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Nur Fotos und Porzellan sind übrig vom Gautinger Grandhotel

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Treffen zweier Sammler: Hermann Geiger (r.) mit seinem Porzellan und Georg Hartl mit Fotografien vom einstigen Bahnhofhotel in Gauting.
Treffen zweier Sammler: Hermann Geiger (r.) mit seinem Porzellan und Georg Hartl mit Fotografien vom einstigen Bahnhofhotel in Gauting. © Andrea Jaksch

Mit dem Versiegen der Gautinger Schwefelquelle ging es mit dem Bahnhofhotel bergab. Eine Erinnerung.

Gauting „Ich vergebe keine Autogrammkarten“, scherzt der Unterbrunner Hermann Geiger beim Fototermin im Gautinger Friseursalon Hartl. Ein älterer Kunde hat den Heimatforscher vor einigen Tagen in der TV-Sendung „Wir in Bayern“ entdeckt: Geiger hatte original Hochzeitsgeschirr aus dem Gautinger Bahnhofhotel aus der Zeit um 1900 ersteigert – und darüber in der Fernsehsendung erzählt.

Mit historischen Fotos aus dem alten Gauting sind die Wände des Friseursalons gepflastert: Mit Besitzerstolz hält Friseur Georg Hartl (79) das Hochzeitsfoto der Großeltern seiner verstorbenen Frau in die Kamera. Die Schwarz-Weiß-Aufnahme von 1920 passt zum jüngsten Coup von Hermann Geiger. Im Internet hatte der leidenschaftliche Sammler und Gründer des Unterbruner Heimatmuseums von einer Starnbergerin das Original-Geschirr vom Bahnhofhotel ersteigert. Auf den weißen Porzellantellern ist ein kleines Bild zu erkennen. Es zeigt die ursprüngliche Ansicht des längst verschwundenen Hotels beim Gautinger Bahnhof.

„Lange existierte das Hotel ja nicht“

Der 1893 aus München zugezogene Geschäftsmann Georg Hiltl (1858-1910), Gründer der Gautinger Villenkolonie, hatte das herrschaftliche Hotel mit Kursaal 1898 erbauen lassen. Denn laut Ortschronist Karl Mayr spekulierte Hiltl damals auf Kurgäste aus dem Gautinger Schwefelbad (heute Caritas-Mädchenheim an der Starnberger Straße). In der Glanzzeit des Hotels arbeitete die Großmutter seiner Frau dort als Köchin, erzählt Friseur Hartl: Ihr Verlobter Josef Fastl war wiederum Gärtner im Bahnhofhotel. Deshalb feierten die beiden dort auch ihre Hochzeit: Am 27. November 1920 hat Pfarrer Balthasar Vitzthum das junge Paar getraut, ist auf der Fotorückseite vermerkt. Eines der fünf Kinder des Ehepaars Fastl war Hartls Schwiegermutter Emma Jardin. Die Gautingerin war Gründerin des Behindertenvereins „Unser Club“.

„Lange existierte das Hotel ja nicht“, sagt Sammler Geiger. Er geht deshalb davon aus, dass die ersteigerten Teller aus den Gründerjahren um 1898 stammen. Denn als die Gautinger Schwefelquelle um 1905 versiegte, hatte das nachhaltige Auswirkungen auf die Entwicklung der Gemeinde zum Kurort. Laut Ortschronist Karl Mayr musste das Bahnhofhotel schon 1922 schließen. Zwei Jahre später kaufte die Austria Tabakwaren GmbH die Immobilie als Fabrikgebäude. „Da haben mehr als 300 Frauen gearbeitet“, erzählt Hartl – und nimmt ein weiteres Foto von der Wand. Arbeiterinnen mit weißen Kopftüchern sind darauf abgebildet.

Außer Porzellan und Fotos ist heute nichts mehr übrig vom Bahnhofhotel. Nach Kriegsende wurde das Fabrikgebäude auf Betreiben von Bürgermeister Josef Dosch (1898-1956) als Volksschule genutzt. Inzwischen hat die Gemeinde das Anwesen verkauft. Die letzten Steine des historischen Bahnhofhotels wurden im Sommer 2017 abgetragen. Auf dem Gelände baut, wie berichtet, die Erlanger Investorengruppe Sontowski & Partner drei Wohn-und Geschäftskomplexe mit einem Verbraucher- und einem Drogereimarkt.

CHRISTINE CLESS-WESLE

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