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Christian Lindner im Körpersprache-Check Lindner gleich laut - in jeder Beziehung

Der Erfolg einer Partei bei der Bundestagswahl hängt auch von der Körpersprache ihres Spitzenkandidaten ab. Er muss uns das Gefühl vermitteln, unsere Emotionen zu verstehen. Erst in der Folge hören wir seinen Inhalten wohlwollend zu. Sicherheit, Aufgebrachtheit, Stabilität oder Aufbruch: Wer das nicht "verkörpert", bleibt ein Phrasendrescher. Im folgenden Text geht es ausschließlich um eine Analyse der non-verbalen Kommunikation - also der Körpersprache. Auf politische Inhalte wird kein Bezug genommen, dieser Text ist keine politische Meinungsäußerung des Autors.
Von Stefan Verra
FDP-Chef Christian Lindner

FDP-Chef Christian Lindner

Foto: picture alliance / dpa

Christian Lindner fällt auf in diesem Wahlkampf. Nicht nur ist er der zweitjüngste aller Kandidaten (Alice Weidel on der AfD ist etwa einen Monat jünger). Er versteht es besser als alle anderen Kandidaten, seinen Körper als zweite Ebene der Kommunikation einzusetzen. Seine Mimik und Gestik sind nicht zufälliges Beiwerk seiner Worte, sondern er nutzt sie, um seinen Aussagen Kraft zu verleihen. Leider fehlt ihm dabei ein wichtiges Element.

Laut - auch mit dem Körper

Foto: picture alliance / Monika Skolim

Wenn man eine Eigenschaft wählen müsste, um ihn zu beschreiben wäre es wohl "laut". Und zwar körpersprachlich laut. Nicht polternd, aber laut. Ja, Frauke Petry kann auch laut werden. Allerdings nutzt Lindner seine Lautstärke nicht, um unbedingt in Aggression zu verfallen. Menschen, die große Menschenmassen anziehen wollen, müssen eine gewisse Lautstärke in ihrem Auftreten haben. Klar könnten Sie auf einer Wahlkampfveranstaltung leise und zurückhaltend plaudern. Empfehlenswert ist das allerdings nicht - vor allem nicht für Herausforderer.

Zuwendung

Foto: Landtag NRW

Lindner weiß, dass er auf sich aufmerksam machen muss. Er reißt deswegen "sein Maul auf" - im positiven Sinne. Dabei öffnet er den Unterkiefer weit, so, dass wir sogar auf Fotos erkennen, dass er gehört werden will.

Er ist auffallend flexibel in seinem Rumpf - zumindest im Vergleich zu nahezu allen Mitbewerbern. Wer viele Menschen erreichen will, muss viele ansprechen. Und angesprochen fühlen wir uns vor allem dann, wenn sich uns jemand zuwendet.

Handkanten, Faust und Händereiben

Seine Gestik ist ausladend, weiter und größer als die aller anderen Spitzenkandidaten. Handkantenschläge und Fausthiebe sind die ältesten Waffen der Menschheit. Er zeigt so seinen Kampfeswillen. Damit fängt Lindner die Emotionen derjenigen Wähler gut auf, die sich von der aktuellen Besetzung des Bundestags nicht repräsentiert fühlen. Auch sie sind kampflustig und wollen eine Alternative. Diese Aufgebrachtheit spiegelt Lindner gut wieder. Er freut sich auch diebisch, wenn er einen verbalen Treffer landen konnte. Er gratuliert sich dabei gerne selbst mit ausführlichem Händereiben - eine Geste der Selbstbestätigung.

Landtag NRW

Der Lümmler

Foto: picture alliance / Federico Gamb

Christian Lindner lümmelt gerne. Zumindest im Vergleich zu vielen anderen Rednern in den Landtagen oder im Bundestag fläzt er nahezu am Rednerpult. Breit aufgestützt oder einen Ellbogen aufgelehnt, so als würde er an der Theke seiner Stammkneipe stehen. Er zeigt allen damit: "Das ist jetzt mein Terrain." Damit strahlt er viel Selbstbewusstsein aus - knapp an der Grenze zur Überheblichkeit. Das hat seine Vorteile: Würde er zu vorsichtig an die Sache herangehen, kämen seine Inhalte schwächer rüber.

