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Unsolides „Durchwursteln“: Baerbock zerreißt Unions-Programm - Auch Ökonom äußert Sorge

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Grünen-Chefin Annalena Baerbock reagierte am Montag auf das Unions-Wahlprogramm.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock reagierte am Montag in einer Pressekonferenz auf das Unions-Wahlprogramm. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Nun ist es da, das Wahlprogramm von CDU und CSU. An Kritik mangelt es nicht: Die Grünen gehen in die Offensive - aber auch mehrere Wirtschaftsexperten warnen.

Berlin - CDU und CSU haben als letzte der großen Bundestagsparteien ihr Wahlprogramm vorgestellt. Bei den Schwesterparteien war die Zufriedenheit umfassend: Von einem „großen Werk“ sprach etwa CSU-General Markus Blume. Unterdessen hagelt es aber auch harsche Kritik - und zwar nicht nur vonseiten der Konkurrenz, sondern auch von Sozialverbänden und sogar Ökonomen.

Grüne reagieren auf Unions-Programm: Baerbock rügt es als „unsolide“ - und attestiert Willen zum „Durchwursteln“

In die Offensive gingen erwartungsgemäß die Grünen: Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock* attestierte den Konservativen wenige Minuten nach deren Pressekonferenz den Willen zu einem „Durchwursteln wie bisher“. Sie äußerte Zweifel an der Finanzierbarkeit der Pläne: „Mich überrascht ehrlich gesagt schon ein bisschen, dass die Union für ein Wahlprogramm entschieden hat, dass sehr unsolide aufgeschrieben ist“, stichelte sie.

„Nimmt man das Programm der Union ernst, dann würde es bedeuten, dass es zu einem massiven Rückgang der öffentlichen Investitionen in Deutschland kommt“, warnte sie mit Blick auf geplante Steuererleichterungen und die Corona-Schulden. Baerbock rügte den Entwurf zudem als „de facto unsozial“: „Sicherheit im Wandel bedeutet, dass Sicherheit nicht nur Spitzenverdienern gegeben werden muss, sondern allen Menschen in diesem Land“, fügte sie hinzu. Die Union verweist in ihrem Programm auf einen „Epochenwechsel“. Die Wendung der „Sicherheit im Wandel“ hatte Kanzleranwärter Laschet* selbst bei der Programmvorstellung verwendet.

CDU und CSU stellen Wahlprogramm vor: Ökonom warnt vor „Umverteilung nach oben“ - und nennt Kostenpunkt

Ein ähnliches Urteil fällte pikanterweise mit dem Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, auch ein bekannter Ökonom. „Meine Sorge: Das CDU-Wahlprogramm wird einen weiteren Rückgang öffentlicher Investitionen in
Infrastruktur, Bildung & Klimaschutz erzwingen, um Steuersenkungen zu finanzieren“, twitterte er. Fratzscher nannte einen Kostenpunkt von 50 Milliarden Euro jährlich alleine für eine „Entlastung der Spitzenverdiener und Unternehmen“ und warnte vor Umverteilung „von unten nach oben“. Positiv hob er hingegen die Ideen einer Generationenrente und des „Familiensplittings“ hervor.

„Es gibt keine Hinweise, wie die Tilgung der Corona-Schulden getätigt werden soll“, sagte auch der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, den Funke-Zeitungen. „Das ist enttäuschend, denn die sicher über 100 Milliarden Euro finanzstarken Versprechen bleiben so unrealistisch“, sagte er. „Sozialpolitisch zeigt das Papier bemerkenswerte Leerstellen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Unions-Wahlprogramm in der Kritik: SPD attestiert Laschet „soziale Kälte“ - erstes Lenken Richtung Schwarz-Grün erkennbar?

Kritik gab es am Montag auch vom GroKo-Partner SPD. „Steuergeschenke für Spitzeneinkommen, kein Konzept für Wirtschaft, Arbeit und soziale Sicherheit: Das Programm der Laschet-CDU hat einen neuen Titel verdient“, twitterte Arbeitsminister Hubertus Heil: „Zurück ohne Zukunft.“ Generalsekretär Lars Klingbeil warf Laschet eine neue „soziale Kälte“ vor: „Das, was die Union vorlegt, ist ein Programm, bei dem auf den Vorstandsetagen die Sektkorken knallen“, sagt er Sendern RTL und n-tv.

Für Pflegerinnen oder Erzieher biete der Entwurf nichts. Wie unterschiedlich Arme und Reiche bei den Steuerplänen der Parteien profitieren, hat kreiszeitung.de ermittelt. „Das ist nicht mehr die Union von Angela Merkel, das ist eine soziale Kälte, die mit Armin Laschet einzieht, und das ist ein Programm, das dieses Land polarisieren wird.“

Wahlprogramme der Parteien: Steuert die Union auf die Grünen zu?

Die FDP steuert unterdessen offenbar schon in Richtung einer Koalition* mit CDU* und CSU*. Entsprechend fiel auch die Kritik der Liberalen etwas anders aus - nämlich in die Vergangenheit gerichtet. „Armin Laschet fordert ein ‚Modernisierungsjahrzehnt‘ für Deutschland. Nach einem ‚Stillstandsjahrzehnt‘ unter CDU-geführten Regierungen...“, schrieb er auf Twitter. Die FDP hat Deutschland in ihrem Wahlprogramm zum „Sanierungsfall“ erklärt.

Einige Beobachter attestierten der Union bereits ein Zusteuern auf die Grünen. Welt-Journalist Robin Alexander etwa verwies in einem Tweet auf einen Passus des Programms, demzufolge Hartz-IV-Empfänger nicht mehr aus großen Wohnungen ausziehen sollen müssen. „Das Schöne an Unionswahlprogrammen ist, dass oft schon diskret eingewebt wird, wo man dem künftigen Koalitionspartner nachgeben möchte.“ Entsprechende Deutungen ließen auch Äußerungen von CSU-Chef Markus Söder* bei der Pressekonferenz zu - die Grünen hätten viele Ideen, aber keine Regierungserfahrung, erklärte er. (fn mit Material von dpa) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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