Aus dem Leben einer Vorgabe – von Anfang bis Ende

Vincent Fischer

Von

Vincent Fischer

Veröffentlicht am

15.5.2023

Aus dem Leben einer Vorgabe – von Anfang bis Ende

Dokumentieren Sie Ihre internen und externen Vorgaben? Dann gehören Sie zur großen Mehrheit der Unternehmen, die viel Zeit damit verbringen, diese zu identifizieren, zu entwickeln, zu kommunizieren und zu überprüfen, ob die Vorgaben eingehalten werden. Und sind wir ehrlich, oft geht dabei unnötig viel wertvolle Zeit verloren. Umso sinnvoller ist es, sich systematisch mit Vorgaben auseinanderzusetzen: Welche Lebensphasen durchläuft eine Vorgabe und wie kann ich diese optimieren?

Gestatten? Das Vorgabelebenszyklusmodell

All dies lässt sich im Vorgabelebenszyklusmodell darstellen. Das Modell ist ein hervorragender Ausgangspunkt für die Frage: Wie können wir besser mit unseren Vorgaben umgehen? Genau diese Frage stellt sich im Folgenden auch die fiktive Opti1 GmbH – und beantwortet sie mithilfe der 8 Phasen des Vorgabelebenszyklusmodells.

Hands-on: Der Vorgabelebenszyklus in der Praxis

Die Ausgangssituation: Die Einführung neuer IT-Tools verlief in der Opti1 GmbH bislang immer recht holprig und führte zu vielen Rückfragen und Nachbesserungen. Darum möchte das Unternehmen für die Einführung neuer IT-Tools nun ein verbindliches Vorgehen etablieren.

Phase 1:  Vorgabe erstellen

Zu Beginn sammelt die IT-Abteilung der Opti1 GmbH typische Schritte zur Einführung eines neuen IT-Tools und entwirft eine entsprechende Prozessbeschreibung. Dabei achtet sie besonders darauf, die Rollen und Aufgaben klar zu definieren. Als Informationsquellen dienen hierbei neben der eigenen Erfahrung auch die Kollegen aus anderen Teams und eine Internetrecherche.

Phase 2: Vorgabe abstimmen

Nun gilt es, die erstellte Vorgabe inhaltlich abzustimmen. Dafür kommen alle Rollen, die am Prozess beteiligt sind, an einen Tisch: Gemeinsam prüfen IT-Abteilung, Geschäftsführung und Datenschutzbeauftragter, ob die Vorgabe praktisch umsetzbar ist, und wägen Nutzen und Aufwand für das Unternehmen ab:

  • Wer kann neue IT-Tools vorschlagen und deren Einführung initiieren?
  • Wer prüft neue IT-Tools technisch, kaufmännisch und inhaltlich?
  • Wer hat die Entscheidungsbefugnis bei Risiken und Ausnahmen?
  • Wie und wo fällt die Entscheidung für oder gegen ein neues IT-Tool?
  • ...

Die Ergebnisse fließen direkt in die Prozessbeschreibung ein.

Phase 3: Vorgabe freigeben

In der dritten Phase wird die entworfene Vorgabe nun als Prozessbeschreibung freigegeben und tritt somit in Kraft. Wie in den meisten Organisationen geschieht das auch bei der Opti1 GmbH über einen fest definierten Freigabeworkflow im Managementsystem: Die Geschäftsleitung, die IT-Leitung und der Compliance Officer müssen der neuen Vorgabe zustimmen – ansonsten geht es zurück in Phase 2.

Phase 4: Vorgabe veröffentlichen

Die Freigabe ist erteilt! Nun ist es an der Zeit, alle Mitarbeitenden über die neue Vorgabe zu informieren. Dazu verfasst die IT-Abteilung eine Rundmail, in der sie auf den neuen Prozess im Managementsystem hinweist. Im Anhang der Mail befindet sich zusätzlich das Dokument “Quick-Check IT-Tool einführen”, mit dessen Hilfe die einzelnen Abteilungen die neue Vorgabe in ihren Meetings vorstellen können.

Phase 5: Vorgabe schulen

In dieser Phase wird sichergestellt, dass alle betroffenen Mitarbeitenden über den aktuellen Informationsstand der Vorgabe Bescheid wissen. Die IT-Abteilung der Opti1 GmbH entscheidet sich dazu, in jedem Abteilungsmeeting aktiv Rede und Antwort zum neuen Vorgehen zu stehen.  In einer Excel-Liste hakt die IT die einzelnen Abteilungen nacheinander ab.

