Suizidgefährdung: Es gibt Hilfe!

In keiner anderen Altersgruppe gibt es so viele Suizidversuche wie bei jungen Menschen. Wie können Freundinnen und Freunde sowie Angehörige die Vorzeichen erkennen? Wie können sie helfen? Und wo finden Menschen mit Suizidgedanken Unterstützung? Es gibt eine Reihe von Hilfsangeboten – hier die wichtigsten Infos zu diesem Thema.

Darum geht's:


In keiner anderen Altersgruppe gibt es so viele Suizidversuche wie bei Jugendlichen

„Zunächst einmal muss man sagen, dass sich Suizid durch alle Altersbereiche und Schichten zieht, es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem“ sagt Nina von Ohlen, die Standortleiterin von [U25] in Hamburg, einer Mail-Beratung für suizidgefährdete junge Menschen. „Aber es ist richtig, dass junge Menschen bis 25 Jahre proportional mehr Suizidversuche unternehmen als andere Altersgruppen.“ Grundsätzlich seien Menschen eher in Phasen gefährdet, in denen sie große Umbrüche erleben: „Und in dieser Lebenszeit ist einfach ganz viel in Bewegung, es passiert so viel im Körper, aber auch in der Seele. Es stehen wichtige Entscheidungsprozesse an. Das kann Druck auslösen, gleichzeitig ist die Impulskontrolle häufig noch geschwächt, die Abgrenzung von Suizidgedanken fällt da schwerer als in anderen Lebensphasen.“


So kannst du [U25] unterstützen

Das Projekt [U25] wurde schon vor über zwei Jahrzehnten entwickelt und wird seit 2012 gemeinsam mit dem Deutschen Caritasverband (DCV) angeboten. Dem DCV gehören übrigens auch die Malteser als Tochterverband an.

Die Finanzierung von [U25] durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend läuft Ende 2024 aus. Die Beratungsnachfrage wächst gleichzeitig weiter an, sodass die Standorte auf Hilfe angewiesen sind. Wenn du das Projekt unterstützen möchtest, kannst du das hier tun.

Mädchen und junge Frauen unternehmen häufiger Suizidversuche

„Die Quote für Suizidversuche ist bei Mädchen und jungen Frauen drei Mal so hoch wie bei gleichaltrigen Jungs und jungen Männern“, weiß Nina.

Aber: Die Suizidrate ist bei Männern allgemein und auch bei männlichen Jugendlichen deutlich erhöht im Vergleich zu gleichaltrigen Frauen.

Junge Frauen suchten häufiger das Gespräch, würden Kontakt zu Hilfsangeboten knüpfen und sich ein Netzwerk schaffen: „Das merken wir auch bei unserem Angebot.

80 Prozent derjenigen, die sich hilfesuchend an uns wenden, sind Mädchen und junge Frauen. Das macht uns auch Sorgen. Wie erreichen wir noch besser die Jungs und jungen Männer?“

Hier findest du unter anderem Hilfe:

  • Die Nummer gegen Kummer richtet sich gezielt an Kinder und Jugendliche. Sie ist online und telefonisch erreichbar: Die Telefonnummer ist: 116 111, Eltern finden unter 0800/ 111 0 550 Unterstützung.
  • [U25] Deutschland ist eine Mail-Beratung der Caritas, die sich speziell an junge Menschen, die suizidgefährdet sind, richtet.
  • Auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Suizidpräventionen e.V. (DGS) gibt es jede Menge Informationen rund um das Thema, auch Hilfsangebote für Betroffene und Gesprächsempfehlungen für Menschen, die mit einer suizidgefährdeten Person in Kontakt stehen.
  • Die TelefonSeelsorge ist rund um die Uhr anonym und kostenlos zu erreichen – per Telefon, E-Mail und an 25 Standorten bundesweit vor Ort. Die Telefonnummern sind: 0800 / 111 0 111, 0800 / 111 0 222 oder 116 123. Per Mail und Chat erreichst du die TelefonSeelsorge unter online.telefonseelsorge.de.
  • Selbsthilfegruppen in deiner Nähe findest du über Nakos, die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen.

Welche Faktoren können eine Suizidgefährdung bei jungen Menschen auslösen?


„Suizidalität ist immer das Endergebnis verschiedener Prozesse“, sagt Nina. Keinem Menschen seien Suizidgedanken fremd, irgendwann habe jede oder jeder von uns einmal einen Moment erlebt, in dem sie oder er dachte: „Ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr.“ Auslöser für diese Gefühle gerade unter jungen Menschen können unter anderem folgende sein:

  • Krisen in der Familie (Trennung oder Scheidung der Eltern)
  • Probleme, Trennungen, Anfeindungen im Freundeskreis
  • Todesfälle von nahestehenden Menschen (Großeltern, Eltern, Freundinnen und Freunden)
  • Leistungsdruck und Versagensängste in der Schule
  • Ausgrenzung und Mobbing


„Diese Krisen können ein junges Leben regelrecht torpedieren“, sagt Nina. Erschwerend käme in dieser Zeit häufig hinzu, dass Betroffene via Social Media den Eindruck hätten, andere Gleichaltrige hätten ihr Leben viel besser im Griff, seien glücklicher, „normaler“: „Es fehlen in dieser Phase oft noch Selbstschutzstrategien. Hilfreich kann es sein, sich klarzumachen, dass viele Menschen ähnliche Krisen durchleben und auch überstehen.“

Was kann ich selbst tun, um mich in so einer Phase zu schützen?

