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Auch Fuchstalbahn technisch vorsintflutlich

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Ein Lint der Bayrischen Regiobahn auf der Bahnstrecke Landsberg-Schongau (Fuchstalbahn). 
Nur gelegentlich fahren auf der idyllischen Fuchstalbahn Personenzüge zu Testzwecken – hier ein Lint der Bayrischen Regiobahn. © Markus Kayser

München/Schongau – In Deutschland gibt es 53 eingleisige Strecken, auf denen unfreiwillige Begegnungen von Zügen technisch nicht verhindert werden können – zwei davon liegen in Bayern. Das hat nun eine Bundestagsanfrage der Grünen ergeben. Dabei handelt es sich um die Strecken von Griesen (Kreis Garmisch-Partenkirchen) bis Ehrwald in Tirol sowie den Bahnabschnitt der Fuchstalbahn, die von Landsberg bis Schongau führt.

Die Grünen hatten einen Bericht unserer Zeitung von Mitte Juli zum Anlass für die Anfrage genommen. Damals berichteten wir über eine Zwischenanalyse der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) zu einem Beinahe-Unfall auf eben jener Strecke bei Griesen. Am 22. Januar waren dort zwei Regionalbahnen beinahe zusammengestoßen. In dem Zwischenbericht erwähnte die BEU auch, dass es 52 weitere baugleiche veraltete Bahnstrecken in Deutschland gebe. Es gibt hier keinen technischen Folge- und Gegenfahrschutz. Trotz mehrmaliger Anfrage weigern sich die BEU wie auch die DB Netz bis heute, diese Strecken aufzulisten. Gegenüber den Grünen musste sie jetzt zumindest die Strecken in Bayern bekannt machen.

Auf der nun genannten Fuchstalbahn verkehren heute nur Güterzüge des Schongauer Papierwerks UPM. Allerdings gibt es eine sehr rührige Initiative, die die Bahnstrecke auch für den Personenverkehr reaktivieren will. „Wir kämpfen weiter“, sagt das Schongauer Pro-Bahn-Vorstandsmitglied Tyll-Patrick Albrecht. Die Initiative hat erreicht, dass sich die beiden Landkreise Weilheim-Schongau und Landsberg sowie mehrere Gemeinden per Beschluss für die Wiederaufnahme des Personenverkehrs aussprechen. Eine Voraussetzung wäre aber natürlich eine „massive technische Nachrüstung der Strecke“, wie Albrecht sagt. Er verortet das Risiko vor allem im Bahnhofsbereich von Schongau, wo sich Züge begegnen könnten. Auch müsse es eine Kreuzungsmöglichkeit für entgegenkommende Züge geben, beispielsweise bei Kinsau. Weiteres Problem: die vielen Bahnübergänge. Um die Strecke zumindest für die Güterzüge der Papierfabrik passierbar zu halten, werden die Übergänge in zwei Fällen sogar von einem Sicherheitsdienst per Hand mit einem Absperrband gesichert, wenn ein Zug naht. Der Sicherheitsdienst wird vorher informiert und fährt jedes Mal extra zum Übergang – „ein absurder Vorgang“, wie Albrecht findet.

„Technisch ist Deutschland teils noch auf dem Niveau der Kaiserzeit unterwegs“, sagt der Münchner Grünen-Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek zu solchen Missständen. Das CSU-geführte Bundesverkehrsministerium habe die Bahn „jahrelang kaputt gespart“. Die Niederlande oder Dänemark investieren pro Kopf doppelt so viel in die Schiene wie Deutschland.

Unter Bahnkennern gibt es mittlerweile Vermutungen, welche weiteren Strecken die BEU im Visier haben könnte. Darunter sind viele Routen in Ostdeutschland wie Kleinfurra-Wasserthaleben (bei Halle/Erfurt) oder Gerstungen-Heimboldshausen (Teil der Werratalbahn). Außerdem wird die Strecke vom sächsischen Johanngeorgenstadt ins tschechische Potucky (führt weiter nach Karlsbad) genannt. Am 7. Juli dieses Jahres gab es dort ein schweres Bahnunglück mit zwei Toten und neun Verletzten, weil zwei Züge auf der eingleisigen Strecke ineinander rasten. Unsere Zeitung hat nun eine Auskunftsklage gegen die DB Netz angestrengt, um eine Liste von allen technisch veralteten Strecken zu erhalten.

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