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Sonne trifft Nebel: Was die Nordseeinsel Amrum zum Ziel für die Winterauszeit macht

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Beim Herbst- oder Winterurlaub auf Amrum lernt man die Nordsee von ihrer authentischen Seite kennen. Und die kann freundlicher sein, als manch einer glaubt.

Nebel ‒ die Durchsage auf der Fähre zurück Richtung Festland kommt wenig überraschend. Draußen bläst der Wind, Regentropfen klatschen gegen die Scheiben und die wärmende Tasse mit dampfendem Tee in den Händen ist ohnehin gemütlicher als der kühle Fahrtwind an Deck, wo man sich ‒ laut Durchsage ‒ doch bitte wegen Wind und Seegang vorsichtig verhalten und möglichst nicht im Treppenbereich aufhalten soll. Die Nordsee kann launisch sein, im Herbst und Winter. Und doch ist die Zeit rund um den Jahreswechsel wie gemacht für einen Abstecher auf ihre Inseln. 

Durch die Dünenlandschaften auf Amrum ziehen sich kilometerweite Bohlenwege.
Durch die Dünenlandschaften auf Amrum ziehen sich kilometerweite Bohlenwege. © Sandra Kathe

So wenig sich die Sache mit dem Wetter hier an der Küste planen lässt, umso schöner sind die Momente, wenn die kühleren Jahreszeiten sich von ihrer Schokoladenseite zeigen. Dann rauschen die Wellen besonders eindrucksvoll, ist die Luft noch ein wenig klarer und der Wind hat auch nichts Besseres zu tun, als einem sprichwörtlich den Kopf freizupusten und selbst mit geübten Lenkdrachenfliegern ein bisschen Armdrücken zu spielen. Die Sonnenuntergänge wirken vor dramatischem Himmel noch spektakulärer und jede Sonnenstunde zwischen Kniepsand, Dünen, Wald und Wattenmeer noch ein wenig wertvoller. Womit auch klar wäre, dass besagte Fährfahrt Richtung Festland in Wittdün auf Amrum begonnen haben muss, wo der als „Kniepsand“ bezeichnete Strand nicht nur eine sprachliche Besonderheit ist ‒ und das Nordseewetter in den vergangenen Tagen viel freundlicher war, als der Abschied vermuten lässt. 

Der kilometerlange Kniepsand ist Amrum an der Westseite der Insel vorlagert und macht ein Drittel der Inselfläche aus.
Der kilometerlange Kniepsand ist Amrum an der Westseite der Insel vorlagert und macht ein Drittel der Inselfläche aus. © Sandra Kathe

Herbst- und Winterurlaub auf Amrum: 15 Kilometer Kniepsand

Der weite Kniepsand hinter ausladenden Dünenlandschaften, malerische Friesenhäuser, das oft wechselhafte und angenehm überraschende Wetter der Küste, das sind einige der Hauptgründe, dass fast 150.000 Gäste jährlich auf die Insel kommen. Einige als Tagesreisende vom Festland, andere für Wochen am Stück ‒ und das oft viele Jahre lang, wieder und wieder. Und manche, wie der 19-jährige Silko Nebel, bleiben sogar für eine Weile ganz. Der Abiturient aus Hannover ist einer von mehreren Dutzend jungen Leuten, die einen der begehrten Bundesfreiwilligendienst-Plätze auf der Insel ergattert haben. Nun ist er für ein gutes Jahr für den Naturschutz auf der Insel im Einsatz, steht im spendenbasierten Naturzentrum für Fragen bereit und führt Gäste durch die Dünen und über den 15 Kilometer langen Kniepsand. 

Wie der zu seinem Namen gekommen ist, weiß auf Amrum wohl keiner mehr so genau. Sicher ist nur, dass der Name aus der traditionellen Inselsprache Öömrang stammt, wo „kniap” so viel wie Kneifen bedeutet. Theorien zum Rest gibt es von der einstigen Kneifer-Form der Sandbank im Süden bis zum Kneifen des Sands selbst, wenn man ihn vom Wind entgegen gepustet bekommt, eine Menge, erklärt Silko beim Spaziergang über den besonders feinen Sandstrand, der ganz im Süden der Insel mit einer Breite von gut 1,5 Kilometern eine schier unendliche Sandlandschaft schafft. 

Freiwillige wie der 19-Jährige Silko Nebel sind in Amrum für den Naturschutz im Einsatz.
Freiwillige wie der 19-jährige Silko Nebel sind in Amrum für den Naturschutz im Einsatz. © Sandra Kathe

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Spaziergang zwischen Wald und Dünen auf der Nordseeinsel Amrum

Ein idealer Ausgangspunkt für diesen Spaziergang liegt in Norddorf, einem der fünf Inselorte, die sich über die 30 Quadratkilometer große Nordseeinsel verteilen. Knapp ein Drittel der Inselfläche macht der Kniepsand aus, ein gutes Zehntel vom Rest ist ‒ untypisch für die Nordsee ‒ bewaldet. Bis zum Inseldorf im Norden zieht sich der lange Streifen Wald im Herz der Insel. Der Duft von Fichten und Kiefern liegt in der Luft, während unweit der Waldgrenze die Dünen beginnen. 

