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Midlife-Crisis-Shirts und Schlurfschuhe? Wenn Sie erwachsen sind, sollten Sie sich auch so kleiden

Von Katharina Starlay
Bunter Vogel: Als Twen mag das noch angehen, aber wenn Sie schon länger erwachsen sind als Ihre Kindheit lang war, sollten Sie über ein vernünftiges Oberhemd nachdenken

Bunter Vogel: Als Twen mag das noch angehen, aber wenn Sie schon länger erwachsen sind als Ihre Kindheit lang war, sollten Sie über ein vernünftiges Oberhemd nachdenken

Foto: Getty Images
Katharina Starlay
Foto: Antje Kern

Katharina Starlay ist Modedesignerin, Imageberaterin und Mitglied im Deutschen Knigge-Rat. In Vorträgen, Seminaren und individuellen Beratungen coacht sie rund um Kleiderstil und Businessknigge. Seit 2002 berät sie auch Unternehmen für deren Außenauftritt und entwickelt Stil-Leitfäden sowie Firmenkleidung. Sie schreibt Bücher und publiziert über Stilthemen: Starlay.de .

Die Casualisierung des textilen Zeitgeistes, die mittlerweile auch im aktiven deutschen Wortschatz angekommen ist, gibt uns eine Aufgabe auf, die wir nicht unterschätzen dürfen: Während die Bekleidung des Alltags - so scheint es - immer jünger wird, gelingt die Verjüngung des Körpers noch lange nicht.

Hoodie statt Faltencreme, hautenge Hosen statt edler Tuche und fröhliche Schuhe unter vom Leben ernst gewordenen Gestalten: Was wir im Straßenbild immer öfter sehen, dient dem Zweck, den sie heiligen sollen, nämlich kein bisschen. Gerade das lässige Leben verlangt von uns, zu unserem Alter bekennend zu stehen.

Je jugendlicher das Kleidungsstück, desto sorgfältiger will es ausgewählt werden, wenn wir eine ungeschriebene, magische Grenze des Erwachsenenalters überschritten haben. Denn Kontrast betont.

Das Schöne an dieser unumstößlichen Tatsache und dem ebenso unumgänglichen Reifeprozess ist, dass wir alle im selben Boot sitzen. Ohne Ausnahme. Helen Hayes, eine US-amerikanische Schauspielerin, die ein für ihre Generation recht hohes Alter erreicht hat, soll einmal die köstliche Maxime definiert haben: "Das Alter ist unwichtig - es sei denn, Du bist ein Käse."

Dieses Käse-Argument darf aber keine Ausrede für T-Shirts mit kindlichen Aufdrucken, die im Volksmund auch "Midlife-Crisis-Shirts" genannt werden, und sonstige juvenile Attribute sein, die leider oft das Gegenteil bewirken. Gerade im Job sollte man sich klarmachen, dass man ja später wieder dagegen an-arbeiten muss, wenn der textile Eindruck, den man abgibt, ebensolche (Nach-) Lässigkeit im Umgang mit Zahlen, Daten und Fakten vermuten lässt.

Es gibt ein paar Gedankenansätze, sozusagen als "Prinzip dahinter", die vor dem Schlimmsten bewahren.

Passform first

Baggy Pants: Die meisten Modetrends kommen von der Straße. Der Gangsta-Style hat leider auch die Passform der Hosen krimineller Aktivitäten unverdächtiger Herren negativ beeinflusst. Es muss nicht immer Anzug sein, aber es ist keine Schande, sich gut anzuziehen.

Baggy Pants: Die meisten Modetrends kommen von der Straße. Der Gangsta-Style hat leider auch die Passform der Hosen krimineller Aktivitäten unverdächtiger Herren negativ beeinflusst. Es muss nicht immer Anzug sein, aber es ist keine Schande, sich gut anzuziehen.

Foto: Mel Evans/ ASSOCIATED PRESS

Wer das verinnerlicht, läuft gar nicht erst Gefahr, Hosen mit dem zu tief sitzenden Schritt (den so genannten "Windelhintern"), hautenge Hosen aus zweifelhaften Stoffen oder zu kurze Hosenbeine, die aus jedem gestandenen Mann optisch einen Pennäler machen, in Erwägung zu ziehen.

Gut angezogene Leute sind suspekt? Das war gestern. Die junge, nachwachsende Generation zukünftiger Managerinnen und Manager interessiert sich nämlich sehr wohl für Knigge, Dresscodes, formelle Kleidung und wie sie sitzen soll.

