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Spannungen zwischen Bündnispartnern nach NATO-Luftangriff

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Deutsche Soldaten in Afghanistan.
Deutsche Soldaten in Afghanistan. © ap

Kundus - Angesichts vieler offener Fragen und möglicher Opfer in der Bevölkerung wachsen nach dem blutigen NATO-Luftangriff in Afghanistan die Spannungen zwischen den Bündnispartnern Deutschland und USA.

Beide waren beteiligt: Die deutschen Truppen forderten den Angriff gegen die Taliban am Freitag an, die Amerikaner führten ihn aus. Die Ermittlungen von NATO und afghanischen Behörden fangen gerade erst an, doch beide Bündnispartner scheinen bereits bemüht, eine etwaige Schuld von sich zu weisen. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung verteidigte die Entscheidung des Bundeswehrkommandos vor Ort. Man müsse eindeutig sehen, dass aufgrund der beiden entführten Tanklastwagen voll mit Benzin “eine Bedrohung für unsere Soldaten vorhanden war“, sagte Jung nach Angaben des ZDF.

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Die beiden von den Amerikanern schließlich bombardierten Lastwagen sollten nach Ansicht militärisch Verantwortlicher möglicherweise für einen Selbstmordanschlag auf die Deutschen genutzt werden. Informationen, nach denen Zivilisten unter den Opfern seien, könne er bislang nicht bestätigen, erklärte Jung. Wenn es “zivile Verletzte oder Opfer“ gegeben habe, würde dies das Bedauern der Bundesregierung auslösen, betonte er dem Sender RTL zufolge. Nach afghanischen Angaben wurden rund 70 Menschen getötet. Der Angriff in der Region Kundus erfolgte, als sich offenbar zahlreiche Dorfbewohner um die stecken gebliebenen Tanklaster geschart hatten, um Benzin abzuzapfen.

Kritik an später Reaktion

Derweil wurde auch Kritik an der Reaktion der Deutschen laut. US-Konteradmiral Gregory Smith, der Sprecher von NATO-Kommandeur Stanley McChrystal, erklärte, die Bundeswehr habe bis zur Besichtigung des Angriffsorts zu viel Zeit verstreichen lassen. Nach Ansicht McChrystals sei die Reaktionszeit “vermutlich länger gewesen, als sie hätte sein sollen“, sagte Smith am Sonntag.

Bei seinem Besuch am Samstag vor Ort fragte McChrystal den Kommandeur des Bundeswehrlagers in Kundus, Oberst Georg Klein, warum das Regionalkommando nicht schneller erschienen sei. Klein räumte in dem von einem AP-Journalisten beobachteten Gespräch einen Fehler ein. Man dürfe nicht Stunden verstreichen lassen, wiederholte Smith einen Grundsatz McChrystals. “Der Feind ist sehr kreativ bei der Manipulation der Wahrheit und der Verzerrung der Situation, und wenn man nicht da ist, kann man den Ort offensichtlich nicht kontrollieren.“

Zweifel an Qualität der Kampfjet-Aufnahmen

Auch zum Entscheidungsprozess vor dem Angriff sind noch Fragen offen. Die deutschen Kommandeure hätten auf Bildern der amerikanischen Piloten rund 120 Menschen sehen können, erklärte McChrystal am Samstag. Die Kommandeure seien überzeugt gewesen, dass es sich um Militante handele und den Luftangriff angeordnet, obwohl die Bilder sehr grobkörnig gewesen seien, sagte Sprecher Smith. Der Entscheider sei grundsätzlich der Kommandeur am Boden, betonte Smith, räumte aber ein, der Pilot könne den Befehl zurückweisen. Die letzte Entscheidung liege beim Kommandeur, bestätigte auch ein deutscher Bodenkontrolleur.

Vor seiner Order müssten sich aber sowohl die Bodenkontrolle als auch der Pilot sicher sein, dass es sich um “ein Ziel“ gemäß der Vorschriften handele. Klein wollte sich in einem AP-Interview am Sonntag nicht dazu äußern, ob die Aufnahmen der US-Jets gut genug waren, um Waffen zu erkennen. Er verwies auf die offenen Untersuchungen. Das Verteidigungsministerium in Berlin wies unterdessen einen Bericht der “Washington Post“ zurück, wonach der Luftangriff aufgrund der Angaben eines einzelnen afghanischen Informanten angefordert worden sein soll. Es sei nicht richtig, dass es nur eine Quelle für die Anforderung des Luftangriffs gegeben habe, sagte Sprecher Thomas Raabe der AP.

Schwerpunkt auf Klärung der offenen Fragen

Er hoffe, dass der Vorfall keinen Graben zwischen den Amerikanern und Deutschen aufreißen werde, betonte der Sprecher der US- und NATO-Truppen, Smith. “Ich hoffe, dass alle die Untersuchung unterstützen“, erklärte er. Grundlage für das weitere Vorgehen sei die Klärung der offenen Fragen. Bundeswehr-Kommandeur Klein wies derweil Kritik zurück, wonach es den deutschen Soldaten im Norden Afghanistans an Kampferfahrung fehle, um die Taliban zu bezwingen.

Es habe seit seiner Ankunft leider schon viele Kampfsituationen gegeben, sagte der Oberst im AP-Gespräch. “Aber was uns in der Bevölkerung immer einen sehr guten Ruf eingebracht hat, ist, dass wir so weit wie möglich versucht haben, zivile Opfer zu vermeiden“, betonte er. - Zu dem Korrespondentenbericht trugen die AP-Reporter Douglas Birch und Kay Johnson in Kabul und Melissa Eddy in Berlin bei. Frank Jordans berichtet aus Kundus.

AP

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