Die Kirche und die Megatrends V

Die Kirche im Konkurrenzkampf

Das Wort «Konkurrenz» wird der Kirche von aussen aufgedrängt und von ihr nicht gern gehört. Ist sie nicht in ihrer Art so einmalig, dass sie über den Dingen steht? Kann man – wie beim Handel mit Produkten – von Konkurrenz sprechen?
Armdrücken

Man kann, sagt der Religionssoziologe J.Stolz – und tut es.

«Da die Individuen in immer mehr Bereichen zu Nachfragern und Anbietern werden und alle ihre Mitgliedschaften als frei wählbar erscheinen, werden auch Kirchenmitgliedschaft, religiöse Praxis, Gemeinschaft, religiöser Glaube und Diakonie zu ‘Angeboten’, welche man 'nachfragen' kann, bzw. für welche man seine Zeit und Energie 'anbieten' kann. In modernen Gesellschaften sehen sich alle diese 'Produkte' der Kirchen einer sehr scharfen säkularen Konkurrenz ausgesetzt» (Stolz, S.46f, siehe Buch zum Thema).

Das Besondere suchen

Die Kirche braucht die Sprache der Wirtschaft nicht zu scheuen. Diese kann ihr helfen, ihre Position in der Gesellschaft zu bestimmen. Wer im Handel mit Produkten bestehen will, muss sich fragen, was sein Produkt von der Konkurrenz unterscheidet – was es einmalig macht. Die Fachleute sprechen von der «Unique selling proposition» (USP, «Alleinstellungsmerkmal»).

Stolz beschreibt vor allem die äusseren Erscheinungsformen von Kirche: Religiöse Praxis, Gemeinschaft, Diakonie. Und da ist die Konkurrenz gross. Religiöse Praxis wird in allen Schattierungen angeboten, Gemeinschaft findet sich auch im Fussballclub und in der Fasnachts-Clique, und der Einsatz für Menschen, die mit dem Leben nicht zurecht kommen, ist zu einem Markt im Auftrag des Sozialstaates geworden.

Den Inhalt wiederentdecken

Was die Kirche einmalig macht, ist ihre Botschaft. Nicht von ungefähr ist sie bei Lebensübergängen bis heute stark gefragt: Taufe, Heirat und Tod. Der Mensch ist Geschöpf und nicht Zufallsprodukt, die Liebe ist die tragfähige Beziehung zwischen den Menschen und die Hoffnung weist über die Endlichkeit der Dinge hinaus. Das sagt ausser der Kirche niemand so. Und niemand kann seine Botschaft geschichtlich so begründen, wie das die Bibel tut.

Wenn sich die Kirche in den äusseren Formen einer starken Konkurrenz gegenüber sieht, muss sie sich umso mehr auf ihre Inhalte besinnen. Das ist in den letzten dreissig Jahren zu wenig geschehen – zu viel wurde an den Formen von Gemeinde, Gottesdienst und Verkündigung gefeilt. Aber auch da gilt wie in der Wirtschaft: Die Form muss dem Inhalt folgen.

Der grundlegende Text und der Vortrag von Theo Schaad an der Jahreskonferenz 2011 der EMK sind zu finden auf der Homepage der EMK Schweiz.

Buch zum Thema:
Jörg Stolz, Edmée Ballif: Die Zukunft der Reformierten

Weitere Artikel aus der Serie «Die Kirche und die Megatrends»
Der Wertewandel
Der Trend zur freien Wahl des Milieus
Der Trend zur Vereinzelung

Datum: 17.07.2012
Autor: Theo Schaad
Quelle: Kirche und Welt

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