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I hab jetzt einen Traum gehabt

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Zu Karl Valentins 125. Geburtstag: - Anlässlich seines 125. Geburtstags am 4. Juni hat der genialste Komiker und Philosoph des deutschsprachigen Raums unserer Zeitung ein Interview gewährt. Karl Valentin ließ sich erweichen, obwohl er eigentlich erst zu seinem hundertneunundvierzigvierviertelten Geburtstag zu einem Gespräch bereitstehen wollte.

Hallo, Herr Valentin, wir wollten uns doch unterhalten.

Ah, i hab jetzt einen Traum gehabt, einen ganz exotischen Traum. Mir hat nämlich geträumt, ich bin eine Ente gewesen und bin im Bach rumg‘schwommen ... Und wie ich da so rumschwimm, seh ich schon am Ufer draussen einen ganz langen Wurm, einen gelben, ... ich hab mich schon g‘freud drauf, aber grad wie ich den Schnabel aufreiss und den Wurm schnappen will, im selben Moment musst Du (gerufen) hab‘n.

Na ja, ob das ein schöner Traum ist ...

Für eine Ente schon - für eine Ente war das sogar ein wunderbarer Traum. Für eine Ente ist dös genau so, was für Dich ein Schweinsbraten ist.

Sie sprechen aus dem Jenseits. Wie ist es da so?

Hier besteht keine Altersgrenze, sondern Ewigkeit. Also in Ewigkeit nur im Jenseits herumfliegen und als einzige Beschäftigung, ..., nur Hosianna singen, das kann die ersten acht Tage ganz unterhaltlich sein, aber, man denke sich das ewig - das muss unbedingt langweilig werden.

Wir feiern Ihren Geburtstag. Erinnern Sie sich noch an Ihre Jugend? Sie waren ein Lausbub, der Schrecken von der Au.

"Hütet euch vor den Gezeichneten", lautet ein alter Volksspruch. In der Au hätte es heißen müssen: "Nehmt euch in Acht vor dem Fey Valentin, der euch für ewig zeichnen will." Ungefähr dreißig Buben mussten daran glauben. Ein Möbelpacker hat es mir gelernt. Er war Matrose. Das richtige Tätowieren wird mit drei zusammengebundenen Silbernadeln und vollständig giftfreier Tusche ausgeführt. Ich nahm drei ganz gewöhnliche Nähnadeln...

Die Schule hassten Sie, aber die Musik liebten Sie.

Darum trachtete ich nach einer echten Messingtrompete; mit diesem Wunsch hätte ich meine Mutter bald irrsinnig gemacht. "Muatta, Muatta, jetzt hat mi die Frau (auf der Auer Dult) die Trompetn probieren lassen; i hab glei a Lied drauf blasn; a fein geht‘s, gib mir halt drei Mark, bittschön, ..." "Nee", sagte die Mutter, "nur geene Drombede, das däde en scheen Verdruss in dr gansn Nachbarschafd gähm mit dem Geblase."

Ihre Mutter stammte aus Sachsen, Ihr Vater aus Darmstadt. Aber Sie waren ein richtiger Auer Stenz, ein Münchner Gigerl. Können sie unseren Lesern von heute erklären, was man sich darunter vorzustellen hat?

Damals war das Gigerltum große Mode. "Gigerl sein, Das ist fein, Gigerl kann nicht jeder sein!" sang die ganze Welt und trug weite Hosen, spitze Schuhe, kurzes Sakko, Knopfstiefel, hohe Eckkragen, dicken Stock, steifen Hut mich flacher Krempe, Zickzackfrisur... Pickfein schlichen wir Auer alle Sonntage zur Tanzmusi zum "Stadtwirt", zum Linksumadrahn und zum "Frassähs".

Und Ihr Verhältnis zu den Frauen?

Ich bin ein Mensch, der allen Liebesklamauk, wie Eifersucht, bocken, Liebesschwüre u.s.w... nicht verträgt, weder bei der Frau, noch bei der der Freundin.

Ohne Liesl Karlstadt wären Sie nie so ein Genie geworden. Aber sie wurde sehr krank...

(Sie hat gesagt), ich habe solche kolossale Schmerzen und Angstzustände, die ich nicht mehr ertragen kann...

Als sie sich von Ihnen trennte, wurden Sie aber schon recht deutlich.

