1. Startseite
  2. Politik

Özdemir kürzt Mittel für Agrarexporte: „Werden aktiv benachteiligt“

KommentareDrucken

Bundesminister fuer Ernaehrung und Landwirtschaft Cem Oezdemir sitzt in einem Traktor in Uetze
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) besucht einen Kartoffelbauern in Niedersachsen. Für den Agrarexport soll es bald weniger Geld geben. © IMAGO/Leon Kuegeler/photothek.de (Archivfoto)

Die Agrarindustrie fühlt sich benachteiligt. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir kürzt nach Merkur-Informationen die Mittel. Branchen-Insider meinen zu wissen, was dahinter steckt.

München – Käse, Kartoffeln, Schokolade, Brot oder Fleisch. Deutsche Agrarexporte sind weltweit gefragt. Rund ein Drittel der Gesamtproduktion der deutschen Landwirtschaft geht ins Ausland, 35 Prozent des Umsatzes werden dort generiert. Zuletzt bekam der jahrzehntelange Aufschwung der Branche allerdings einen Dämpfer. Nun kürzt das Grünen-geführte Landwirtschaftsministerium auch noch die Mittel für die Unternehmen.

Landwirtschaftsminister Cem Özdemir kürzt Exportförderung von Argarprodukten

So soll die Exportförderung 2024 niedriger ausfallen. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der CDU/CSU hervor, die dem Münchner Merkur exklusiv vorliegt. In den vergangenen Jahren gab es meist drei Millionen Euro, 2023 sank die Förderung auf 2,125 Millionen, für 2024 sind 2 Millionen Euro vorgesehen. Die Exportförderung gilt für die Unternehmen als Türöffner in den internationalen Markt. Sie umfasst Zuschüsse für Schulungen, aber auch Hilfe für das Aufbauen von Beziehungen zu anderen Ländern und das Erschließen von neuen Märkten. Das ist vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen wichtig, die den Großteil der Branche ausmachen.

Ein wichtiger Baustein für die Industrie sind Messen, bei denen heimische Produkte vorgestellt werden. Viele dieser Messen werden vom Bund unterstützt. Doch auch hier kürzt das Landwirtschaftsministerium die Gelder. Von knapp neun Millionen Euro ging es 2023 auf 6,5, während 2024 4,6 Millionen Euro vorgesehen sind. Das Landwirtschaftsministerium ist das einzige Ministerium, das seine Zuschüsse gesondert ausgibt. Alle anderen Branchen, etwa Automobil oder Chemie, werden vom Wirtschaftsministerium gefördert. Hier steigt die Finanzhilfe insgesamt von 36 Millionen Euro auf 43,8 Millionen.

Fleisch und Süßwaren: Branche beklagt Vorbehalten gegenüber bestimmten Produkten

Die Branche fühlt sich ungerechnet behandelt. Olivier Kölsch, Geschäftsführer der Bundesvereinigung der Ernährungsindustrie (BVE), erkennt eine „ganz aktive Benachteiligung eines einzelnen Industriezweigs“. Im Gespräch mit unserer Redaktion vermutet Kölsch Vorbehalte gegenüber dem Export bestimmter Produkte. Den größten Anteil am Gesamtexport verarbeiteter Lebensmittel machen Molkereiprodukte (18 Prozent) Süßwaren (14,9) und Fleisch (14,7) aus. „Das sind die Produkte, die bei unserer Bundesregierung zurzeit nicht so im Fokus stehen“, meint Kölsch. „Die lässt man aktuell links liegen.“

Das Landwirtschaftsministerium begründet die Anpassung auf Anfrage mit „bestehenden haushälterischen Restriktionen“, also mit dem allgemeinen Sparkurs der Ampel. Die „Bedeutung des Themas Export“ sei dem Ministerium bewusst, heißt es. Die Förderprogramme könnten auch mit den aktuellen Mitteln „effektiv und zielführend fortgesetzt werden“.

Union: „Minister Özdemir darf Agrarwirtschaft nicht im Regen stehen lassen“

Auch aus der Union gibt es Gegenwind. Für Albert Stegemann, den agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU, ist Landwirtschaftsminister Cem Özdemir „bei Wirtschafts- oder Handelsfragen viel zu inaktiv“. Stegemann sagt unserer Redaktion: „Minister Özdemir darf die mittelständisch geprägte Agrarwirtschaft nicht weiter im Regen stehen lassen.“

Albert Stegemann (CDU) auf einer Fraktionssitzung
Albert Stegemann sitzt seit 2013 im Deutschen Bundestag. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe für Ernährung und Landwirtschaft sowie agrarpolitischer Sprecher seiner Fraktion. © Christian Spicker/Imago Images

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Agrarindustrie nicht erst seit dem Wechsel des Landwirtschaftsministeriums von CDU zu den Grünen über Vernachlässigung klagt. „Die politische Unterstützung auf der Hausebene des Ministeriums haben wir in den vergangenen Jahren oftmals vermisst“, sagt uns Holger Hübner, Geschäftsführer der German Export Association for Food and Agriproducts (GEFA). Der Verein ist wie die BVE im Lobbyregister geführt und agiert als Bindeglied zwischen Agrarfirmen und Politik. „Der politische Kontakt auf Augenhöhe war auch unter einer anderen Bundesregierung zu gering.“ Von 2005 bis 2021 war das Ministerium in Unionshand.

Aktuell gebe es sogar „sehr positive Signale“, sagt Hübner und nennt eine gemeinsame Reise mit Özdemirs Staatssekretärin Ophelia Nick nach China, in der es auch um eine Öffnung der Fleischmärkte gegangen sei. Dennoch sorgt die Mittelkürzung auch für Kritik: „Wir sehen das natürlich nicht gern“, beklagt der GEFA-Chef. „Die rückläufigen Etats treffen unsere Unternehmen und tun uns weh.“

Agrar-Wirtschaft: Geschäftslage ohnehin angespannt

Die Mittelkürzung erfolgt in einer Zeit, in der die Agrarexporte etwas schwächeln. Durch Corona und geopolitische Krisen wie den Ukraine-Krieg ist die Geschäftslage angespannt. Hübner erkennt eine „tief negative Handelsbilanz“. So importiere Deutschland fast 21,5 Milliarden Euro mehr als es ins Ausland exportiert. Laut Kölsch ergibt sich für das erste Halbjahr 2023 zwar ein nominales Umsatzplus von 10,5 Prozent im Export. Durch gestiegene Kosten etwa bei Energie, Rohstoffen, Verpackungen und Logistik bleibe am Ende jedoch nur ein realer Zuwachs beim Umsatz von 0,9 Prozent. „Die Kürzung der Exportfördermittel im Ernährungsministerium erfolgt zur Unzeit“, sagt Kölsch. „Eine Halbierung der Exportfördermittel im Ernährungsministerium benachteiligt deutsche Hersteller im internationalen Wettbewerb.“ (as) 

Auch interessant

Kommentare