Regel Nummer 1: Hol dir Redezeit

Regel Nummer 1: Hol dir Redezeit

Christian Lindner ist ein herausfordernder Gesprächspartner, besonders wenn Kameras dabei sind. Er versteht es, das Wort an sich zu reißen. Und er macht es mit seiner Körpersprache.

Nehmen Sie sich kurz Zeit und beobachten Sie, mit welchem Körpereinsatz er seine Dominanz ausübt. Damit man die Bedeutung der Körpersprache erkennt, habe ich die Tonspur gelöscht: Sarah Wagenknecht hat das Wort. Lindner hört scheinbar nur peripher zu. Sein Körper zeigt: Ich will den Fuß in die Tür bekommen. Das sieht man an seinem unruhigen Körper. Wagenknecht bemerkt das, vor allem als Lindner ihr keinen Augenkontakt mehr schenkt. In diesem Moment hebt er einen Arm hoch. Jeder in der Runde erkennt jetzt, dass Lindner sie gleich unterbrechen wird. Und Wagenknecht sieht ein, dass ihre Redezeit abgelaufen ist. Sie wendet sich Lindner zu, was dieser als Aufforderung erkennt, loszulegen.

Vor allem seine Gestik ist jetzt im Einsatz. Mit beiden Händen stochert und schlägt er weit vor sich auf den Tisch. Damit ist er im sichtbaren Bereich von allen Beteiligten. Sofort tut sich eine Klassenzimmerstimmung auf: Katrin Göhring Eckart zieht sich wohlerzogen zurück und legt brav ihre Hände auf den Tisch, während Thomas Oppermann es mit Aufzeigen probiert. Lindner braucht nur kurz die Intensität seiner Gestik zu erhöhen, um die Versuche der Kollegen zu unterbinden. In wenigen Augenblicken hat er Wagenknecht das Wort entrissen und alle in der Runde hören artig zu. Denn er weiß: Am Ende zählt nur, ob er Gehör gefunden hat - auch wenn er sich damit nicht nur Freunde macht.

Regel Nummer 2: Behalte die Redezeit

Regel Nummer 2: Behalte die Redezeit

Diesmal mit Ton: In dieser sehr kurzen Sequenz zeigt uns Lindner, wie er mit Einwürfen anderer umgeht. Seine Gestik ist weit im Sichtfeld der anderen. Seine Stimme etwas lauter, und die meisten geben auf. Er hat in dieser Runde eine starke Alphaposition, die von den anderen akzeptiert wird. Wenn auch widerwillig.

ARD

Visionen? Nicht in der Körpersprache

Foto: picture alliance / Roland Weihra

Lindner wirkt oft angriffslustig: Seine Mimik und seine Gestik tendieren sehr in Richtung "Kampf". Oft hat er den Kopf nach vorne geneigt, damit bietet er dem Gegner die Stirn (immerhin der Widerstandsfähigste Teil des Schädels). Seine Stirnwulst, ein Zeichen von Kraft, betont er und schiebt den Unterkiefer vor. Harmonie, Verbindlichkeit und Kompromissbereitschaft sehen anders aus. Er müsste hie und da Zuversicht, Vision und Positives signalisieren, um nicht in das Eck des Frustrierte n abzugleiten.

Dazu müsste er zwei Signale verstärken:

1. Kopf hoch und Blick mehr in die Ferne richten.

2. Häufiger entspannt (!) lächeln.

Würde er dies noch zusätzlich tun, könnte er sich mit seiner Körpersprache in die Riege der jungen, smarten Politikergeneration à la Macron und Trudeau einreihen.


Unser Gastkommentator Stefan Verra  ist einer der gefragtesten Experten für Körpersprache, Dozent und Autor zahlreicher Bücher. Der Autor ist Österreicher - von Deutschland kennt er Weißwurst, Schietwetter und den Stau auf der A8 Richtung Salzburg. Er lebt seit einigen Jahren in München und hat mittlerweile so gut Deutsch gelernt, dass er sich hierzulande einigermaßen durchschlagen kann. Politisch hat er überhaupt keine Meinung zu den einzelnen Kandidaten.
Verra ist Mitglied der MeinungsMacher von manager-magazin.de. Dennoch gibt sein Beitrag nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wider.

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