Andere Organisationen sehen bei neuen Vorgaben auch eine Holschuld bei den Mitarbeitenden oder fordern eine Lesebestätigung der Prozessbeschreibung ein. In Ausnahmefällen wird an dieser Stelle auch ein normkonformer Nachweis eingeholt, dass alle betroffenen Mitarbeitenden die Vorgabe(änderung) zur Kenntnis genommen haben.

Phase 6: Nach der Vorgabe handeln

Die Opti1 GmbH führt gleich zwei neue IT-Tools ein und stellt die neue Vorgabe damit auf die Probe. Diese Phase ist besonders wichtig, denn erst jetzt zeigt sich, ob die Mitarbeitenden sich an die Vorgabe halten – und ob diese praxistauglich und zielführend ist. In unserem Beispiel verläuft der Praxistest erfolgreich: Das ganze Team freut sich über die neugewonnene Sicherheit darüber, “wie man das bei uns richtig macht”. Strenggenommen findet die Wertschöpfung der Vorgabe erst hier statt, denn erst jetzt beeinflusst die Vorgabe das reale Handeln der Organisation.

Phase 7: Einhaltung der Vorgabe überprüfen und auditieren

Je nach Art der Vorgabe, ist es sinnvoll, ihre Wirksamkeit systematisch zu überprüfen. Dies geschieht meist in Form regelmäßiger Audits, die das tatsächliche Verhalten mit der dokumentierten Vorgabe abgleichen. Ein halbes Jahr später ist es auch bei der Opti1 GmbH so weit: Die IT-Leitung möchte prüfen, ob das neue Vorgehen zur Einführung von IT-Tools tatsächlich eingehalten wird. Da neue IT-Tools für gewöhnlich Kosten verursachen, dienen die Rechnungen als Überprüfungspunkt. Hier stellen die Auditoren mit Schrecken fest, dass in den letzten sechs Monaten vier neue IT-Tools eingeführt wurden. Da die Einführung nur in zwei Fällen gemäß der neuen Vorgabe gelaufen ist, ist die Konformität zum Prozess eine 50:50-Chance. Es wird geschimpft, nachgeschult und eine Nachschärfung der Vorgabe geplant: Es soll noch klarer werden, was genau alles unter einem neuen IT-Tool zu verstehen ist. Damit rutscht die Vorgabe wieder zurück in Phase zwei.

Phase 8: Vorgabe absteuern

Mit Ablauf der achten Phase endet das Leben einer Vorgabe. Vier Jahre später ist der Prozess “Neues IT-Tool einführen” bei der Opti1 GmbH weitgehend über ein Projekt-Tool geführt. Durch automatisierte Aufgaben und Meldungen ist es jetzt kaum noch möglich, vom definierten Prozess abzuweichen. Die ursprüngliche Vorgabe steuert das Unternehmen aktiv ab und archiviert die entsprechende Prozessbeschreibung, damit niemand versehentlich die alte Vorgabe befolgt.

Mehr Wertschöpfung, mehr Effizienz

Eine neue Vorgabe hat immer ein übergeordnetes Ziel:  mehr Wertschöpfung oder mehr Effizienz. Nüchtern betrachtet generiert einzig Phase 6 einen messbaren unternehmerischen Mehrwert. Alle anderen Phasen könnte man auch als notwendiges Übel bezeichnen. Oder eben als wertvolle Schritte, die auf das übergeordnete Ziel einzahlen und das veränderte Verhalten in Phase 6 erst ermöglichen.

So oder so betrachtet: Es ist immer sinnvoll, alle Phasen des Vorgabelebenszyklus zu optimieren. Hilfreich ist hierbei ein Managementsystem, das viele Schritte durch automatische Informationsflüsse vereinfacht. Wie das konkret aussieht, erklären wir im nächsten Artikel zum Vorgabelebenszyklusmodell. In der Zwischenzeit kann sich der interessierte Leser überlegen: Wie kann ich den Vorgabelebenszyklus meiner Organisation verbessern? In welcher Phase gibt es derzeit die größte Verschwendung?

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