Suhr
Was für ein Schauspiel: 37 Kühe trotten täglich über die A1 bei Suhr

Die Autobahn trennt Stall und Weide der Bauernfamilie in der Langmatt in Suhr. Jeden Morgen treibtsie deshalb ihre Kühe über die Autobahn zur Weide

Hubert Keller
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Autobahnkühe: Gemächlich trotten diese Kühe allmorgendlich über diese A1-Brücke in Suhr.

Autobahnkühe: Gemächlich trotten diese Kühe allmorgendlich über diese A1-Brücke in Suhr.

Emanuel Per Freudiger

Gemächlich trotten die Kühe über die Brücke zur Weide. Autos rauschen unten durch, ohne Unterbruch, eine einzige lang gezogene Kolonne mit Tempo 120, Richtung Zürich zur Arbeit, Richtung Bern zu Kunden.

Die Brücke führt über die A1. Der Viehtrieb auf die andere Seite der Autobahn findet allmorgendlich statt. Bäuerin Theres Koch, unterstützt vom Hofhund Rex, hat den Elektrozaun geöffnet und schaut, dass die Tiere den Weg finden. Ihr Mann Leo und Sohn Markus machen zögerlichen Nachzüglern Beine. Die Kühe interessieren die Autofahrer nicht, sie schlenzen mit der langen Zunge ein Blatt vom Strauch, beäugen neugierig den Fotografen. Ein paar Schritte weiter geniessen sie das vom Morgennebel feuchte Gras, die Nachspeise zum Frühstück.

Autobahnpläne geändert

In den Fünfzigerjahren hatte der Grossvater von Markus Koch seinen Hof in die Nähe des Waldes verlegt. Heute leben unter diesem Dach drei Generationen. Zur Familie gehören noch Julia, die Frau von Markus Koch, und deren anderthalbjähriger Sprössling Remo.

1967 wurde zwischen Oensingen und Hunzenschwil ein 85 Kilometer langes Teilstück der N1, wie die A1 damals noch genannt wurde, fertiggestellt. Dass die Autobahn Stall und Wohnhaus von den Weiden abtrennen würde, war damals nicht vorgesehen. Die breite Strasse sollte vor dem Hof durchführen.

Die Pläne wurden geändert. Und so kam es, dass sich die Fenster der Schlafzimmer auf die lärmige A1 hin öffnen. «Das ist lästig», sagt Markus Koch. «Der Flüsterbelag hat den Lärm etwas gemildert», sagt Mutter Theres. «Wir machen ja auch Lärm», meint Vater Leo.

Kurz vor Mittag kommen die Kühe wieder zurück in den Stall. Markus Koch kennt die meisten mit Namen. Jene, deren Namen sich ihm besonders eingeprägt haben, seien oft auch die Problemkühe, hätten eine Krankengeschichte. «Mir ist lieber, wenn ich den Namen nicht auf Anhieb weiss.»

Theres und Leo Koch, der den Kühen jeweils auf dem Moped vorausfährt, begegnen auf ihrem Viehtrieb über die Brücke immer wieder interessierten Spaziergängern.

Theres und Leo Koch, der den Kühen jeweils auf dem Moped vorausfährt, begegnen auf ihrem Viehtrieb über die Brücke immer wieder interessierten Spaziergängern.

Jiri Vurma

«Irgendwie geht es schon»

Die Milch ist ein wichtiges Standbein der Bauernfamilie in der Langmatt. Mit dem Bau des modernen Stalls vor fünf Jahren wurde die Herde von 18 auf heute 37 Tiere vergrössert. Die Milchwirtschaft ist nicht ihr einziges Standbein. Sie ackern, sähen, ernten als Lohnunternehmer auch für andere, richten Cheminéeholz und pflügen im Winter Schnee für Firmen und Private.

Der Bundesrat beabsichtigt die «weisse Linie», den Grenzschutz für die Milch, aufzuheben. Die Bauern werden noch mehr unter Druck kommen. Markus Koch will deshalb die Kühe nicht aufgeben. «Es wird schon irgendwie gehen.» Und vielleicht will ja auch Remo dereinst Kühe halten und sie auf der schmalen Brücke über die A1 zur Weide treiben.