Vergütung bei Globus: "Lohnabschluss war ein ...
Vergütung bei Globus

"Lohnabschluss war ein großer Schritt"

Globus Markthallen
Engpassberufe: Die Stellen in Bäckerei, Metzgerei und Gastronomie sind besonders schwer zu besetzen. Gute Bezahlung erleichtert die Suche.
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Vergütung bei Globus
"Lohnabschluss war ein großer Schritt"
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Globus steht vor vielen Herausforderungen nach dem schnellen Wachstum um 16 ehemalige Real-Standorte. Auch im Personalbereich hat Jens Berger als neuer oberster HR-Stratege einige Nüsse zu knacken. Dazu gehört der jüngste Abschluss im eigenen Globus-Entgeltsystem mit mehr Geld und weniger Stunden.

Herr Berger, Sie sind seit bald einem Jahr Geschäftsführer Mitarbeiter bei Globus. Was ist hier völlig anders als bei Ihren vorherigen Arbeitgebern Fressnapf und Galeria-Kaufhof?X

Die Dezentralisierung von Entscheidungen. Während bei Fressnapf in der Zentrale viele Systementscheidungen für die über 13 Länder getroffen werden, ist bei Globus jede Geschäftsleitung in den Markthallen im Grunde Unternehmer vor Ort. Zudem gibt es durch die eigenen Produktionsbetriebe viele verschiedene Jobprofile, die wir zu besetzen haben.

Jens Berger: Der 47-Jährige kam im Mai 2023 als Geschäftsführer Mitarbeiter und IT zu Globus. Zuvor war er bei Fressnapf und Galeria Kaufhof oberster Personalverantwortlicher.
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Jens Berger: Der 47-Jährige kam im Mai 2023 als Geschäftsführer Mitarbeiter und IT zu Globus. Zuvor war er bei Fressnapf und Galeria Kaufhof oberster Personalverantwortlicher.


Wie dezentral ist das Recruiting? Wer stellt Metzger ein?

Wir haben Stand heute an 65 Standorten 65 Personalleiter, die verantwortlich sind für Personalgewinnung, Führung, Entwicklung und Qualifizierung der Mitarbeiter, aber auch Dinge wie Sicherheit und Berufsbekleidung. Die zentrale HR stellt einen Werkzeugkasten zur Verfügung zu Themen wie Führung, Entwicklung, Compensation oder Recruiting, auf den die Markthallen zurückgreifen können.

Was war Ihr erstes Großprojekt?

Als neuer, nicht aus den eigenen Reihen stammender Geschäftsführer, erwartet man von mir einen neuen Blick auf die Themen. Ich bin zu Beginn gleich mehrere Großprojekte angegangen, eines davon ist die Erarbeitung einer zukunftsfähigen HR-Strategie, aus der wir beispielsweise Maßnahmen und Projekte für das Recruiting ableiten. Unser Ziel ist es, als Unternehmen sichtbarer zu werden für alle Generationen.

Im Dezember 2023 hat Globus eine Lohnerhöhung innerhalb des Globus Entgeltsystems (GLENS) angekündigt. Wenn man sich anschaut, dass tarifgebundene Händler schon seit einem Jahr mit Verdi zu keiner Lösung kommen, war das sicher nicht ganz einfach?

Was wir für Oktober 2024 angekündigt haben, war ein großer Schritt für die Zukunft des Unternehmens und unsere Mitarbeiter. Wichtig war das Zusammenspiel aus Entgeld, Zeit und Mitarbeiterrabatt.

Wir haben darüber berichtet: Der neue Abschluss sieht eine Lohnerhöhung über zwei Jahre um 6,5 Prozent vor sowie eine Angleichung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 37,5 Stunden. Wie kam es zu diesem Mix?

Wir haben erkannt, dass unsere Mitarbeitenden unterschiedliche Interessen haben: Die einen schätzen mehr Geld, die anderen mehr Freizeit. Bei der Anpassung im Januar 2023 konnten sie deshalb wählen, ob sie lieber mehr Geld oder drei Tage zusätzlichen Urlaub haben möchten. Mehr als 50 Prozent aller GLENS-Mitarbeiter haben sich für Urlaub und gegen mehr Geld entschieden. Das war für uns ein klares Zeichen, dass es beim Abschluss nicht nur um Entgelt gehen kann.
„Händler mit und ohne Tarifbindung sollten vor der nächsten Mindestlohnanpassung eine Runde bilden, sonst kämpft jeder für sich“
Jens Berger, Geschäftsführer Mitarbeiter und IT bei Globus Markthallen

Deshalb wurden die Verhandlungen zweigleisig geführt?

