns sagen können, was wichtig ist bei der Verarbeitung, hilft sehr.

Wie ist das mit den Neuheiten im angestammten Kühlregal wie "Paulled Pork" und vegane Weißwurst. Wurden diese im stillen Kämmerlein in Bad Zwischenahn entwickelt?

Bühr: Innovationszyklen dauern in der Regel länger, als man glaubt. Alles, was wir 2023 gelauncht haben, gab es schon, als wir uns mit dem Food Harbour zusammengetan haben. Trotzdem haben wir Termine dort genutzt, um noch mal eben die Meinung zur Weißwurst abzufragen. Es war ein absolutes Rekordjahr. Wir haben noch nie so viele neue Produkte im Veggiebereich auf den Markt gebracht wie 2023.

Patrick Bühr, Rügenwalder
Rügenwalder
Patrick Bühr, Rügenwalder


Zeller: Auch im Marketing haben wir ungewöhnliche Wege gewählt, um unsere Produkte zu launchen. So haben wir die Weißwurst erstmals auf der OMR bei einem Weißwurstfrühstück mit Sternekoch Anton Schmaus präsentiert. Der Name Paulled Pork hat sich aus einem Podcast mit Influencer Paul Ripke und Kai Pflaume ergeben. Sie sprachen über unsere Produkte und daraus hat sich Pauls Markenbotschafterrolle entwickelt. Das Produkt ist unser erster veganer Snack, bisher waren wir nur vegetarisch unterwegs.

Warum haben Sie 2023 bei fleischhaltigen Neuheiten ausgesetzt?

Bühr: Der Markt für Fleischprodukte ist gerade kein einfacher. Die Regale sind stark umkämpft. Wir müssen also darauf achten, dass wir unsere Kapazitäten bestmöglich einsetzen.

Zeller: Veggie ist ein ganz anderer, sehr dynamischer Markt. Unserer Neuheit Hauchschnitt zeigt, dass man dort noch ganz neue Segmente erschließen kann. Das ist im Fleischbereich sehr schwierig, weil die Handelsmarken einen immens großen Marktanteil haben und Händler eigene Fleischwerke betreiben.

Wird sich die Innovationsstrategie ändern durch die neue Eigentümerstruktur?

Bühr: Eine hohe Innovationsdichte gehört zu unseren kernstrategischen Zielen als Wegbereiter vegetarischer und veganer Fleischersatzprodukte.

Zeller: Wir legen keine Pause bei Neuheiten ein. In der KW 5 kam veganes Geschnetzeltes wieder auf den Markt. Und in Kürze launchen wie eine ganz neue Plattform, die es so im Veggie-Regal noch nicht gibt.

Wie transportieren Sie all die kreativen Impulse durch Vernetzung und Kooperation nach Bad Zwischenahn?

Bühr: Ziel ist es, den Charakter von Bad Zwischenahn nach Hamburg mitzunehmen, aber in Hamburg auch ein Stück weit in die Zukunft zu leuchten, was in Bad Zwischenahn irgendwann mal umgesetzt werden könnte.

Zeller: Hamburg ist auch ein wichtiger Standort, um in Zukunft das beste Personal zu sichern, gerade im Marketing. Wir sind schon an die 40 Mitarbeitende.

In die Startup-Szene ist durch die Inflation Ernüchterung eingezogen. Dämpft das auch bei etablierten Unternehmen die Ambitionen in der Neuentwicklung?

Bühr: Mitte letzten Jahres haben wir noch geglaubt, dass es nach einer gewissen Durchhaltezeit schon wieder weitergehen wird für New Food. Aber was wir heute feststellen, ist: Der Markt bleibt nachhaltig beeinflusst. Die Einstellung von Verbrauchern zu neuen Lebensmitteln leidet unter Inflation und Preisbewusstsein. Wer im Feld alternative Proteine aufhört zu innovieren, wird kein substanzieller Teil der Zukunft sein. Aber diese Hurra-Stimmung, dass alles in kürzester Zeit möglich ist, die ist gedämpft.

Zeller: Innovationen machen Marken aus. Nicht nur die richtigen, wir müssen auch schnell sein.


Open-Office am Standort Hamburg
Rügenwalder/ J. Ehrich
Open-Office am Standort Hamburg

Aber die Zusammenarbeit mit dem Startup Mirai haben Sie beendet?

Bühr: Wir gehen realistisch in diese Partnerschaften hinein mit dem Wunsch, entweder gemeinsam etwas zu lernen oder Kräfte zu bündeln an einem Tisch. Es muss nicht unbedingt ein Produkt am Ende stehen. Im Bereich Cultivated Meat mit Mirai war uns jederzeit bewusst, dass dieses Feld mit hohem Risiko behaftet ist. Aber wir haben uns den Markt fast zwei Jahre angeschaut und wissen jetzt mehr darüber, wie wir uns aufstellen für die Zukunft.

Und mit wem haben Sie noch Partnerschaften?

Bühr: Respect Farms ist ein Startup, das sich mit Geschäftsmodellen auseinandersetzt. Bei Cultivated Meat ist es wert zu prüfen, ob das dezentral produziert werden kann. Dazu haben wir regelmäßige Treffen. Ansonsten pflegen wir viele Projektpartnerschaften im Bereich alternative Proteine wie Mykoprotein und proteinreiche Pflanzen.

Welche externen Faktoren könnten es Unternehmen noch leichter machen, gekonnt zu innovieren?

Bühr: Wir alle haben erkannt, dass wir langfristig und global Bedarf an einem veränderten Ernährungssystem haben. Daher begrüßen wir den Haushaltsbeschluss zur Investition einer großen Summe zur Förderung alternativer Proteinquellen und des Agrarumbaus. In der Realität kann das allerdings nur der Anfang sein, um im internationalen Rennen um Innovationsleistung zu den fortschrittlicheren Ländern aufzuschließen.

Zeller: Deutschland ist schon jetzt der größte Veggie- Markt in Europa. Im Pro-Kopf-Konsum sind es aber die Niederlande. Da ist also noch viel Potenzial, um eine Ernährungswende einzuläuten.



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