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Sommerinterview mit Adrian Best: „Kommunalpolitik geht über Parteigrenzen“

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Fühlt sich im Stadtrat eingebunden: Adrian Best erlebt die auf Bundesebene vielfach praktizierte Ablehnung gegenüber seiner Partei im kommunalpolitischen Alltag nicht, sagt er im Tagblatt-Interview.
Fühlt sich im Stadtrat eingebunden: Adrian Best erlebt die auf Bundesebene vielfach praktizierte Ablehnung gegenüber seiner Partei im kommunalpolitischen Alltag nicht, sagt er im Tagblatt-Interview. © Weber

Mit Adrian Best (23) sitzt erstmals ein Vertreter der Linken im Stadtrat. Und nur ein Zuhörer zu sein, reicht ihm nicht.

Fürstenfeldbruck – Im Sommerinterview spricht er über seine ersten Erlebnisse in der Kommunalpolitik, seine Ziele und seine Erfahrungen als Linksliberaler.

Herr Best, vor eineinhalb Jahren wurden Sie mitten in der ersten Corona-Welle in den Stadtrat gewählt. War es ein schwieriger Start?

Es war in Ordnung. Ich wurde von den Kollegen gut aufgenommen. Es war ungewöhnlich, dass die Sitzung nicht im Rathaus war. Aber für mich war sowieso alles neu, da fiel das kleine Corona nicht so auf.

Wie haben Sie die ersten Sitzungen empfunden?

Ich fand es spannend, dabei zu sein und mitzuerleben, wie unsere Stadtgeschichte wirklich läuft. Aber man erfährt auch relativ schnell, dass man als Einzelkämpfer nicht so viele Möglichkeiten hat. Ich habe es mir langweiliger vorgestellt – dass man einfach dabeisitzt und alleine gar nichts machen kann. Aber ich kann aktiv werden, auch durch das Amt des Sozialreferenten.

Sind sie angekommen?

Auf jeden Fall. Ich wurde nicht herablassend als Neuer behandelt, der sowieso nichts kann. Ich wurde sofort eingebunden, habe auch viel Hilfe angeboten bekommen. Direkt nach der Wahl wurde ich gleich angerufen, das hätte ich so nicht erwartet. Natürlich mit dem einen oder anderen Hintergedanken. Aber trotzdem ist die Bereitschaft, dass man neue Leute mit einbindet, schön.

Welche Hintergedanken meinen Sie?

Ich denke an die erste Sitzung und die Koalition von CSU und Grünen. Im ersten Anruf bekommt man Hilfe angeboten. Beim nächsten Anruf heißt es, wir hätten einen Kandidaten, der wäre ganz gut als Bürgermeisterstellvertreter. Es hat mich schon überrascht, wie schnell das dann geht. Es war in der ersten Sitzung gleich ein Vorgeschmack, wie es laufen könnte.

Haben Sie sich die politische Arbeit so vorgestellt?

Mit Axel Lämmle haben wir jemanden, der sehr viel Stadtratserfahrung hat. Er hat mich vorgewarnt und mir gesagt, es ist sehr viel Arbeit und man muss viel Energie reinstecken. Es ist wirklich viel Arbeit, aber es macht mir viel Spaß.

Sie haben sich als Einzelkämpfer einen Partner gesucht und bilden mit Florian Weber von der Partei „die Partei“ eine Ausschussgemeinschaft. Eine ungewöhnliche Kombination.

Das würde ich nicht sagen, weil die „Partei“ auch linke Positionen hat. Sie versucht, Themen eher auf satirische Weise anzugreifen. Manchmal wäre ein bisschen Ernsthaftigkeit schon gut. Aber es kommt auf die Inhalte an, und da haben wir sehr große Schnittmengen. Natürlich sind wir manchmal auseinander, aber das gehört zu einer Koalition dazu. Man profitiert, weil man in Ausschüssen sitzt. Und ich habe mittlerweile gelernt, dass es auf kommunaler Ebene viel mehr über die Parteigrenzen hinaus geht, was mir sehr liegt. Man kommt zwar aus verschiedenen Ressorts und hat unterschiedliche Ideen und Hintergründe, aber wenn es um die Kommunalpolitik geht, dann rückt man zusammen.

Müssen Sie manchmal versuchen, nicht ins Satirische abzugleiten?

Ich bin eher der, er versucht, das Ganze sachlich rüberzubringen. Ich mag Satire und finde das in der Politik manchmal auch sinnvoll. Aber gerade wenn wichtige Themen anstehen, finde ich es gut, wenn man ernsthaft bleibt und es nicht noch einmal ins Lustige zieht.

Die ganze Gesellschaft leidet unter Corona. Wie nehmen Sie als Sozialreferent die Stimmung in der Stadt wahr?

