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„Frostschaden? 100-prozentig nicht!“

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Das fehlende Geschlechtsteil der Säule „Martina“ sorgte für Aufsehen. „Selbstberufene Sachverständige“
Das fehlende Geschlechtsteil der Säule „Martina“ sorgte für Aufsehen. „Selbstberufene Sachverständige“ © stoa 169 stiftung/archiv

Der Penisbruch als vermeintliche Frostfolge: Mehrere Leserbriefe und Kommentare äußerten diese Vermutung zum Schadensfall an der Säule der „Martina“, die zur „Stoa 169“ in Polling gehört. Bernd Zimmer, der Initiator der Säulenhalle, widerspricht dieser These vehement.

Polling – Kein Quentchen Zweifel besteht für Zimmer hinsichtlich des Grunds der fehlenden „Applikation“ an der Säule „Geliebte Martina“ von Carlos Motta: „Da muss sich jemand drangehängt haben“, ist der Kurator sicher.

Die deutlichen Risse, welche an der Säule zu sehen sind, kennt Zimmer natürlich. Auch diese aber hätten nichts mit Frost zu tun. „Es sind Schwundrisse, die bei der neuen Technik des 3D-Betondrucks offenbar noch nicht ganz vermeidbar sind.“ Konkret befinde sich im Baustoff ein Bindemittel, das sich gerade innerhalb von großen Materialmengen zusammenziehe.

„Und die Applikation hatte ja eben kein großes Materialvolumen, und somit auch keine Risse“, ist Zimmer sicher. Zweitens habe es in der Nacht vor der Beschädigung gar keinen Frost gegeben. Drittens sei das Verlorengehen des Geschlechtsteils eindeutig während einer Führung passiert. „Zuvor hatte ein Mitarbeiter noch in der Stoa sauber gemacht, da war es noch dran.“

Keinerlei Aufprallspuren am Tatort erkennbar

Die stärksten Argumente für einen Vandalismus-Schaden liefert Zimmer die Auffind-Situation, nachdem der Schaden entdeckt worden war. „Wenn so ein Teil von rund 1,70 Metern Höhe auf harten Betonboden heruntergefallen wäre, müsste es einen Aufprall gegeben haben, dessen Spuren man sehen könnte.“ Tatsächlich aber sei das männliche Teil der Her-maphrodite, des Zwitterwesens, säuberlich unten abgelegt gewesen – ohne Aufprallspuren.

Den Reigen der Belege krönt, dass das Sexualmerkmal mit einem extra starken Betonkern mit dem Körper der Figur verbunden gewesen war. „Um diese Befestigung kaputt zu bekommen, da muss sich jemand mit 40 bis 50 Kilo Gewicht drangehängt haben.“

Streng genommen könne man von einem Totalschaden an der 900 Kilogramm schweren Figur sprechen, meint Zimmer verärgert – schließlich seien die Säulen ja nicht wieder austauschbar, seit das Dach aufgesetzt wurde. Dennoch will er die „Beloved Martina“ noch nicht verloren geben. Das hervorstehende Teil werde gerade beim Pollinger Steinspezialisten Lindner hinsichtlich einer möglichen Reparatur überprüft. Zimmer überlegt eine doppelt sichere Neu-Befestigung des ein Pfund schweren Teils durch Betonkleber nebst Edelstahlverstärkung. „Aber heikel wird das auf jeden Fall, denn wir haben nur einen Versuch.“

„Hätte mir gewünscht, dass der Verursacher sich meldet“

Er hätte sich gewünscht, dass die Person, welche den Schaden aus Jux oder Absicht anrichtete, sich gemeldet und entschuldigt hätte. „Dann hätten wir diskutieren können, wie wir das regeln können.“ Denn selbstverständlich würde Zimmer nicht den Gesamtpreis der Säule ansetzen, sondern nur die Kosten für die hoffentlich gelingende Reparatur. „Und für so was hat doch praktisch Jeder eine Haftpflichtversicherung“, meint der Künstler in stiller Hoffnung darauf, dass sich doch noch jemand zur Entmannung der zwiegeschlechtlichen Säule bekennt. Parallel prüfe er die Aufzeichnungen der Überwachungskamera, welche die außen stehende „Martina“ jedoch nur unzureichend im Blick hatte.

Bernd Zimmers Frau Nina kritisiert ein teilweise ungezügeltes Besucherverhalten. Einige wenige Eltern würden ihren Nachwuchs nicht darauf hinweisen, dass die Säulen keine Turngeräte seien. Man dürfe und solle sich der Kunst nähern, jedoch nicht so, dass etwas abzubrechen droht.

Zimmer ärgern Leute, die „dreieinhalb noch fehlende Säulen“ kritisieren

Bernd Zimmer ärgern einzelne erwachsenen Besucher, welche in der „Stoa“ stets nur auf der Suche nach Fehlern seien – entweder kritisierten sie die „dreieinhalb noch fehlenden Säulen“ oder jetzt eben die Risse. Jedoch stehe fest: „Ein Frostschaden war es hundertprozentig nicht.“

Zimmer ist überzeugt, dass die Säulenhalle im wesentlichen wetterfest ist. Lediglich die Stürme der letzten Zeit hätten eine Säule in Mitleidenschaft gezogen. „Bei Sturm entwickeln sich offenbar recht starke Wirbel“, meint Zimmer.

Auf den Wirbel um die beschädigte „Martina“ hingegen hätte er gerne verzichtet. „Jetzt werden wir mit den Theorien von selbstberufenen Sachverständigen konfrontiert, wodurch wir dann so dastehen, als würden wir etwas Unwahres behaupten“, sagt der Kurator für sich, seine Frau und die Kunststiftung. Zimmer wünscht sich: „Man sollte die Aufmerksamkeit weniger auf einzelne Risse richten, sondern mehr darauf, dass alle Besucher der Kunst mit dem gleichen Respekt begegnen wie bei einer Ausstellung in einem geschlossenen Raum.“

Die „Gender-Säule“, wie Nina Zimmer sie nennt, bekommt nun jedenfalls ungekannte Aufmerksamkeit: „Sie steht ja ganz im Osten an der Außenkante, und kurz nachdem der Schaden bekannt wurde, war da die Hölle los. Vor ihr war schon alles schlammig getreten, weil alle Leute sie angeschaut haben.“ Von Andreas Bretting

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