Menschen mit Persönlichkeit brauchen keine Ablenkung

Diese Kreation zeigte Stardesigner Jean-Paul Gaultier im Juni 2003 auf dem Laufsteg in Paris. Irgendwie konnte sich diese Art von Schmuck in der Männermode dann doch nicht durchsetzen. Man möchte ergänzen: Glücklicherweise.

Diese Kreation zeigte Stardesigner Jean-Paul Gaultier im Juni 2003 auf dem Laufsteg in Paris. Irgendwie konnte sich diese Art von Schmuck in der Männermode dann doch nicht durchsetzen. Man möchte ergänzen: Glücklicherweise.

Foto: DPA

Die Grundidee von Schmuck und Accessoires ist, eine schöne Stelle an der Erscheinung eines Menschen zu betonen. Schmuck und sonstige Requisiten haben aber auch von je her dazu gedient, Status und Wohlstand sichtbar zu machen. Von Wohlstand aber kann angesichts mancher mit Nieten, Bling-Bling & Co. applizierten Serienartikel aus Niedrigkosten-Herstellung nicht die Rede sein. Ein Zuviel an Eye-Catchern lenkt zudem von der Persönlichkeit und ihrer Aussage ab, weil das Auge eines Betrachters vor lauter Hinguckern nicht mehr weiß, wohin es zuerst blicken soll.

Ab der erwähnten magischen Grenze gilt also: Erfahrungslinien wollen raffiniert inszeniert werden, besonders, wenn sie zu einem gepflegten Körper gehören. Dann ist das Darunter auch der richtige Ort für edles und stilvolles Darüber.

Sich selbst und seine Figur richtig einzuschätzen, ist die eigentliche Coolness

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Foto: Giorgio Armani

Die Kehrseite des Trends ist die Beliebigkeit. Zu einer reifen Persönlichkeit gehört eben auch, dass man seinen Körper kennt und weiß, welche vorbeifliegende Mode-Erscheinung ihn gut aussehen lässt - und welche nicht. Die schicken Kurzarm-Shirts mit Bizeps-engem Armausschnitt zum Beispiel sehen nur dann gut aus, wenn da auch ein Bizeps zu sehen ist.

Ähnlich verhält es sich mit den super-modischen schmal geschnittenen Herrenanzügen mit geringer "Fußweite" (Saumweite) und entsprechend schmalem Hosenbein, die so manchen Mann mit sportlicher Wade dazu zwingen, beim Aufstehen aufzustampfen, damit das Hosenbein im Stehen wieder glatt fällt. Oder welche sich über einem trainierten Oberschenkel im Sitzen spannen und die Naht krachen lassen können. Wenige Zentimeter mehr Umfang sind für einen athletischen Herrn entspannter … Mode hin oder her.

Die Schuhe bestimmen den Gang...

Sneakers sind auch in der Haute Couture angekommen: Hier ein Modell von Valentino bei der diesjährigen Pariser Modewoche. Dennoch: ein Paar feine Lederschuhe machen sich zum Anzug eleganter.

Sneakers sind auch in der Haute Couture angekommen: Hier ein Modell von Valentino bei der diesjährigen Pariser Modewoche. Dennoch: ein Paar feine Lederschuhe machen sich zum Anzug eleganter.

Foto: Pascal Le Segretain/ Getty Images

... und dieser kommt lange vor dem ersten gesprochenen Wort beim Gegenüber an. Gerade in Schuhen, die dem Fuß wenig Halt geben, bekommt der Gang so etwas unfreiwillig Schlurfendes, das sich auf die ganze Erscheinung überträgt.

Leider fallen viele Freizeitschuhe vom Flip-Flop bis zu manchen Sneakers in diese Kategorie. Empfehlenswert ist übrigens auch ein Blick auf die verwendeten Materialien: In synthetischen Schuhen gleicht das Fußklima gerade im Sommer schnell einem tropischen Regenwald, mit allen damit verbundenen Konsequenzen.

Der Anzug ist nicht die einzige Lösung

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Foto: NIKLAS HALLE'N/ AFP

Was Herrenanzüge und viele Frauenkostüme oft so uninspiriert wirken lässt, sind die immer wieder gleichen Schnitte, Stoffe und Farben. Wer das Spiel der Businesskleidung mitspielen - aber dennoch nicht wie alle anderen Anzugträger aussehen möchte, kann beginnen, an wenigstens einer dieser Stellschrauben zu drehen: Jacke und Rock - aber aus einem anderen Stoff, der eben nicht aus grauer, schwarzer oder marinefarbiger Wollware ist.

Herrensakko, Weste und Hose - aber vielleicht nicht alles in derselben Farbschattierung, sondern aus verschiedenen Nuancen der gleichen Farbe. Hell-Dunkel-Kontraste allein können sogar das klassische Business-Grau spannend machen.

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