Kanton Zürich
Die jubilierende Lerche ist ihr Lohn: Naturschützer übertreffen Ziele

Für das Projekt 100×ZüriNatur haben 600 Freiwillige Trockenmauern gebaut und Nisthilfen montiert.

Heinz Zürcher
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Matthias Griesser überzeugte Landwirte davon, Lücken in ihren Feldern zu schaffen, damit dort die Feldlerche nisten kann.

Matthias Griesser überzeugte Landwirte davon, Lücken in ihren Feldern zu schaffen, damit dort die Feldlerche nisten kann.

Dominique Wirz

Die Vogelwelt verarmt: So lautete die bittere Erkenntnis der 250 ehrenamtlichen Naturschützer, die von 2006 bis 2008 im Feld unterwegs waren und die Brutvögel im Kanton Zürich kartierten. Sie erkannten nicht nur, dass erstmals weniger Brutpaare als Menschen im Kanton Zürich lebten. Es zeigte sich auch, dass die Spezialisten unter den Vögeln – Feuchtgebietsvögel oder Vögel der offenen Flur – zunehmend verschwinden.
Birdlife Zürich als Dachverband der Zürcher Naturschutzvereine lancierte daraufhin das Projekt 100×ZüriNatur, mit dem Ziel, innerhalb der nächsten fünf Jahre 100 neue, konkrete Schutzmassnahmen anzustossen.

Dachverband und Anwalt der Natur

Gegründet 1928 als Zürcher Kantonalverband für Vogelschutz engagiert sich Birdlife Zürich für den Schutz von Natur und Landschaft und die Förderung der Biodiversität in den Zürcher Gemeinden. 110 Natur- und Vogelschutzvereine im Kanton Zürich mit ihren rund 16 000 Mitgliedern sind heute im Verband Birdlife Zürich zusammengeschlossen und arbeiten gemeinsam unter diesem Dach. Birdlife Zürich ist auch Eigentümer von rund 40 Hektaren an Naturschutzgebieten. Die Erhaltung und Förderung der Biodiversität, der einheimischen Vogelarten und derer Lebensräume sind seine besonderen Anliegen. Aktuell investiert die Non-Profit-Organisation jährlich rund 250 000 Franken in den Biotop- und Artenschutz. Birdlife Zürich versteht sich als Anwalt der Natur und setzt sich ein für intakte Lebensräume vor unserer Haustür und für mehr Lebensqualität.

Für Frösche und Molche

Gestern luden Projektleiter Mathias Villiger von Birdlife Zürich und lokale Naturschützer nach Altikon ein, um Bilanz zu ziehen und eines der vielen Projekte vorzustellen: An einem der Weiher der ehemaligen Kiesgrube hatten Silvio Bartholdi und Fide Meyer ein Brutfloss verankert. Es soll der bedrohten Flussseeschwalbe eine Nistmöglichkeit bieten. Vor vier Jahren gebaut, hat die mit Schilfplatten und Kies belegte Holzkonstruktion allerdings bisher noch keine Schwalben angelockt. Stattdessen wird sie regelmässig von Teichhühnern, Graureihern und Stockenten besetzt.

Doch dadurch lassen sich die beiden Naturschützer nicht entmutigen. Für sie hat sich der Aufwand nur schon deshalb gelohnt, weil sie durch das Projekt Behörden, Grundbesitzer und Landwirte kennenlernten und somit eine gute Grundlage für die Umsetzung weiterer Massnahmen schafften. Verbessert hat sich auch die Vernetzung mit anderen Naturschützern.
Mit Elisabeth Wille zum Beispiel, die unweit des Weihers mit dem Naturschutzverein Rickenbach einen kleinen Tümpel angelegt hat, damit sich Molche und Frösche fortpflanzen können. «Schon nach zwei Wochen hat dort der erste Laubfrosch gelaicht», sagt sie stolz.

Es sind solche Momente, die auch Matthias Griesser vom Andelfinger Naturschutzverein antreiben, unzählige Stunden zu investieren und etwa Landwirte davon zu überzeugen, Lücken in deren Feldern zu schaffen, damit dort die Feldlerche nisten kann. «Wenn ich dann hautnah miterlebe, wie eine Lerche aus einem solchen Fenster aufsteigt und jubiliert, ist das Belohnung und Motivation zugleich», sagt Griesser.

125 neue Lebensräume

Die Arbeit von Silvio Bartholdi, Fide Meyer, Elisabeth Wille und Matthias Griesser ist nur ein Bruchteil dessen, was in den letzten fünf Jahren in der Zürcher Natur geleistet wurde. 600 Naturschützer aus 80 Vereinen haben seit dem Projektstart rund 16 000 Stunden geopfert und in dieser Zeit über 125 neue Lebensräume geschaffen; haben Trockenmauern gebaut, Nisthilfen montiert, Hochstamm-Obstbäume und Hecken gepflanzt, Steine aufgeschichtet und Tümpel ausgehoben. Würde man die 16 000 Stunden mit

30 Franken pro Stunde verrechnen, liesse sich der Wert der Freiwilligenarbeit auf 480 000 Franken beziffern. Das entspricht etwa einem Fünftel der Summe, die für 100×ZüriNatur aufgewendet wurde. Ohne die Beiträge von Stiftungen (380 000 Franken), Gemeinden (100 000), der Fachstelle für Naturschutz (200 000), dem Lotteriefonds (500 000) und weiteren Geldgebern wäre das Projekt kaum zu stemmen gewesen.

Waldrandlinien durchbrechen

Aus dem Lotteriefonds wurde Birdlife Zürich bereits ein Sockelbeitrag für die nächste Kampagne zugesichert. Diesmal gilt der Fokus jenen Vögeln, die zwar nicht auf der Roten Liste der bedrohten Arten stehen, sich aber leise aus dem Kanton Zürich verabschieden. Dazu zählen Heckenvögel, Ackerbrüter oder Gebäudebrüter wie Segler, Schwalben und Dolen.

Zudem will Birdlife Zürich die Flächen zwischen Kulturland und Wald unter die Lupe nehmen. Die geraden Linien der Waldränder sollen durchbrochen werden und Sträuchern und Hecken Platz machen, damit ursprüngliche Lebensräume für Pflanzen und Tiere aufs Neue entstehen können. Ist eine Art einmal verschwunden, lässt sie sich nur mit viel Mühe wieder ansiedeln.
Mathias Villiger von Birdlife Zürich ist zuversichtlich, dass er wieder auf die Hilfe der Naturschutzvereine zählen kann: «Durch das Projekt 100×ZüriNatur ist der Verband näher zusammengerückt», sagt er. Am 2. Juli wird in Greifensee mit einem grossen Fest auf die erfolgreiche Zusammenarbeit angestossen.