Human Composting - eine neue Berdigungsform
So wie auf diesem Bild mit einem Dummy werden bei Recompose die Toten auf einem Bett aus Spänen aufgebahrt, bevor sie in die Kompostierungsröhre gelangen. Bildrechte: Recompose/Sabel Roizen

Verstorbene kompostieren Der Traum von der ökologischen Bestattung

26. Januar 2024, 11:44 Uhr

Wir kaufen Bio, fahren Rad oder steigen aufs E-Auto um. Aber wie ökologisch können wir eigentlich nach unserem Leben sein? Wie wäre es, uns selbst zu kompostieren? Das ist zunächst ein befremdlicher Gedanke. Doch es gibt bereits Verfahren dafür. In den USA sind sie sogar schon erlaubt.

Das Kompostieren kennen wir alle: Speise- und Pflanzenreste verwandeln sich dank Mikroorganismen und Sauerstoff zu Humus, einem nährstoffreichen Substrat. Unliebsames wird beseitigt, Nützliches entsteht – durch schnelle, kontrollierte Zersetzung. Sich das für die eigene Bestattung vorzustellen, ist ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke, selbst wenn man die ökologischen Vorzüge vor Augen hat.

In den USA werden im landwirtschaftlichen Bereich bereits seit einigen Jahrzehnten tote Tiere in pflanzliches Material gelegt, um eine natürliche Zersetzung zu Humus zu beschleunigen. Ein ähnliches Verfahren für die Bestattung von Menschen entwickelte 2014 das Unternehmen "Recompose" unter Leitung seiner Gründerin Katrina Spade und in Zusammenarbeit mit der Abteilung für forensische Anthropologie der Western Carolina University. Die Methode funktioniert allein mit Sauerstoff und Mikroorganismen. Nach einer erfolgreichen Versuchsreihe an sechs Menschlichen Körpern genehmigte der US-Bundesstaat Washington 2019 erstmals die „natürliche organische Reduktion“ für Verstorbene. Im Jahr darauf ging mit dem Greenhouse in Kent/Washington die erste öffentliche Anlage in Betrieb. Dort konnten zu dem Zeitpunkt zehn Verstorbene innerhalb eines Jahres kompostiert werden, inzwischen sind es weit mehr an verschiedenen Standorten. Der Grundpreis für eine Bestattung dieser Art liegt bei 5.500 US-Dollar. Die Akzeptanz und das Interesse sind groß. Bereits im Sommer 2020 waren 6,75 Millionen US-Dollar über Spenden und Beiträge der zahlenden Kundschaft zusammengekommen. Weitere Bundesstaaten zogen nach: Colorado, Oregon, Vermont, California, New York und Nevada, neue Anbieter für das "Human Composting" gingen an den Markt, die mit Stiftungen und Aufklärungsarbeit die Legalisierung vorantreiben wollen, auch weltweit.

In Deutschland nur in Schleswig-Holstein erlaubt

Deutlich größere Zurückhaltung gegenüber der neuen Bestattungsmethode zeigt sich bei uns in Deutschland. Hier ist das Kompostieren Verstorbener bislang nur in Schleswig-Holstein erlaubt, deren Erde auch nur dort sowie in Mecklenburg-Vorpommern sowie in Hamburg-Olsdorf beigesetzt werden darf. Die erste "Reerdigung" fand im Februar 2022 in Mölln statt, ausgeführt durch das Start-ip "Meine Erde", das ebenfalls mit einer Stiftung und einem Freundeskreis für die Akzeptanz des Verfahrens wirbt. 2023 wurde in Kiel das zweite Alvarium eröffnet, ein Ort an dem das Kompostieren stattfindet.