Bei den Glückwunschbesuchen bekommt man ein recht gutes Bild, wenn auch eher bei Menschen gehobenen Alters. Ich habe manchmal das Gefühl, den Menschen tun zwei Minuten Gespräch gut, ihnen geht richtig das Herz auf. Im Nachhinein ist es traurig, wenn man merkt, die haben sonst niemanden. Mit meinem Referenten-Kollegen Peter Glockzin stelle ich aber fest, dass es schlimmer sein könnte. Man hatte in der Pandemie befürchtet, dass viele Menschen vereinsamen. Diesen Eindruck habe ich nicht. Die Menschen finden Mittel und Wege, sich online zu treffen oder mal zu telefonieren. Und mittlerweile kann man sich auch wieder real treffen. Es ist schön, zu sehen, dass diese Erwartung nicht so stark eingetreten ist.

Es ist ein großer Ruck durch die Stadtgemeinschaft gegangen, wenn man etwa an die Corona-Nachbarschaftshilfe denkt.

Ich hatte nicht erwartet, dass Corona meine Stadtratslaufbahn am Anfang so beeinträchtigt und wir eineinhalb Jahre danach noch mittendrin sind. In so einer Zeit zeigen sich Organisationen wie die Corona-Nachbarschaftshilfe. Sie haben nicht umsonst Auszeichnungen bekommen, weil es eine grandiose Arbeit ist. Hut ab.

Was wollen Sie für die Bürger tun in nächster Zeit?

Wir müssen schauen, dass wieder Normalität zurückkehrt. Durch die Regelungen sind kulturelle Angebote wieder möglich. Die Vereine versuchen, wieder in die Öffentlichkeit zu treten. Das ist ein großer Schritt. Was ich als Stadtrat und Sozialreferent machen kann, ist, meinen Job weiter so auszuführen, wie ich kann: möglichst viele Leute besuchen, ihnen zeigen, dass wir da sind und aufmerksam sein. Wir haben letztes Jahr versucht, die Geschäfte zu entlasten. Das hat nicht so gut funktioniert, weil es anscheinend nicht den Bedarf gab.

Inwiefern?

Im ersten Lockdown mussten gerade kleinere Geschäfte aufgrund der Kontakt- und Quadratmeterbeschränkungen, die jetzt zum Glück fallengelassen wurden, vorübergehend schließen. Sie hatten dadurch höhere Betriebsausfälle. Wir haben uns als Linke gedacht, die Stadt könnte den Betrieben eine Monatsmiete erlassen, um sie über den Monat zu retten, bis die staatlichen Hilfen ankommen. In vielen konstruktiven Gesprächen mit der Verwaltung habe ich erfahren, dass der Bedarf gar nicht da ist. Das hat mich überrascht, weil ich schon den Eindruck hatte, die Innenstadt ist komplett leer. Wir sind im Nachhinein draufgekommen, dass man mit dem Stadtgutschein helfen könnte. Es ist nicht das, was wir uns erhofft haben. Aber es ist eine Hilfe für die Läden und ein schöner Anreiz, in Bruck zu kaufen.

Sie studieren Sozialpädagogik und befassen sich sicher mit den Auswirkungen der Pandemie. Ist es eine verlorene Zeit für die Menschen und die Stadt?

Es betrifft mich selbst auch. Ich habe die Uni seit eineinhalb Jahren nicht mehr von innen gesehen. Man sitzt den ganzen Tag nur noch vor dem Computer, hat nicht mehr das Gesprächsaufkommen, das man gerade im sozialen Studium braucht. Daher würde ich schon sagen, es ist eine verlorene Zeit. Gerade für Menschen, die sich sozial engagieren und ein bisschen rauskommen möchten. Das wird sehr schwer aufzuholen sein. Junge Menschen, die gerade ihren Abschluss gemacht haben und ein Soziales Jahr machen oder ins Ausland gehen wollten, können das nicht auskosten. Das ist wahnsinnig schade. Es wird spannend, zu sehen, ob man wieder in die gewohnte Normalität findet, oder ob es ein Leben mit Corona-Maßnahmen, mit Maske und Kontaktbeschränkungen wird – was ich nicht hoffe.

Gibt es Projekte, die Sie gerne angehen würden?

Mir war von Anfang an wichtig, dass die Bürger wissen, wen sie wählen. Daher dachte ich, dass man eine große Tafel quer durch die Stadt aufbauen könnte, wie es in Italien bei Festen üblich ist. Dort könnte sich der Stadtrat öffentlich zeigen und bei einer gemütlichen Runde beisammen sein und mit den Bürgern ratschen. Nicht wie bei einer Bürgersprechstunde der Partei. Im Laufe der letzten eineinhalb Jahre konnten wir einiges im sozialen Bereich tun, seien es Coronahilfen oder Förderprogramme. Ich mache mir viele Gedanken und muss schauen, was möglich ist.