Weiter nordwestlich, direkt am Strand in Norddorf liegt das Naturzentrum des Natur- und Heimatschutzvereins Öömrang Ferian (zu Deutsch: Amrumer Verein), der sich in den 70er-Jahren zunächst für den Erhalt der Inselsprache starkgemacht hat. Vom Einsatz für die Inseltraditionen entwickelte sich der Verein aber schnell weiter zum Naturschutzverein, denn genau wie die Nachbarinseln Sylt und Föhr bekommt Amrum hautnah zu spüren, wie wichtig es ist, sich an der Nordsee für Naturschutz einzusetzen. Das zeigt sich am Müll, der an die Strände und ans Wattenmeer gespült wird, an der Verbreitung invasiver Arten im Wasser und an Land und an der Verdrängung von Meeresbewohnern. Davon erzählen das interaktive Naturzentrum und wöchentlich mehrere Rundgänge über die Insel, die Silko und seine Kolleginnen und Kollegen von den verschiedenen Naturschutzorganisationen bei Wind und Wetter anbieten. 

Traditionelle Friesenhäuser wie das Witjhüs unweit der Dünen in Norddorf sorgen gerade im Herbst und Winter für Gemütlichkeit.
Traditionelle Friesenhäuser wie das Witjhüs unweit der Dünen in Norddorf sorgen gerade im Herbst und Winter für Gemütlichkeit. © Sandra Kathe

Nachhaltig im Amrum-Urlaub: Unkomplizierte Anreise mit Bahn und Fähre

Wer als Urlauber auf Amrum selbst etwas für den Naturschutz tun will, reist etwa statt mit dem Auto, das ab knapp 115 Euro mit auf die Fähre darf, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an. Ab Hamburg gibt es stündlich Verbindungen nach Niebüll. Die Fahrt durch die unverkennbaren Landschaften Norddeutschlands, über den Nord-Ostsee-Kanal bis kurz vor die Küste dauert planmäßig rund zwei Stunden und ist bald auch mit dem 49-Euro-Ticket zu fahren. Vom Bahnhof Niebüll überquert man nur kurz die Straße und steigt um auf die Eisenbahn Niebüll-Dagebüll, die die Urlaubsgäste in 20 Minuten mit spektakulärem Finale am Meer zum Fähranleger bringt. Von hier dauert die Überfahrt nach Wittdün (rund 45 Euro für zwei Erwachsene) ‒ mit Glück auch im Winter auf dem Sonnendeck ‒ gute 90 Minuten. Auf Amrum selbst ist dann alles mit Bus oder Leihrad unkompliziert zu erreichen. 

Zum Beispiel die Aussichtsdünen bei Wittdün, Süddorf oder Norddorf, die einem nach dem 41 Meter hohen Leuchtturm im Süden der Insel die zweitbeste Gelegenheit bieten, die Insel von oben zu sehen. Wer in den Dünen unterwegs ist, legt den Großteil der Strecke auf eigens dafür geschaffenen Bohlenwegen zurück, die etwas erhöht über Strandhafer, Heide und andere empfindliche Pflanzen führen, deren Wurzeln für Stabilität von Dünen und Insel sorgen. Immer wieder stechen im Vorbeilaufen die Warnschilder heraus mit der Aufschrift „Dünenschutz ist Inselschutz“. Das sei durchaus wörtlich zu nehmen, sagt Silko und zeigt auf einen harmlos aussehenden Trampelpfad.

Mit der Fähre ab Dagebüll dauert die Überfahrt nach Amrum rund 90 Minuten.
Mit der Fähre ab Dagebüll dauert die Überfahrt nach Amrum rund 90 Minuten. © Sandra Kathe

Herbst und Winter auf Amrum: Die Dünen der Nordseeinseln sind ein empfindliches Ökosystem

Das Problem, das solche Pfade mit sich bringen, erklären die Freiwilligen der Naturzentren auf der Insel ganz pragmatisch: „Wenn du das Meer sehen kannst, sieht das Meer auch dich“. Soll heißen: Wo Trampelpfade in Küstennähe für Schneisen sorgen, kommt das Wasser im Falle einer Sturmflut auch durch und kann in der Folge große Schäden anrichten. Auch wenn Amrum, im Gegensatz zum Nachbarn Sylt, wo immer mehr Land verloren geht, über eine einigermaßen gleichbleibende Fläche verfügt, bedeutet das nicht, dass man sich im Inselschutz keine Sorgen machen muss.

Das zeigt sich auch auf der Ostseite der Insel, wo die 1985 als Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer geschützte Landschaft Amrum vom östlichen Nachbarn Föhr und den Halligen trennt. Unweit vom Fähranleger in Wittdün, östlich des Inselhauptorts Nebel und unweit des Naturschutzgebiets Amrum-Odde an der Nordspitze ragen Aussichtsplattformen ins Wattenmeer und erlauben auch hier den Einblick in eine faszinierende Naturlandschaft, die sich bei Niedrigwasser für einen Spaziergang eignet. Ob barfuß oder in Gummistiefeln entscheidet neben der Temperatur jeder für sich.

