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Stetig sickern die Schlacken

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Dachau - Es ist ein heikles Thema, das MD-Gelände: Soll es saniert werden? Soll es so liegen bleiben? Darf es so liegen bleiben? Nur einer weiß, was sich in den Untiefen versteckt hält: Dieter Herrmann.

Alle sind heiß gewesen, alle haben es sich angeschaut - und alle sind wieder abgesprungen. So geht es schon seit Jahren mit dem MD-Gelände und seinen Investoren. Dieter Herrmann weiß das. Der Diplom-Geologe hat die Schrannenhalle in München gemacht, die Kammerspiele, und Hanwag in Vierkirchen. Seit 2005 ist er auf dem Gelände der ehemaligen Papierfabrik unterwegs. Dort untersucht er alles, ganz genau. Um zu erfahren: Was genau schlummert darin?

Viel, so viel ist sicher - das hat der 44-Jährige gestern bei einem Pressegespräch klar gemacht. Mineralwolle in den Wänden, Asbest in den Kesseln, Mineralöle, Schwermetalle, Kohlenwasserstoffe, Lösungsmittel im Boden. Für diese Erkenntnis hat Herrmann zusammen mit seinen Kollegen der Axel Christmann Ingenieurtechnik GmbH über 150 Löcher gebohrt, nach einem ausgeklügelten System, bis zu 15 Meter tief in den Boden. Um nun sagen zu können: „Es ist keine tickende Zeitbombe - aber es liegen schon erhebliche Massen an Schadstoffen drin.“

150 Jahre war das Gelände direkt neben der Amper ein Industriestandort - und dafür nicht bestens geeignet. Als Überschwemmungsgebiet. Und so wurde jahrzehntelang das gesamte Gelände aufgefüllt, mal hier, mal dort, mal ein, mal fünf Meter hoch, mit allem, was gerade da war. Schlacken aus dem Kohlekraftwerk zum Beispiel.

Die liegen dort immer noch. Und sickern stetig aus dem Grundstück heraus. Jedes Jahr, jeden Tag, jede Sekunde. In ersten Proben hatte das Grundwasser die Konzentration an Lösungsmitteln überschritten. „Die Belastung im Abstrom ist erheblich“, sagt Herrmann. Das Grundwasser rinnt vom Dachauer Berg herunter, unter dem MD-Gelände hindurch, weiter unter dem Wohngebiet zwischen Amper und Mühlbach hindurch. „Dort würde ich jetzt keinen Gartenbrunnen anlegen“, sagt Herrmann und zuckt mit den Schultern.

Nun wird das Grundwasser beobachtet, seit Jahren schon. An zwölf Punkten wird alle drei Monate kontrolliert. Die Konzentration fällt zwar, seit das Werk geschlossen ist. Aber sie ist immer noch hoch. Jedoch ist ein zweites, wichtiges Kriterium nicht erfüllt: Die Masse der Schadstoffquellen ist nicht hoch genug - und zwar dafür, eine Sanierung erzwingen können. „Die Behörde kann also keine Sanierung verlangen“, erklärt der Diplom-Geologe. Wenn man das Grundstück also genau so lässt, wie es gerade ist, darf man das. „Bis zum Sankt-Nimmerleinstag“, so Herrmann.

Und so liegt es im gewissen Ermessen des Investors, was denn nun genau gemacht werden soll. Ein Investor wollte nur bis zur Bodenplatte wegreißen und dann umnutzen. „Das wäre allerdings suboptimal gewesen“, sagt Herrmann. Er sagt: „Sie können alles mit diesem Grundstück machen - aber Sie müssen es vorher komplett sanieren.“

Nun, genau das will die Dachau Entwicklungsgesellschaft mit dem Dachauer Baulöwen Herbert R. Ullmann auch. Allerdings gibt es unterschiedlich Ansichten, wie das geschehen soll: Die Stadtratspolitiker befürchten, dass nur die besten Stücke saniert und bebaut werden, und der komplizierte Nordteil verwaist bleibt. „Aber wir, die Fachleute, fragen uns: Wie kann man das Grundstück so sanieren, dass es Sinn macht?“ Und darauf gibt es seiner Meinung nach nur eine Antwort: von Süd nach Nord.

Es müssen etwa 300 000 Kubikmeter Boden heraus genommen werden, so lautet die Schätzung Herrmanns. All dieses Material muss auf Haufen aufgeschüttet werden, so ist die Vorschrift. Ein Haufen kann etwa 250 bis 500 Kubikmeter fassen. Das macht, grob geschätzt, etwa 1000 Haufen. Ein Lastwagen fasst etwa 15 Kubikmeter - müsste man den ganzen Schutt vom Nordteil auf den Holzlagerplatz transportieren, wäre das ein kompliziertes Unterfangen, das „Kosten, Aufwand und Zeit multipliziert“. Umgekehrt könne man erst den Holzlagerplatz sanieren, um dann genug Platz zu haben, um das gesamte Fabrikgelände „scheibchenweise“ auszuheben. Bis zur Grundwassersohle. So ist der Plan. Herrmanns Fazit: „Sie finden keinen Investor, der das so macht, wie die Stadt es machen will.“

Eine Sache macht der Fachmann aber deutlich: Die Sanierung des MD-Geländes geht, rein fachlich gesehen, auch ganz ohne das Sportplatzgelände. Denn für die Lagerung der Haufen vom MD-Gelände ist der Sportplatz zu weit weg - die müssen auf dem jeweiligen Grundstück direkt liegen bleiben. „Trotzdem: Auch auf dem Sportplatzgelände liegen Altlasten vergraben“, betont Herrmann. Gerüchteweise sogar eine ganze Papiermaschine. Herrmann zuckt wieder mit den Schultern. „Ich stell mir ein Landschaftsschutzgebiet einfach nicht so vor, dass da Schlacken darunter liegen - und zwar zwei bis vier Meter runter. Bis ins Grundwasser.“ Würde der Sportplatz also nicht saniert werden, müsste das gesamte Gelände weiter eingezäunt bleiben.

So bleibt die Frage, ob sich das ganze Projekt ohne Sportplatz für den Investor finanziell überhaupt lohnt. Doch das entscheidet kein Diplom-Geologe.

Nina Praun

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