Das geschieht bei der Kompostbestattung

Dazu wird der Leichnam in einem Edelstahlbehäter auf ein Substrat aus aus Stroh, Heu, Blumen und Aktivkohle gebettet und damit auch bedeckt. Chemische Zusätze, Insekten oder Würmer kommen nicht zum Einsatz. Den Rest erledigen die Mikroorganismen, die unter ausgewogener Beteiligung von Kohlenstoff, Stickstoff, Feuchtigkeit und Wärme auf Hochtouren arbeiten. Übrig bleiben fruchtbare Erde, Humus also und Knochen. Diese werden später zermahlen und untergemischt. Die Idee an sich ist nicht neu, bereits in den 1990er-Jahren hatte die Biologin Susanne Wiigh-Mäsak in Schweden ein Verfahren entwickelt, um die Körper Verstorbener auf eine Kompostierung vorzubereiten.

Promession: den Leichnam gefriertrocknen und granulieren

In zwei Schritten wird der Leichnam zunächst heruntergekühlt: Erst auf 18 Grad Minus, dann in Stickstoff getaucht auf 196 Grad Minus. Damit wird ihm das Wasser entzogen, das etwa 70 Prozent des Körpers ausmacht. Außerdem wird er dadurch so zerbrechlich, dass eine gezielte Erschütterung ausreicht, um ihn in winzige Teilchen zerfallen zu lassen. Damit haben die Mikroorganismen später eine große Angriffsfläche und können die organischen Überreste schnell zersetzen. Das Granulat wird in ein verrottbares Gefäß gefüllt und beigesetzt. Optimal sind dafür ca. 80 cm Tiefe, denn dort sind genügend Kleinstlebewesen im Boden.

In nur zwölf bis 18 Monaten ist das menschliche Gewebe dann vollständig abgebaut. Zum Vergleich: In sandigen Böden verwest ein Körper in etwa 15 Jahren, in lehmigen Böden kann es bis zu 60 Jahren dauern und in sehr nassem Untergrund bilden sich sogenannten Wachsleichen, die sich gar nicht zersetzen. In jedem Fall bleiben Knochen zurück.

Susanne Wiigh Mäsak
Die Biologin Susanne Wiigh-Mäsak meldete bereits 1999 ein Patent auf eine Kompostbestattung an. Bildrechte: Susanne Nicklas Johannson

Die Erfinderin Susanne Wiigh-Mäsak war überzeugt, mit ihrem Verfahren eine Trendwende im Bestattungswesen einzuläuten. 1999 hatte sie für die Promession in Schweden ein Patent angemeldet und die Firma Promessa gegründet, die die Methode weltweit etablieren soll. Doch nicht einmal sie selbst konnte sich den Wunsch erfüllen, nach ihrem Tod ein Geschenk zurück an die Natur zu werden, wie es auf der Promessa-Webseite heißt.

In Deutschland überwiegen christliche Vorstellungen

Inzwischen gibt es weitere Patente in anderen Ländern und das Vorgehen wurde weiterentwickelt. Doch genutzt wird die Promession nicht. In Jönköping/Schweden gibt es eine Versuchsanlage, doch nirgendwo sonst gibt es die Möglichkeit, das Verfahren anzuwenden. Hans-Joachim Möller vom Verband unabhängiger Bestatter e.V. sieht die Gründe hierfür zum einen in der Zurückhaltung der Menschen dieser Methode gegenüber.

Wir sind in Deutschland überwiegend von christlichen Vorstellungen geprägt. Da tun sich die Leute schwer, sich auf die Idee des Kompostierens einzulassen.

Hans-Joachim Möller, Verband unabhängiger Bestatter

Das sei anfangs bei der Feuerbestattung auch so gewesen. Inzwischen gehört sie zu den häufigsten Bestattungsarten in Deutschland. Dass das eines Tages auf das Kompostieren vielleicht ebenso zutrifft, dafür fehlt es bislang auch an den juristischen Voraussetzungen. Zwar ist die Promession an sich mit den Bestattungsgesetzen vereinbar, solange das Granulat anschließend auf einem Friedhof oder in einem Friedwald beigesetzt wird. Allerdings sehen die Gesetzestexte der Länder diese Bestattungsform gar nicht vor. Lediglich in Niedersachsen wurde neben der Erd- und der Feuerbestattung auch die Promession mit aufgenommen.

