Wirksamkeit von Willenserklärungen unter Abwesenden

Oct 29, 2023
 

Wenn es in Deiner Klausur darum geht, ob zwei Personen einen Vertrag geschlossen haben, musst Du prüfen, ob zwei Willenserklärungen vorliegen: Angebot und Annahme. Das allein reicht aber für einen erfolgreichen Vertragsschluss nicht aus. Zusätzlich müssen diese Willenserklärungen auch wirksam werden. Wann das der Fall ist, haben wir Dir in diesem Abschnitt erklärt.

Empfangsbedürftige Willenserklärungen

Das BGB unterscheidet zwei Arten von Willenserklärungen: Willenserklärungen, die sofort wirksam sind, sobald sie abgegeben werden (nicht empfangsbedürftige Willenserklärung) und Willenserklärungen, die dem Empfänger zugehen müssen, damit sie wirksam sind (empfangsbedürftige Willenserklärungen).

Beispiel: Wenn Du ein Testament aufsetzt, musst Du das nicht Deinen zukünftigen Erben schicken, damit es wirksam wird. Das Testament ist also eine nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Anders ist das bei Angebot und Annahme. Wenn Du das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags per Brief annehmen möchtest, dann reicht es nicht aus, dass Du den Brief abschickst. Der Brief muss auch im Briefkasten Deines zukünftigen Vertragspartners ankommen.

Angebot und Annahme sind also empfangsbedürftige Willenserklärungen. Und unter welchen Voraussetzungen solche Willenserklärungen wirksam werden, lernst Du in den nächsten Zeilen.

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Willenserklärung unter Abwesenden

Abwesend vs. Anwesend

Bei den empfangsbedürftigen Willenserklärungen unterscheidet man wiederum zwischen Willenserklärungen unter Abwesenden und Willenserklärungen unter Anwesenden. Bei Willenserklärungen unter Abwesenden sind die Parteien nicht am gleichen Ort und sprechen auch nicht miteinander (Bsp.: Brief oder E-Mail). Bei Willenserklärung unter Anwesenden sind die Beteiligten entweder am gleichen Ort oder telefonieren miteinander (§ 147 I 2 BGB).

Das Video zur Wirksamkeit von Willenserklärungen unter Anwesenden findest Du hier.

Voraussetzungen Wirksamkeit

Nach § 130 I BGB müssen drei Voraussetzungen vorliegen, damit eine Willenserklärung unter Abwesenden wirksam wird: Abgabe, Zugang, kein Widerruf.

Definition Abgabe

Zunächst muss der Erklärende die Willenserklärung abgeben. Die Abgabe ist die willentliche Entäußerung der Erklärung in den Rechtsverkehr. Beispiel: Du schickst den Brief oder die E-Mail ab, in der du das Angebot unterbreitest. Ein Problem bei der Abgabe ist die „abhandengekommene Willenserklärung“. Was es mit dieser Fallgruppe auf sich hat, lernst Du später in einem eigenen Abschnitt und Video.

Definition Zugang

Zweitens muss der Zugang vorliegen. Eine Willenserklärung ist immer dann zugegangen, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, er die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hatte und unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.

Beispiel: Du wirfst einen Brief mit der Annahme des Angebots um 22 Uhr in den Briefkasten des Empfängers. Der Brief befindet sich nun im Machtbereich des Empfängers und er hat die Möglichkeit, den Briefkasten zu öffnen und so Kenntnis zu erlangen. Allerdings kann man nicht davon ausgehen, dass der Empfänger nachts in seinen Briefkasten schaut. Unter normalen Umständen ist bei privaten Briefkästen erst am Morgen des nächsten Werktags mit der Kenntnisnahme zu rechnen. Daher geht die Annahme erst am nächsten Morgen zu. Dies gilt auch dann, wenn der Empfänger im Urlaub oder krank ist. In solchen Fällen hat er geeignete Maßnahmen zu treffen, um von Inhalt seines Briefkastens Kenntnis zu erlangen (z.B. Leerung durch den Nachbarn.

Kein Widerruf der Willenserklärung

Drittens darf dem Empfänger vor oder gleichzeitig zum Zugang der Willenserklärung kein Widerruf zugehen. Beispiel: A schickt B ein Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags. B verfasst einen Brief, nimmt das Angebot an und verschickt den Brief per Post. Noch bevor dieser Brief bei A ankommt, ruft B bei A an und sagt ihm, dass er seine Annahme widerruft. Die Annahmeerklärung wird damit nicht wirksam. 

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