Genau. Im Januar 2024 haben wir bereits auf die Inflation reagiert mit 10 Prozent Rabatt auf alle Einkäufe bei uns. Wir wollten damit kurzfristig wieder mehr Geld in die Taschen der Mitarbeiter bringen. Zweiter Schritt ist eine Gehaltsanpassung um 6,5 Prozent auf zwei Jahre verteilt, mit erster Stufe im Oktober 2024. Drittens reduzieren wir die Wochenarbeitszeit bei allen GLENS-Mitarbeitern auf 37,5 Stunden. Vorher gab es Mitarbeiter, die nach GLENS-Vereinbarung 40 Stunden arbeiteten, andere nach Flächentarifverträgen 37,5, im Osten auch 38 oder 39 Stunden. Außerdem nutzen wir das erste Halbjahr, um interne Entgeltstrukturen zu verschlanken und in den unteren Tarifgruppen an den gestiegenen Mindestlohn anzupassen.

Wo liegt ab Oktober der interne Mindestlohn bei Globus?

Bei 13,24 Euro, mit Urlaubsgeld und Sonderzahlung bei 14,24€. Das ist mehr als die 14 Euro, mit denen Wettbewerber wirbt.

Hat der deutliche Anstieg des gesetzlichen Mindestlohns dazu beigetragen, dass der Handel, auch Globus, attraktivere Löhne bietet?

Er hat unüberlegt unsere ganzen Tarifstufen kannibalisiert. Das ist meine Kritik an der Politik. Es bringt uns in Erklärungsnot, wenn die Auffüllkraft zur Aushilfe nur noch einen Euro weniger verdient als die Fachkraft an der Kasse. Wir müssen uns in der Branche vor der nächsten Mindestlohnanpassung Gedanken machen: Der Wettbewerb im Handel erschwert Preisanpassungen, wenn der Kostendruck steigt. Händler mit und ohne Tarifbindung sollten eine Runde bilden, sonst kämpft jeder für sich.


Eigene Produktionsbetriebe und große Bedientheken: Globus sucht nach vielen Profilen
Tom Gundelwein
Eigene Produktionsbetriebe und große Bedientheken: Globus sucht nach vielen Profilen



Der Stepstone-Gehaltsatlas hat gezeigt, dass der Einzelhandel am schlechtesten zahlt unter allen Branchen. Kann das noch funktionieren bei einem enger werdenden Arbeitsmarkt?

Nein, das ist schwierig. Aber wenn die starken Händler die Löhne immer weiter erhöhen, um kurzfristig Leute zu bekommen, treiben sie viele kleine Händler vor sich her und tragen mittel- bis langfristig zum Ladensterben bei. Ich bin für den Erhalt belebter Innenstädte.

Gab es bei der Lohnerhöhung von Globus Gemurre, dass es erst im Oktober losgeht?

Es gab natürlich intensive Gespräche und unterschiedliche Meinungen. Unsere Rahmenbedingungen sind einfach nicht so, dass wir den Abschluss mal eben vorziehen können, zumal wir im Januar 2023 um 1,5 Prozent und im Oktober 2023 um weitere 1 Prozent erhöht haben.

Wie war das Feedback auf die Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit?

Das war durch die Bank weg positiv – nur einige wenige, die vorher schon 37,5 Stunden im Vertrag hatten, fanden es unfair. Diese Gruppe bekommt "nur" 6,5 Prozent mehr, die anderen umgerechnet bis zu 13 Prozent Plus. Ich habe geantwortet, dass eine in der Vergangenheit ungleiche Behandlung nicht endlos fortgeschrieben werden sollte. Außerdem hat diese Gruppe in den letzten 11 Jahren bis zu 2,5 Stunden pro Woche weniger gearbeitet als die Kollegen.

Reißt die 37,5-Stunden-Woche nicht Löcher in die Personaldecke?

Wir glauben, gleichzeitig attraktiver zu werden für bestimmte Menschen. Wir werden Prozesse und Abläufe verbessern, um unser Serviceniveau zu halten und mancherorts sicher zusätzliche Stellen brauchen oder über die Öffnungszeiten nachdenken.

Hat die Egalisierung der Wochenarbeitszeit auch den Betriebsrat überzeugt?

Ja, denn die Absenkung auf 37,5 Stunden war immer schon eine Forderung von Verdi und ein Wunsch der Betriebsräte und Mitarbeiter. Einzelhandel ist harte Arbeit. Das bedeutet auch mal 15 Kilo schwere Kisten Bananen durch die Gegend tragen. Jetzt arbeiten Vollzeitkräfte jeden Tag eine halbe Stunde weniger. Damit verbessern wir auch die Rahmenbedingungen für die Generation 50plus.

Was tut Globus für die Bindung älterer Mitarbeitenden auf der Fläche?