Hans-Jaochim Möller sieht in der Kompostierung durchaus eine umweltfreundliche Alternative. Zwar seien Krematorien heute mit Hochleistungsfiltern ausgestattet, doch in denen sammelten sich zahlreiche Giftstoffe: Rückstände von Chemotherapien, Kadmium und Zink aus Herzschrittmachern, Formaldehydharze aus Sargplatten und nicht zuletzt Zusatzstoffe, Insektizide und Pestizide aus unseren Nahrungsmitteln.

Die Filterasche der Krematorien ist so giftig, dass sie als Sondermüll in Salzstöcken eingelagert werden muss.

Hans-Jürgen Möller, Verband unabhängiger Bestatter

Auch bei Sargbestattungen gelangen diese Gifte in den Boden und ins Grundwasser. Trotzdem bleibt die Promession bis auf weiteres Zukunftsmusik. Die Ankündigung der Revolution und die Eröffnung der ersten öffentlichen Recompose-Anlage hat die Promessa-Erfinderin nicht mehr miterlebt. Sie erlag am 1. September 2020 einem Krebsleiden. Auch für uns in Deutschland wird diese Form der ökologischen Bestattung bis auf weiteres eher eine Zukunftsmusik bleiben. Wer umweltverträglich aus dem Leben gehen will, muss sich zunächst mit kleinen Schritten begnügen: zum Beispiel mit nachhaltigen Särgen und Urnen, mit dem Verzicht auf Mittel zur Balsamierung und mit einer insektenfreundlichen Grabgestaltung.

Der Mensch als Kompost? 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
1 min

Im US-Bundesstaat Washington bereits Realität: Tote können kompostiert werden.

Fr 23.07.2021 15:45Uhr 00:40 min

https://www.mdr.de/wissen/videos/aktuell/human-composting-tote-kompostieren102.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video
Katrina Spade, Gründerin von Recompose
Bildrechte: Recompose/Craig Willse
Katrina Spade, Recompose

Die Ankündigung der Revolution und die Eröffnung der ersten öffentlichen Recompose-Anlage hat die Promessa-Erfinderin nicht mehr miterlebt. Sie erlag am 1. September 2020 einem Krebsleiden. Auch für uns in Deutschland wird diese Form der ökologischen Bestattung bis auf weiteres Zukunftsmusik bleiben. Wer umweltverträglich aus dem Leben gehen will, muss sich zunächst mit kleinen Schritten begnügen: zum Beispiel mit nachhaltigen Särgen und Urnen, mit dem Verzicht auf Mittel zur Balsamierung und mit einer insektenfreundlichen Grabgestaltung.

Reerdigung: In Stockelsdorf werden Leichen kompostiert Stand: 24.11.2022 05:00 Uhr Wie möchte man bestattet werden? Eine Frage, die sich fast jeder irgendwann einmal stellt. Entweder entscheidet man sich für eine Feuer- oder eine konventionelle Erdbestattung. Doch nun gibt es eine weitere Variante: die Reerdigung. In Stockelsdorf (Kreis Ostholstein) hat eine der ersten sogenannte Reerdigungen stattgefunden. Bei diesem Bestattungsverfahren wird der Leichnam nackt auf ein Substrat aus aus Stroh, Heu, Blumen und Aktivkohle ohne chemische Zusätze gebettet, das sich in einem Edelstahl-Behälter befindet. Auch wird der Körper darin mit dem Substrat bedeckt. Den Rest erledigt die Natur.

1 Kommentar

part am 25.07.2021

Das Kremieren ist dabei die dümmste und Umwelt-schädlichste Art einen Leichnam zu beseitigen. Beim Kompostieren kommt dann wiederum der Energieverbrauch für die Stickstoffkühlung hinzu. Am einfachsten ist es doch gleich unter die Erde, denn Mutter Natur braucht den Menschen nicht...