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Konzert in München: Spitzbübischer Eros

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Er betört nach wie vor 
          nicht nur die Damenwelt: Eros Ramazzotti. Auf dem Unterarm trägt er den Namen seiner Tochter eintätowiert: Aurora. 
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Er betört nach wie vor nicht nur die Damenwelt: Eros Ramazzotti. Auf dem Unterarm trägt er den Namen seiner Tochter eintätowiert: Aurora. foto: fkn © -

München - Eros Ramazzotti – ist der nicht durch? Grau ist er geworden und bleibt sich auch auf seiner neuen CD musikalisch treu. Nun will er zweimal die Olympiahalle füllen. Es ist ihm zu wünschen: Die Show ist super, und Eros ist kein alter Zausel – er sprüht vor Charme und Energie.

Der Schmusesänger hat einen kratzigen Dreitagebart, als er Küsschen gibt. Aber so soll das auch sein. Eros Ramazzotti ist mit Klischees überladen – die einerseits stimmen und mit denen er andererseits spielt. So schmust er einen musikalisch nieder – doch zugleich ist er ein Spitzbube und ein ehrgeiziger Star, der Widerstände bietet. Nicht nur auf der Bühne, auch dahinter.

Um ihn zu treffen, braucht man Geduld. Der Mann, der über 50 Millionen Platten verkauft und inzwischen graues Haar hat, ist auch eine Diva.

Auf der Tournee zu seiner jüngsten Platte „Ali e radici“ (Flügel und Wurzeln) gastiert er an diesem Abend in der Wiener Stadthalle. Uns soll er vorher empfangen, zum „Meet & Greet“. Doch Eros mag nicht – er habe was an der Stimme, heißt es, der Arzt sei da. Poveretto! Armer Kerl. Beim Soundcheck ist er angespannt, weist knapp Musiker und Techniker an. Drei Songs angespielt, dann ist er wieder weg, verschwunden im Bauch der Stadthalle.

Eros Luciano Walter Ramazzotti Molina – so ist er geboren, vor fast 47 Jahren in Rom. Sein Vater war Malermeister. Der musikverrückte Eros brach eine Buchhalter-Lehre ab, bekam einen Plattenvertrag, gewann 1984 mit „Terra promessa“ das Festival in Sanremo und ist seither ein Superstar – obwohl oder weil er unverdrossen seinem melodiösen, sanften Poprock treu bleibt. Acht seiner elf Studioalben führten die italienische Hitparade an. Auch „Ali e radici“ erfreut mit richtig guten Stücken. Ramazzotti sang mit Größen wie Tina Turner und Joe Cocker, und für heuer ist ein neues spektakuläres Duett geplant – „mit einer schönen Frau“. Der Römer kann sich durchaus etwas einbilden.

Aber live ist das alles wie fortgeblasen. Da erlebt man einen Eros, der nicht eingebildet ist. Der nie Stimmprobleme hatte, nie schlecht drauf war, sondern leidenschaftlich über die Bühne tollt. Eros betört. Und man muss kein Italienisch können, um seine Musik zu mögen. Er ist ein sympathischer Vollprofi, der den Fans das gibt, was sie wollen.

Genauer: den Frauen. Denn die sind in der Überzahl. Die wildesten tragen ein tiefes Dekolleté oder Tiger-Leggins und gehen kräftig in die Knie, als Mister Italien vorne ein Riff auf der E-Gitarre schrubbt. Er ist ja nicht nur Schmachtfigur, sondern auch Rocker. So heizt er gleich mal ein paar Knaller durch – „Terra promessa“, „Adesso tu“, „Se bastasse una canzone“. Bei so viel Hingabe verzeiht man ihm auch, dass er ein Eigenwerbe-Hemd mit „Ali e radici“ anhat – welche Unsitte! Kann er nicht Adriano Celentano tragen? Egal. Jubelstürme von 15 000 Zuhörern. Ach, Eros, se bastasse una canzone a far piovere amore: Wenn ein Lied genügen würde, um es Liebe regnen zu lassen – das tut es doch längst.