(Ich schrieb ihr:) Dir muss eines klar sein, wenn Du auch schon hie u da allein Theater gespielt hast, oder Film. Die richtige Lisl Karlstadt bist Du nur an meiner Seite. - Ich bin gerne auch der Valentin ohne Dir, aber der richtige Valentin bin ich nur zu zweit und zwar nur mit Dir - Daher Valentin - Karlstadt. ... In Zukunft heißt es. Wir zusammen, oder gar nicht. Wenn Dir aber die Nase höher steht, dann kannst Du auch allein filmen...

Apropos Kino - Film war Ihnen ausgesprochen wichtig.

Die Münchner haben es wahrscheinlich längst vergessen, dass ich in ihren Mauern der erste Filmunternehmer Bayerns war. Denn das erste Filmatelier mit künstlichem Licht habe ich schon 1912 in München eingerichtet. Mein erster Stummfilm hieß "Valentins Hochzeit". Darin ging es schon ziemlich wild zu. (Allerdings) Filme ansehen ist wirklich angenehmer, als Filme fabrizieren.

Da bekamen Sie auch Schwierigkeiten mit den Nazis.

Leider sind meine letzten Tonfilme "Musik zu Zweien", "Bittsteller", "Die Erbschaft" und "Der Antennendraht" (damals nicht aufgeführt worden). Die Filmgewaltigen des Dritten Reiches haben aus ihnen Elendstendenz herausgeschmeckt, die ihnen nicht behagte.

Aber auch nach dem Krieg wurde es für Sie nicht leichter mit der Akzeptanz.

Ich habe meine lieben Bayern und speziell meine lieben Münchner genau kennen gelernt. Alle anderen mit Ausnahme der Eskimos und Indianer haben mehr Interesse an mir als meine "Landsleute". Aus dem Münchner Rundfunk wurde ich schon zweimal wegen Humorlosigkeit hinausgeschmissen.

Sie haben Kontakt zu unserer Gegenwart. Mit Ihrem "Buchbinder Wanninger" wurden Sie zum Experten für Telefon-Qualen. Was sagen Sie denn zum Service der Telekom?

Saubande, dreckade!

Sie sind als leidenschaftlicher Münchner und Bayer bekannt. Wie sehen Sie die Stadt und die Dörfer heute?

Wo heute noch ein traulicher Winkel ist, da steht morgen mit der Reisschiene gerade ausgerichtet ein neuer Häuserblock, langweilig und gleichgültig, dass Gott erbarm; wo ein idyllischer Vorgarten mit prächtigen Kastanienbäumen gestern noch das Auge erfreute, da erhebt sich heute knallbunt nach Geschäftstüchtigkeit und Benzin riechend eine Tankstelle... Die neue Zeit, der Geist unserer sport- und verkehrswütigen Tage drückt (allem) ihren Stempel auf.

Das Münchner Gärtnerplatztheater bekommt einen neuen Intendanten. Was muss er Ihrer Ansicht nach tun, um dem Publikum die Schwellenangst zu nehmen?

Wir hätten uns zuerst bald nicht hineingetraut, weil wir glaubt habn, ins Gärtnertheater dürfen nur Gärtner hinein, wir haben aber vorsichtshalber in einem Auskunftsbüro telefonisch angfragt, und da hat‘s dann gheißen "Ja"... Kaum sind wir drin gsessen - is‘s no lang net angangen, ... Auf einmal sind die Musiker hereingekommen, die habn sich gleich vorn an die Bühne hingesetzt, dass sie ja alles recht gut sehn und hörn, die anderen Leut, wo zahln und ‘s Jahr vielleicht einmal ins Theater neinkommen, die dürfen sich hint hinsetzen.

Im Jenseits erlangt man, heißt‘s, eine höhere Weisheit. Deswegen die Frage: Was halten Sie vom aktuellen G 8-Gipfel in Heiligendamm?

Unausgesetzt treibt der am Horizont des Weltalls sich zeigende Gedanke der ganzen Menschheit... Ja, leere Redensarten, Phrasen etc. damit, womit sich viele ereifern könnten, in Verbindung mit den einfachsten Mitteln Wege zu bilden, die solche Banalitäten ein für allemal aus der Welt schaffen. Es ist an der Zeit, sich in den Nichteinmischungspakt hineinzumischen, um die Nichteinmischung zu dumidizieren.

Das Gespräch führte Simone Dattenberger.

Zitiert aus dem Gesamtwerk, erschienen bei Piper.

> Zum Valentin-Special auf Munich online

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