„Das Wichtigste ist, sich anderen Menschen anzuvertrauen.“, sagt Nina, „Das heißt, mit jemandem offen über die eigenen Gefühle zu sprechen.“ Die Expertin rät Betroffenen ganz klar: „Trau dich in Kontakt mit anderen Menschen zu gehen. Es ist nicht falsch, mal schwere Gedanken zu haben. Das darf sein. Und du kannst sie überwinden.“ 
Gerade vielen Jüngeren ginge es phasenweise nicht gut, sie fühlten sich von ihrem Leben überfordert. Es könne helfen, auch bei anderen zu schauen, denen es nicht so gut geht: Wie gehen sie mit der Krise um? Wie überstehen sie düstere Phasen? Und sich gleichzeitig zu verdeutlichen, welche Krisen man selbst schon überwunden hat. Unterstützend können folgende Fragen wirken: Wo fand ich damals Halt? Welchen Anker habe ich jetzt? Was tut mir gut?

So hilft [U25]

„[U25] Deutschland“ ist ein präventives Angebot der Caritas. In einem geschützten Raum können sich Betroffene bis 26 Jahre anonym mit einem Nicknamen anmelden und eine Nachricht schreiben. „Das Angebot ist sehr niedrigschwellig. Hilfesuchende können uns lang oder kurz schreiben – wir beantworten jede Nachricht spätestens innerhalb von 48 Stunden“, sagt Nina. Eine ausgebildete Krisenberaterin oder ein Krisenberater im gleichen Alter (Peer-Group-Prinzip) nimmt per Mail Kontakt zu den jungen Menschen auf. Dieser Kontakt bleibt manchmal bis zu mehreren Jahren bestehen, oft aber auch nur für ein paar Monate – solange die oder der Betroffene es wünscht. [U25] gibt es an elf Standorten in Deutschland, allein in Hamburg werden jedes Jahr bis zu 15 Beraterinnen und Berater ausgebildet. Nina sagt: „Unsere jungen Beraterinnen und Berater sind für mich echte Vorbilder, sie sind mutig und sprechen dieses schwierige Thema offen an – nur so können wir es langfristig enttabuisieren.“

Was können Vorboten einer Suizidgefährdung bei jungen Menschen sein?


Folgende Verhaltensweisen können auf eine Krise bei einem jungen Menschen hinweisen, die gegebenenfalls in suizidalen Absichten enden könnte. Er oder sie…

  • … zieht sich zurück, sondert sich ab, bleibt viel zu Hause.
  • … lässt sich optisch gehen.
  • … vermeidet auch die Dinge, die er oder sie sonst gerne gemacht hat.
  • … verschenkt Gegenstände und Sachen, die ihm oder ihr viel bedeuten.
  • … diskutiert viel über Sinn und Sinnhaftigkeit des Lebens – auch destruktiv.
  • … schläft schlecht, leidet unter starker Müdigkeit.


Als akute Signale für eine mögliche Suizidgefährdung gelten zudem:

  • selbstzerstörerisches Verhalten (auch Selbstverletzung)
  • starker Alkohol- oder Drogenmissbrauch
  • Abbruch von Freundschaften
  • übermäßig riskantes Verhalten
  • Äußerung von Suizidgedanken

Was kann ich als Freundin oder Freund tun?

„Viele Menschen haben Sorge, dass sie die oder den Betroffenen erst auf Suizidgedanken bringen, wenn sie das Thema ansprechen.“, sagt Nina, „Diese Sorge ist unbegründet. Es ist wichtig, mit Betroffenen zu reden, ihnen zu signalisieren, dass man sie sieht und ihnen Hilfe anzubieten.“ Wer mit dem Thema alleine bleibe, sei stärker suizidgefährdet, als diejenigen, die darüber sprächen. Wichtig sei es zudem, ein Netzwerk zu bilden, auch andere auf das Thema anzusprechen und zu sensibilisieren und gemeinsam Hilfsangebote zu finden. „Und eines ist auch klar: Wenn es eine akute Gefährdung gibt und man sich Sorgen macht, dass die oder der Andere den Tag nicht überlebt, dann muss die Polizei oder ein Krankenwagen gerufen werden.“ Deshalb nochmal der eindrückliche Hinweis: Solltest du selbst betroffen sein oder wen kennen, der oder die Suizidgedanken äußert, zögere nicht, umgehend einen Arzt oder eine Ärztin zu kontaktieren oder im akuten Notfall sogar die Polizei oder den Rettungsdienst!


#Psyche & Gesundheit

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