„Meine Songs handeln oft von der Liebe“, sagte er kürzlich. „Ein Weg, den ich nie verlassen werde. Aber ich fand es richtig, auch Stücke einzubauen, in denen es um mehr geht.“ So handelt der neue Hit „Parla con me“ von der Unfähigkeit Jugendlicher mitzuteilen, was in ihnen vorgeht – in einer Welt der Dauerkommunikation. „Wir müssen wieder aufrichtiger werden und dazu übergehen, uns von der Technik helfen statt uns von ihr ersticken zu lassen“, sagt Ramazzotti, der an seinen Texten und Arrangements inzwischen selbst mitschreibt.

Er kann auch ernst und reif sein, der Mann, der genauso heißt wie der bittersüße Kräuterlikör. Bittersüß ist er auch im neuen Lied „Controvento“ über eine verlorengegangene Liebe. Doch live nimmt er sich selbst nicht zu ernst. So legt er augenzwinkernd eine verjazzte Version vom zauberhaften „L’aurora“ hin, das er Tochter Aurora widmete, bevor er sich im Sorgerechtsstreit mit Michelle Hunziker verhedderte. Jetzt ist Aurora 13, mit Michelle herrscht Friede, und der Papa, der buchstäblich Eros hat mit dem grauen Haar und der 70er-Jahre-Brille, macht einen auf Jazz. Lehnt am Flügel, schaut versonnen und lässt spüren, dass es ein Spiel ist.

Weniger bewusst dürfte ihm sein, dass seine weite Hip-Hopper-Jeans hinten irgendwann auf Halbmast hängt und da mehr als nur ein Maurerdekolleté zum Vorschein kommt. Eros’ Po – die Damenwelt kichert und genießt.

Es fehlt also an nichts. Die Musiker sind Weltklasse. Das knallbunte Bühnenbild macht Spaß, gerade bei „Quest’ immenso show“, mit dem er Wien in die Nacht entlässt. Plus Zugabe natürlich.

Dann ist es fast soweit. Sony verleiht dem Star hinter der Bühne noch schnell irgendeine edelmetallene Schallplatte für hunderttausende verkaufte Alben. Und er muss duschen. Dann betreten wir sein Geheimzimmer. Süßlicher Duft umfängt uns, flauschiger Teppich, Lavalampen. Und mittendrin Eros, in Outdoor-Weste und grünen Turnschuhen, fit und frisch, als wäre er gerade nicht zweieinhalb Stunden lang über die Bühne gefegt. Da ist er wieder, der Profi, der charmant die Damen abbusselt und sich allürenfrei, kumpelhaft und gar nicht Fußball-Macho-mäßig gibt. Seine Antworten sind spitzbübisch-routiniert.

Der CD-Titel? „Die Wurzeln symbolisieren die Vergangenheit, die ich genutzt habe, um bis hierher zu fliegen.“ Wünsche? „Dass ich gesund bleibe und weiter internationalen Erfolg habe, obwohl ich nicht in den Muttersprachen der Fans singe.“ Wann er – der nicht mal fließend Englisch spricht – ein Lied auf Deutsch schreibe? „Michael Schumacher hat auch nie Italienisch gesprochen. Ich kann immerhin ,Dankeschön‘, ,Guten Tag‘ und ,Auf Wiedersehen‘ sagen.“ Was ihn inspiriere? „Ich bin so geboren, mit diesen Genen. Lieder zu schreiben, zu singen und auf die Bühne zu gehen, liegt mir im Blut – und ich habe es über die Jahre weiterentwickelt.“ Welche Musik er höre? „Von allem etwas. Gerade viel The Doors, weil meine Freundin Rock mag.“ Und dann raunt er seinem Manager zu, dass die Journalisten jetzt bitte verschwinden mögen.

Er hat ja auch Grund, eine Diva zu sein – vier Monate tourt er jetzt. Seit 2006 war er nicht in Deutschland, nun spielt er zweimal in München. Und dürfte auch dort Frauenherzen höher schlagen lassen.

Als Zugabe sang er in Wien übrigens „Più bella cosa non c’è“ – etwas Schöneres gibt es nicht. Und irgendwie stimmt das sogar.

Christine Ulrich

Live in München

Am 25. und 26. März tritt Eros Ramazzotti in der Olympiahalle auf. Im Vorprogramm spielt Yuri da Cunha aus Angola mitreißende Kuduro-Musik. Karten ab 40 Euro unter Telefon 01805/570 000.

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