Wir besprechen viele Ideen, denn es wird immer wichtiger, die Mitarbeiter, die wir haben, auch langfristig gesund zu halten, damit sie hoffentlich sehr, sehr lange noch als Mitarbeiter für Globus zur Verfügung stehen. Unsere Herausforderung besteht darin, allen vier Generationen, die bei uns arbeiten, das richtige für die jeweiligen Bedürfnisse anzubieten.


Pilotprojekt mit Azubis aus Afrika: 56 junge Leute werden in den Markthallen im Fleischhandwerk ausgebildet.
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Pilotprojekt mit Azubis aus Afrika: 56 junge Leute werden in den Markthallen im Fleischhandwerk ausgebildet.



Wie gelingt es trotz dezentraler Struktur, in den Markthallen neue HR-Maßnahmen zu etablieren?

Bei uns gibt es einen "Entwicklungskreis Mitarbeiter" mit Vertretern aus den Regionen, Verkaufsleitungen, aber auch Fachexperten aus HR und dem Betriebsrat. Gemeinsam stimmen wir ab, in welche Richtung wir gehen. Es gibt einen Testlauf, momentan zum Beispiel für eine Gesundheitsprämie, der wird ausgewertet und dann können die Regionen entscheiden, ob sie die neue Maßnahme nutzen.

Gehört die Beschäftigung von Metzger-Azubis aus Afrika auch zu den Test-Projekten? Wie ist es angelaufen?

Wir haben im Moment 56 Auszubildende aus Afrika und stellen fest, dass jede Markthalle unterschiedliche Erfahrungen macht. An einzelnen Standorten läuft es wirklich super. Die Auszubildenden sind gut aufgenommen und integriert worden in den Arbeitsalltag. An anderen Standorten gab es Probleme mit der Wohnungsfindung, mit Behördengängen und so weiter. Als Brückenbauer helfen uns Vereine mit Menschen, die selbst diese Reise schon mal vollzogen haben.

Wird das Projekt fortgesetzt?

Ja, wir sind im Austausch mit den Metzgereien und Geschäftsleitungen, haben wieder ein Auswahlverfahren für das kommende Ausbildungsjahr ins Leben gerufen und die Probleme der Vergangenheit verkleinert: Wir werden früher anfangen, Wohnungen zu suchen und die Auszubildenden schon ein bis zwei Monate vor Start des Ausbildungsjahrs herholen, damit sie in Ruhe ankommen können. Wir haben eine Verantwortung, wenn wir diese jungen Menschen von weit her zu uns holen, und müssen uns noch mehr anstrengen, Hürden durch Sprache und Kulturunterschiede, zum Beispiel bei der Erwartung an Pünktlichkeit, abzubauen. Wir werden weiterhin in und außerhalb Europas schauen, wo es gute Verbindungen gibt. In Ostdeutschland wurde jahrzehntelang Erfahrung mit vietnamesischen Mitarbeitern gesammelt. Also stellen wir zentral Informationen bereit über die Rahmenbedingungen, diese Leute arbeitsfähig zu machen.

Sind die Reserven auf dem deutschen Arbeitsmarkt schon ausgeschöpft?

Wir haben im Moment zweieinhalb Millionen Arbeitslose trotz Arbeitskräftemangels. Und darüber hinaus zeigen im Moment alle Daten, dass viele Menschen wechselwillig sind. Daher möchten wir noch viel mehr auf das Thema Quereinsteiger eingehen und sie begeistern für die Jobs, die wir anbieten.

Was ist derzeit der größte Engpass?

Junge Menschen für den Handel zu gewinnen und die Besetzung sicherzustellen für Metzgereien, Bäckereien, Gastronomie. Außerdem verlieren wir im Moment langjährige Mitarbeiter an Kommunen, Kreise, Nichthandelsunternehmen, weil sie dort die Rahmenbedingungen offenbar attraktiver finden. Früher hatten wir ein Problem, wenn auf der anderen Straßenseite ein neuer Supermarkt aufgemacht hat, heute verlieren wir zum Beispiel Metzger an Chemieunternehmen. Das ist schade, weil diese Menschen sich einmal für den Lebensmitteleinzelhandel entschieden hatten, für die Hands-on-Mentalität, das Miteinander im Handel.

Bliebt bei der Integration der Real-Märkte für HR noch viel zu tun?

Definitiv. Heute sind alle Märkte eröffnet und stehen den Kunden zur Verfügung. Diese Integration ist abgeschlossen. Die kulturelle Integration der Mitarbeiter aber dauert noch an. Ich komme aus der Metro-Welt und weiß, dass Real über Jahrzehnte sehr viel Wert auf zentrale Strukturen und Prozesse gelegt hat. Globus hat eine ureigene Unternehmenskultur, die die Entscheidungsfähigkeit und -möglichkeit in die Hände der Mitarbeiter legt. Die Mitarbeiter, die zum Teil 30 Jahre lang stolz darauf waren, für Real zu arbeiten, muss man daher gut abholen und mitnehmen.



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