Im Osten von Amrum hat man wie hier unweit der Amrum-Odde Ausblicke übers Wattenmeer bis nach Föhr.
Im Osten von Amrum hat man wie hier unweit der Amrum-Odde Ausblicke übers Wattenmeer bis nach Föhr. © Sandra Kathe

Im Herbst und Winter auf Amrum: Darum lohnt sich die Nordsee auch außerhalb der Saison

Unterwegs trifft man im Herbst und Winter zwar weit weniger Menschen als in der Hauptsaison rund um die Sommerferien, auch die Strandkörbe sind ins Winterquartier verräumt – doch ganz abwegig sind die Nordseeinseln als Urlaubsziele jedoch längst nicht mehr. Während einige Hotels und Restaurants in die Winterpause gehen, öffnen andere längst übers gesamte Jahr. Der Bus, der die Insel von Nord nach Süd entlang pendelt, ist von früh bis spät stündlich im Einsatz, auch bei den vielen Fahrradverleihern ist an Winterschlaf nicht zu denken. Und die kleinen Inselsupermärkte in Wittdün, Nebel und Norddorf machen das Selbstversorgen in einer Ferienwohnung problemlos möglich. In vielen Inselcafés steht nach Wanderung oder Radtour neben der dampfenden Tee- oder Kaffeetasse auch in der Nebensaison täglich ein frisch gebackenes Stück Friesentorte auf der Karte.

Die Möglichkeiten an Wegen durch Dünen, Wald, Watt und Kniepsand gehen so schnell zwar nicht aus, lassen sich aber auch immer mal wieder mit Aktivitäten drinnen kombinieren. Im obersten Stockwerk des Naturzentrums Norddorf etwa geht es etwa auf die Spuren eines berühmten Einheimischen mit dem Namen Hark Olufs, der als junger Matrose gekapert und als Sklave verkauft wurde und einige Jahre später als Held auf die Insel zurückkehrte. In Nebel geht es nach einem Abstecher zur hübschen Windmühle ins Heimatmuseum Öömrang Hüs oder in Wittdün ins Meerwasser-Schwimmbad. Einige Unterkünfte wie der Friesenhof in Norddorf (ab 80 Euro pro Nacht) haben auch einige kleine Schwimmbecken und Saunen. 

Friesenknöpfchen und Wendeltreppen gehören zu den echten Schätzen, die sich im feinen Amrumer Sand finden lassen.
Friesenknöpfchen und Wendeltreppen gehören zu den echten Schätzen, die sich im feinen Amrumer Sand finden lassen. © Sandra Kathe

Seltene Schätze am Amrumer Kniepsand: Beim Strandspaziergang die Augen offen halten

Dann geht es aber wieder raus in die Natur, die an der Nordsee auch im Winter niemals Pause macht, daran erinnern schon Ebbe und Flut jeden Tag aufs Neue. Unweit des Leuchtturms, startet der 4,5 Kilometer lange Themenweg Dünen, durch den feinen weißen Sand zum lang gezogenen Wriakhörnsee, hier über Bohlenwege bis kurz vor Wittdün und längs der Inselstraße unter Bäumen zurückführt und die ganze Vielfalt der Insel quasi auf einen Blick nochmal zusammenfasst.

Die größte Anziehungskraft, die hat jedoch immer noch der Strand. Das geht sogar Silko und den anderen Freiwilligen so, die hier seit Monaten Tag für Tag draußen verbringen. Dass jeder neue Tag Überraschungen mit sich bringen kann, dafür sorgt bei den Freiwilligen eine kleine Tradition, die zur täglichen Schatzsuche animiert. Neben Herzmuscheln, amerikanischen Bohrmuscheln und pazifischen Felsenaustern, die hier recht häufig zu finden sind, zählen die kleinen Friesenknöpfchen und Wendeltreppen zu den selteneren Funden am Kniepsand. Doch besonders begehrt sind wegen der Tradition vor allem die sogenannten Pelikanfüße, auffällig geformte Meeresschnecken, die nach ihrer Ähnlichkeit zu den Füßen von Schwimmvögeln benannt sind.

In seiner Zeit an der Nordsee vier davon zu finden, gilt der Legende nach als eine Art Aufnahmeritual, erklärt Silko. „Den ersten hängt man sich als Kette um den Hals, den zweiten schenkt man seiner großen Liebe und den dritten gibt man der Nordsee, also seiner zweiten großen Liebe zurück.“ Und der Vierte? „Der ist dann die Antwort der Nordsee.“ Na, dann nichts wie ganz nah ran an den feinen Amrumer Sand. (Sandra Kathe)

Transparenzhinweis: Die Recherche wurde unterstützt von AmrumTouristik und Vamera Ferien am Meer.

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