Ein großes Streitthema ist der Fliegerhorst und die interkommunale Zusammenarbeit. Wie sehen Sie den Konflikt als jemand, der von außen völlig unbedarft reingerutscht ist?

Es ist komisch, wenn man von außen dazukommt und vom Zweckverband und den Diskussionen hört. Wir haben eine eigene Stabstelle, wir bekommen immer wieder Projekte vorgestellt, die man angehen müsste – vor Kurzem etwa das Thema Kanalisation. Und dann hört man aus den anderen Kommunen, wir hätten sie nicht eingebunden. Immer nur den schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen, ist schade. Da fragt man sich, wann hörte ich von euch was Positives? So hat sich ein negatives Bild eingeschlichen. Denn dass wir sie nicht einbinden, das stimmt nicht. Das weiß ich jetzt schon.

Also bräuchte man ein Treffen der Gemeinderäte?

Zum Beispiel. Oder auf Verwaltungsebene. Es funktioniert nicht ohne Zusammenarbeit. Aber wenn man immer nur von Stadtrat zu Stadtrat spricht, ist es nur die halbe Wahrheit. Ich hätte gehofft, dass man die anderen Gemeinderäte auch mal trifft oder sie bei einer Stadtratssitzung als Zuhörer sieht. Es wäre schön, sie kennenzulernen, ins Gespräch zu kommen, zu erfahren, woher ihre negative Einstellung kommt. Es ist so ein großes Projekt.

Die Finanzen sind coronabedingt begrenzt. Wenn ein Investor ein Projekt umsetzen würde, was würden Sie realisieren?

Da fällt mir ad hoc die Eishalle ein, weil die Stadt dafür kein Geld hat. Das wäre ein Prestigeprojekt, das Fürstenfeldbruck wirklich voranbringen könnte. Man würde den Brucker Bürgern was zurückgeben, speziell dem Eishockeyverein und den Eislaufenden. Man muss Finanzierungsmöglichkeiten finden. Aber natürlich sind auch Wohnungsbauprojekte für die Stadt immer wichtig.

Der Wohnungsbau ist ein Steckenpferd der Linken. Es gibt eine Landkreiswohnungsbaugesellschaft. Reicht das?

Das ist ein schwieriges Thema. Zum einen hat man vor meiner Zeit viele Flächen verkauft und nur noch wenige Flächen übrig. Bauen wird immer teurer. Meist werden Wohnbauprojekte aus der Hand gegeben. Aber man muss in die Zukunft schauen. Der Sulzbogen ist ein perfektes Beispiel. Man hat gesagt, es geht schnell und die Stadt hat das Geld nicht. Man darf aber nicht vergessen, dass die Stadt das Geld durch die Miete wieder rein bekommt. Das ist kein Verlustgeschäft und man hätte die volle Kontrolle gehabt. Nun muss man lange darauf warten. Natürlich ist es besser, Wohnungen zu haben, als dass die Fläche brach liegt. Aus meiner Sicht muss in dem Bereich viel passieren. Fürstenfeldbruck ist eine wachsende Stadt, wir haben großen Bedarf an Wohnungen. Städtischer und genossenschaftlicher Wohnungsbau, wie er auf der Lände geplant ist, ist die Zukunft.

2023 stehen OB-Wahlen an. Will die Linke einen eigenen Kandidaten stellen? Oder unterstützt man einen anderen Kandidaten?

Da muss man realistisch sein. Wir haben einen Sitz im Stadtrat. Für einen Bürgermeister reicht das noch nicht. Natürlich unterstützen wir jemanden. Wir als Linke haben schon Tendenzen, müssen aber schauen, wer für Bruck der beste Kandidat ist und Heimat mitbringt. Er muss etwa für die Brucker tun wollen und das Amt nicht nur als Karrieresprungbrett für nächsthöhere Ziele sehen. Und der Kandidat muss auch unsere Werte mit vertreten.

Erst mal steht der Bundestagswahlkampf an. Wie beurteilen Sie die Diskussion um eine mögliche Koalition mit der Linken?

Ich bin wirklich gespannt, wie es laufen wird. Die ablehnende Haltung verstehe ich nicht. Die Linke ist so weit von der SED entfernt und hat Ideen für die Zukunft. Ich finde es schwach, dass man sagt, die Kommunisten kommen. Die Partei hat eine Entwicklung durchgemacht. Das ist eher das Schreckgespenst, das man an die Wand malt. Das ist Angst vor Neuerungen und Machtverlust.

Die Vorurteile erleben Sie in der Lokalpolitik nicht?

Nein. Das hat mich auf meiner bisherigen politischen Bahn noch nie betroffen. Jeder sagt, du bist zwar bei der Linken, aber es geht um dich und deine Werte. Das ist wirklich positiv.

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