Extensiver Notwehrexzess

strafrecht at Oct 31, 2022
 

  

Was ist ein Extensiver Notwehrexzess?

Im Normalfall ist ein Notwehrexzess nach § 33 StGB ein Intensiver Notwehexzess: Beim intensiven Notwehrexzess wählt der Täter eine zu intensive Notwehrhandlung. Er überschreitet die Erforderlichkeits- oder Gebotenheitsgrenze der Notwehr.

 

Der Problemfall, den wir uns in diesem Beitrag anschauen, ist der extensive Notwehrexzess.

 

Definition: Beim extensiven Notwehrexzess überschreitet der Täter die Gegenwärtigkeitsgrenze des Notwehrrechts.

Beispiel: Der Täter sticht zu früh oder zu spät zu. Das bedeutet: Vor Entstehen der Notwehrlage oder nachdem die Notwehrlage gar nicht mehr vorliegt. Im Zeitpunkt der Tathandlung liegt beim extensiven Notwehrexzess kein gegenwärtiger Angriff vor. Der Täter übersieht das aber aufgrund eines asthenischen Affekts.

 

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Das Problem beim extensiven Notwehrexzess

Es ist umstritten, ob ein extensiver Notwehrexzess von § 33 StGB erfasst ist und der Täter so entschuldigt ist. Es ist deshalb problematisch, weil der Wortlaut von § 33 StGB mehrere Auslegungsmöglichkeiten zulässt.

 

Tipp: Wenn Du wissen willst, wie Du den extensiven Notwehrexzess in Deiner Klausur prüfen musst, dann schau Dir oben unser Lernvideo zum extensiven Notwehrexzess an.

 

Die Meinungen

Es gibt insgesamt drei verschiedene Ansichten, wie der extensive Notwehrexzess gelöst werden kann. Eine bejahende Ansicht sagt, dass der Täter sich auf § 33 StGB berufen kann. Eine verneinende Ansicht lehnt es ab, dass der Täter sich bei einem extensiven Notwehrexzess auf § 33 StGB berufen kann. Und eine dritte Ansicht differenziert zwischen dem vorzeitigen und nachzeitigen extensiven Notwehrexzess.

 

Bejahende Ansicht

Nach einer Ansicht wird der extensive Notwehrexzess immer von § 33 StGB erfasst und der Täter ist entschuldigt. Für diese Ansicht spricht der Wortlaut und der Sinn und Zweck. In § 33 StGB steht das Wort „Grenze“. Und Grenze von Notwehr ist alles, was die Notwehr irgendwie einschränkt, also auch die Gegenwärtigkeitsgrenze. Außerdem ist es wertungsmäßig irrelevant, ob der Täter einmal zu fest oder einmal zu viel zugestochen hat. Es ist die gleiche psychische Zwangslage, in der sich der Täter befindet.

 

Verneinende Ansicht

Nach einer anderen Ansicht wird der extensive Notwehrexzess nicht von § 33 StGB erfasst. Auch diese Ansicht beruft sich dabei auf den Wortlaut von § 33 StGB. Dort steht „Überschreiten der Grenzen“ der Notwehr. Und die Grenzen von Notwehr kann man nur überschreiten, wenn Notwehr überhaupt vorliegt. Aber Notwehr liegt ja erst vor, wenn wir eine Notwehrlage haben. Und weil die Gegenwärtigkeit bei einem extensiven Notwehrezess ja gerade nicht vorliegt, liegt dort keine Notwehrlage vor. Und wenn es keine Notwehr gibt, dann kann man deren Grenzen auch nicht überschreiten.

 

Differenzierende Ansicht

Die herrschende Meinung differenziert zwischen dem vorzeitigen und nachzeitigen extensiven Notwehrexzess. Überschreitet der Täter die Grenzen des Notwehrrechts „zu früh“, also bevor der Angriff gegenwärtig ist, liegt ein vorzeitiger extensiver Notwehrexzess vor. Handelt der Täter aber erst nachdem der Angriff nicht mehr gegenwärtig ist, so liegt ein nachzeitiger extensiver Notwehrexzess vor.

 

Vorzeitiger extensiver Notwehrexzess

Beim vorzeitigen extensiven Notwehrexzess liegt keine Notwehrlage vor. Der Wortlaut von § 33 StGB verlangt aber, dass eine Notwehrlage vorgelegen haben muss („Grenzen der Notwehr“ siehe oben). Deshalb wird der vorzeitige Notwehrexzess nicht von 33 StGB erfasst.

 

Nachzeitiger extensiver Notwehrexzess

Anders ist das beim nachzeitigen Notwehrexzess. Da gab es bereits eine Notwehrlage und somit einen Zeitpunkt, indem der Täter ein Notwehrrecht hatte. Und dessen Grenze der Gegenwärtigkeit hat er überschritten. In dieser Konstellation kann es keinen Unterscheid machen, ob der Täter die Grenze der Gegenwärtigkeit, der Erforderlichkeit oder der Gebotenheit überschreitet. Deshalb kann der Täter sich bei einem nachzeitigen extensiven Notwehrexzess auf § 33 StGB berufen und ist entschuldigt.

 

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Zusammenfassung Extensiver Notwehrexzess

Bei einem extensiven Notwehrexzess überschreitet der Täter die Grenze der Gegenwärtigkeit des Notwehrrechts. Er übt Notwehr aus, weil er aus Furcht oder Schrecken verkennt, dass der Angriff nicht mehr gegenwärtig ist. Ob eine solche Konstellation von § 33 StGB erfasst wird, ist umstritten.

Eine bejahende Ansicht sagt, dass der extensive Notwehrexzess immer von § 33 StGB erfasst wird. Eine verneinende Ansicht vertritt, dass der Täter niemals nach § 33 StGB entschuldigt ist. Und die herrschende Meinung differenziert zwischen dem vorzeitigen und nachzeitigen extensiven Notwehrexzess. Nur der nachzeitige Notwehrexzess wird von 33 StGB erfasst.

 

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