Schüchtern? So finden zurückhaltende Männer ihre Traumfrau

"So lern' ich doch nie eine Frau kennen!" Oh doch, sagt Expertin Nadine Laban, die schon viele Männer von ihrer Schüchternheit befreit hat. Wie das funktioniert und warum eine gewisse Schüchternheit bei der Partnersuche sogar von Vorteil ist
Zu schüchtern zum Flirten! Wetten, nicht?
Foto: LoloStock / Shutterstock.com

Für manche Männer klingt der Satz "Sprich sie doch einfach an!" ähnlich gefährlich wie "Entschärfen Sie die Bombe!". Wer extrem schüchtern ist, für den kann sich die Suche nach der großen Liebe tatsächlich wie ein nervenzerreißender Krimi anfühlen. Zuzwinkern, Drink ausgeben oder ein einfaches "Hallo" sind für Schüchterne eine echte Hürde. Wie um alles in der Welt also jemanden kennenlernen, wenn man zur Spezies „Extrem schüchtern“ zählt? Geht das überhaupt ohne professionellen Kuppler und viel, viel Alkohol?

Nadine Laban ist Heilpraktikerin für Psychotherapie mit eigener Praxis in Potsdam (praxis-laban.de) und hat uns verraten, wie schüchterne Männer ihre innere Hemmschwelle tatsächlich überwinden können und warum Schüchternheit bei der Partnersuche sogar ein ziemlich genialer Bonus sein kann.

Das Klischee vom verklemmten Nerd

Eines gleich vorweg: Schüchternheit hat nichts mit dem Bild vom verklemmten Nerd im Karohemd zu tun, der schon in der Schule mit Safttüten beworfen wurde. Schüchternheit ist erst einmal etwas zutiefst Menschliches und darüber hinaus zu einem gewissen Grad sogar sympathisch. Für gewöhnlich werden Menschen, die eine gewisse Zurückhaltung an den Tag legen, nämlich als wesentlich angenehmer und sozialverträglicher eingestuft als solche, die den großen Auftritt wie die Luft zum Atmen brauchen.

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Die eigenen Stärken zu erkennen ist der erste Schritt zu mehr Selbstbewusstsein

Und trotzdem: Was die Akzeptanz schüchterner Menschen in der Gesellschaft angeht, haben Männer es merklich schwerer als Frauen; gerade beim Thema Flirten. „Von Männern wird immer noch erwartet, dass sie aktiv auf Frauen zugehen und ansprechen. Frauen hingegen können sich in ihrer passiven Rolle zurücklehnen, ohne dass man ihnen das gleich als Schwäche auslegt“, sagt Nadine Laban.

Warum ist man überhaupt schüchtern?

Wieso aber stolpern einige Menschen so herrlich gedankenverloren durchs Leben und hauen einen Spruch nach dem anderen raus, während andere oft wie erstarrt sind von den eigenen Ängsten und Hemmungen? Ist das Typsache und wird einem die Schüchternheit bereits in die Wiege gelegt?

Nur zum Teil, sagt die Therapeutin: „Hinter der Schüchternheit steckt meist die Angst vor Ablehnung. Wer schon in der Pubertät erfahren musste, dass er bei Frauen permanent abblitzt, zieht sich unter Umständen immer mehr zurück. Der Schüchterne versucht, bloß nicht wieder die Situation erleben zu müssen, von einem anderen Menschen abgelehnt zu werden“. Somit hat das schüchterne Verhalten eher etwas damit zu tun, was wir im Leben erfahren und wie unser Umfeld uns prägt.

„Wenn man kleine Kinder beobachtet, stellt man schnell fest, dass sie ganz unbefangen ihre Bedürfnisse äußern, ohne Angst vor der Reaktion ihres Gegenübers“, sagt Laban, „Je mehr wir durch Erziehung oder die Gesellschaft geprägt werden, desto mehr wird eine solche Zurückhaltung und Vorsicht ausgeprägt“.

Welche Formen der Schüchternheit gibt es?

Schüchternheit ist in der Wissenschaft nicht klar definiert, sondern stark vom jeweils eigenen Empfinden abhängig. Darüber hinaus kann es durchaus sein, dass Menschen nur in einem ganz bestimmten Bereich extrem zurückhaltend reagieren. „Jemand, der im Job großartig performt und kein Problem damit hat, Mitarbeiter zu führen, kann durchaus vollkommen verstummen, wenn es darum geht, mit einer Frau zu flirten“, weiß Nadine Laban.

Das muss erst einmal keine Katastrophe und auch nicht gleich ein Fall für den Therapeuten sein, allerdings: „Da, wo die Schüchternheit beginnt, das eigene Leben einzuschränken und dazu führt, dass der Mensch sich nicht mehr wohl fühlt in seiner Haut, sollte er handeln“, sagt die Therapeutin.

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Sie sind einfach nicht der Haudrauf-Typ? Gut so!

Wer sich immer weiter in sein Schneckenhaus zurückziehe, um bestimmten Situationen nicht mehr ausgesetzt zu sein, könne am Ende ziemlich allein dastehen. Sozialphobie lautet dann die Diagnose, bei der die Betroffenen häufig vollkommen isoliert sind und aus eigener Kraft kaum wieder zurück ins gesellschaftliche Leben fänden.

Wie lässt sich extreme Schüchternheit ablegen?

