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Fahrverbote am Wochenende: „Billiger Taschenspielertrick“ oder sinnvoller Klimaschutz?

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Zur Einhaltung des Klimaschutzgesetzes warnt Verkehrsminister Volker Wissing vor der Notwendigkeit von Fahrverboten am Wochenende. Hat er recht?

Berlin – Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat am Freitag (12. April) eine neue Debatte um das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung angestoßen. Wissing hatte am Donnerstag in einem Schreiben an die Fraktionsspitzen der Ampel-Parteien im Bundestag die Zustimmung zur Reform des Klimaschutzgesetzes gefordert. Würden diese das nicht tun, müsste man bald Fahrverbote am Wochenende einführen, damit im Verkehrssektor die Klimavorgaben erfüllt würden. Durch die Novelle soll es künftig nicht mehr nötig sein, dass die Klimaschutzvorgaben in jedem Bereich eingehalten werden. Stattdessen wird das Einhalten sektorübergreifend geprüft.

Umweltschützer klagen gegen Wissing – Urteil am 16. Mai

Der grüne Verkehrspolitiker Stefan Gelbhaar hat Wissing daraufhin „gefährliche Desinformation“ vorgeworfen. „Selbst die gerichtliche Verpflichtung, endlich ein ordentliches Klimaschutzprogramm vorzulegen, beinhaltet null die Verpflichtung zu Fahrverboten“, sagte Gelbhaar dem Stern.

Sollte das überarbeitete Gesetz nicht vor dem 15. Juli 2024 in Kraft treten, müsste das Bundesverkehrsministerium ein Sofortprogramm vorlegen, „das die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des Sektors Verkehr in den kommenden Jahren bis 2030 sicherstellt“, warnte Wissing. Eine so drastische und sofortige Reduzierung sei nur mit Fahrverboten an allen Wochenenden zu erreichen.

Verkehrsminister Volker Wissing hat vor drohenden Fahrverboten gewarnt.
Verkehrsminister Volker Wissing hat vor drohenden Fahrverboten gewarnt. © dpa/Fotomontage

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte die Bundesregierung dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zufolge wegen unzureichender Maßnahmen zur Einhaltung des Klimaschutz-Sofortprogramms im Verkehrssektor verklagt. Das Urteil soll demnach am 16. Mai vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg fallen. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch sagte den RND-Zeitungen, dass er nun mit einem Urteil rechne, welches das Verkehrsministerium zu einem Sofortprogramm verpflichtet.

Klimaschutz: 22 Millionen CO₂-Äquivalente müssen im Verkehrssektor gespart werden

Das Klimaschutzgesetz sieht vor, dass Deutschland bis 2030 die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 absenkt. Dabei wurden für einzelne Sektoren – Industrie, Verkehr, Energiewirtschaft, Gebäude – klare Zielvorgaben gemacht. Werden diese nicht erreicht, müssen die Sektoren mit Sofortprogrammen nachsteuern. 2023 haben die beiden Bereiche Verkehr und Gebäude ihre Ziele verfehlt.

Inwiefern Fahrverbote dazu beitragen könnten, die Sektorziele für den Verkehr zu erfüllen, war zunächst nicht klar. Für dieses Jahr müssten 22 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente im Verkehr eingespart werden, um die Ziele zu erreichen. Auf Anfrage der Wirtschaftswoche schrieb das Verkehrsministerium, dass man sich nicht auf Details einlassen wolle, wie Fahrverbote aussehen könnten. Schließlich soll dieses Worst-Case-Szenario lieber nicht eintreten.

Nach Angaben der DUH wäre dieser Schritt aber nicht notwendig. „Es ist ein billiger Taschenspielertrick, Fahrverbote an Wochenenden an die Wand zu malen“, schimpft DUH-Geschäftsführer Resch in einer Mitteilung. „Damit eröffnet uns aber der Automobilminister Wissing endlich eine politische Sachdebatte über realistische und kurzfristig mögliche andere Maßnahmen im Verkehrsbereich, wie die notwendigen 22 Millionen Tonnen CO₂-Einsparung pro Jahr kurzfristig erreicht werden können. Allein ein Tempolimit von 100 auf Autobahnen, 80 außerorts und 30 in der Stadt spart mit über 11 Millionen Tonnen mehr als die Hälfte des Betrages ein.“ Weitere Maßnahmen könnten die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs sein und eine Senkung der Schienennutzgebühr für Gütertransporte sein, so Resch weiter.

„Wochenendfahrverboten für Bürgerinnen und Bürger sind nicht notwendig, um den Verkehrssektor auf Klimakurs zu bringen. Die Mehrheit der Bevölkerung fordert ein Tempolimit. Wir werden Wissings anhaltenden Rechtsbruch mit unseren Klimaklagen stoppen und die geplante Entkernung des Klimaschutzgesetzes verhindern“.

FDP lehnt Tempolimit kategorisch ab

Auch das Umweltbundesamt sieht keine Notwendigkeit für Fahrverbote. Dirk Messner, der Chef der Behörde, sagte dem Spiegel:Solche Verbote werden auch nicht ernsthaft diskutiert und verängstigen die Menschen ohne Grund“. Auch er forderte ein Tempolimit zur Absenkung der Emissionen. Alleine dadurch könnten bis 2030 insgesamt 38 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden. „Das sind rund 20 Prozent der bestehenden Lücke.“ Auch das Dienstwagenprivileg sei eine klimaschädliche Subvention und gehöre abgeschafft, dies sei auch „aus sozialen Gesichtspunkten überfällig“. Die FDP und Volker Wissing hingegen lehnen ein Tempolimit auf Autobahnen kategorisch ab.

Die DUH erwartete derweil Konsequenzen für ihr Gerichtsverfahren gegen den Verkehrsminister. „Ich begrüße, dass Volker Wissing indirekt einräumt, dass das Klimaschutzgesetz wirkt und er als Bundesminister seit zweieinhalb Jahren aktiv dagegen verstößt“, sagte Resch dem RND.

Das werde auch das Gericht beim Prozess seines Vereins gegen den Minister berücksichtigen, fuhr er fort. „Wissing hat zugegeben, dass die Klage, die in fünf Wochen vor dem Oberverwaltungsgericht verhandelt wird, ihn zwingt, endlich Recht und Gesetz einzuhalten.“

Mit Material von AFP

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