Was aber können Männer tun, um sich wieder wohl in ihrer Haut zu fühlen und um sicher und selbstbewusst aufzutreten? „Den inneren Kritiker zum Schweigen bringen“, sagt Nadine Laban. Der sei nämlich Schuld daran, dass sich viele Menschen lediglich auf ihre Defizite konzentrieren würden. „Viele Menschen suchen bei sich selbst das Haar in der Suppe und vergessen darüber, dass die Suppe lecker ist“, sagt die Therapeutin, „Ich frage meine Patienten dann ganz konkret, wo ihr Leben richtig gut läuft und arbeite mit ihnen zusammen ihre Stärken heraus“.

Letztlich führt dieser Weg der Selbstakzeptanz zum gewünschten Ziel; nämlich der Erkenntnis, dass man gar nicht so schlecht ist, wie man sich oft jahrelang eingeredet hat. Hat der Schüchterne erst einmal genügend Selbstvertrauen aufgebaut, fängt er plötzlich an sich mehr zuzutrauen und nach und nach Hemmschwellen abzubauen.

Ein weiterer Tipp der Expertin: Sich einmal selbst fragen, was das Schlimmste sei, was passieren könnte, wenn man einen Korb bekommt. Würde ein simples „Nein“ etwa das eigene Leben zerstören? Wohl kaum.

Der Sprung ins kalte Wasser – ratsam oder nicht?

In einigen Bereichen ist die „Augen zu und durch“-Strategie sicherlich hilfreich; wenn Sie auf dem 10-Meter-Sprungbrett stehen oder ein Pflaster abreißen müssen. Beim Thema Flirten muss das aber nicht zwingend der Fall sein, weiß die Therapeutin, die eher davon abrät, völlig gegen seine Natur zu handeln.

Haben Sie die Szene aus Top Gun vor Augen, in der Tom Cruise als Maverick mit seinem Kumpel Goose diese Gesangs-Nummer in der Bar abzieht, um die blonde Charlie zu beeindrucken? Sie wissen schon, "You've lost that loving feeling ...". Ziemlich geniale Nummer ehrlicher Weise, aber eben nicht für jeden geeignet. Ganz ehrlich: Wenn Sie einfach nicht der Typ sind, um dick aufzufahren – versuchen Sie es nicht auf Krampf. Das geht mit Sicherheit nach hinten los. Außerdem ist der laute Weg nicht zwingend der beste.

Besser: Authentisch sein und seine vermeintliche Schwäche mit Humor nehmen. Dabei kann es sogar ziemlich charmant rüberkommen, wenn Sie mit Ihrer Schüchternheit ganz offen umgehen. Ein „Ich bin eigentlich furchtbar schüchtern, aber Dich jetzt einfach weitergehen lassen – das bring ich jetzt irgendwie nicht übers Herz“ ist nicht nur ehrlich, sondern auch sympathisch. 

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Schüchternheit kann zu einem gewissen Grad sogar ziemlich sympathisch und charmant rüberkommen

Ein weiterer Tipp: Es via Online-Dating probieren. Denn wer schüchtern ist, wenn er seinem Gegenüber in die Augen schaut, kann im virtuellen Raum durchaus in der Lage sein, mit Wortwitz und geistreichen Gesprächen beim Online-Flirt zu punkten. Das gibt einem die Möglichkeit, die Frau erst einmal näher kennenzulernen und genügend Gesprächsstoff zu haben, wenn es denn dann zum realen Treffen kommt. 

Welche Vorteile haben schüchterne Männer gegenüber den „Hallo-hier-bin-ich-Typen“?

Bei all dem Bestreben, die eigene Schüchternheit zu bekämpfen, sollten Männer eines nicht außer Acht lassen: Ein gewisser Grad an Schüchternheit kann beim anderen Geschlecht auch ziemlich gut ankommen. "Die Erfahrung hat gezeigt, dass gerade die selbstbewussten Frauen eher zu Männern tendieren, die etwas ruhiger und zurückhaltender sind", sagt Nadine Laban.

Außerdem sollen schüchterne Männer tatsächlich die besseren Zuhörer sein. Statt direkt drauflos zu quatschen und die eigene Person in den Mittelpunkt zu stellen, lassen ruhigere Typen auch mal ihr Gegenüber zu Wort kommen; eine Eigenschaft, die in der heutigen Zeit viel zu kurz und daher auch ziemlich gut ankommt.

Ergo: So genial die Flirttipps Ihrer Kumpels oder in irgendwelchen Ratgebern auch klingen mögen – Sie müssen sich in Ihrer Rolle wohl fühlen und selbst gefallen. Machen Sie sich Ihrer Stärken und Vorzüge bewusst, statt lediglich Ihre Defizite zu fokussieren. Selbstakzeptanz ist der erste Schritt, um mehr Selbstvertrauen zu erlangen. Der Rest – das Flirten – wird Ihnen dann plötzlich wesentlich leichter fallen.

Unsere Expertin

Nadine Laban
privat
Diplom-Soziologin Nadine Laban

Nadine Laban ist Diplom-Soziologin und Heilpraktikerin für Psychotherapie. In ihrer Praxis in Potsdam bietet sie ihren Patienten Beratung und Hilfestellung durch Verhaltens- und Gesprächspsychotherapie an, sie ist Systemische Einzel- und Familientherapeutin, Mediatorin, Burnout-Beraterin, EMDR- und Hypnosetherapeutin sowie Seminarleiterin für Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson.

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Erscheinungsdatum 11.04.2024