Elizabeth Taylor, die schönste Frau der Welt, ist im Alter von 79 Jahren gestorben. Ihr Leben inszenierte sie oft wie einen Film - doch als Drehbuch wäre ihre Biografie zu überzogen gewesen. Elizabeth Taylor ließ keinen Skandal aus, Michael Jackson war der normalste Mensch, den sie kannte. Doch im Alter fand sie eine neue Berufung.

Es war ein Fest wie zu Hollywoods ganz alten Glanzzeiten. Das Hochzeitsgeschenk bestand aus einem Diamantenarmband im Wert von damals sagenhaften 90.000 Dollar. Der Saal war mit 15.000 weißen Gladiolen geschmückt. Tonnen von Kaviar und Krebs und Kisten von Jahrgangschampagner wurden gereicht. Just als das Brautpaar sich aber das Ja-Wort gab, wurde ein Feuerwerk entzündet, das die Initialen der Braut in den Himmel schrieb: E.T.

Das war 1957, lange vor Steven Spielberg und seinem Wesen aus dem All, das nach Hause telefonieren wollte. Und doch hat es Signalcharakter: Elizabeth Taylor war ebenfalls eine Außer-, eine Überirdische. Ein Wesen nicht von dieser Welt, dessen originärer Platz ganz oben war. Am Himmelszelt. Als Star unter Sternen. Ein faszinierendes Wesen, das dennoch irgendwie den Draht zu den Artgenossen verloren hatte.

Wäre sie in den fünfziger Jahren gestorben, würde heute nicht Marilyn Monroe als ewiger Kino-Mythos im Olymp neben James Dean verklärt, sondern ganz klar ihre schwarzhaarige Konkurrentin.

Sie war so etwas wie die letzte Ikone des klassischen Hollywood. War eine der meist bewundertsten Frauen ihrer Zeit. Galt als „schönste Frau der Welt“. Gewann zwei Oscars und vier Golden Globes. War neben Mickey Rooney der einzige Kinderstar, der bis ins Alter keinen Karriereknick erleben musste. Überschritt als erster weiblicher Star die Gage von einer Million Dollar pro Film. Und überstand sogar ein finanzielles Desaster wie "Cleopatra“ nahezu unbeschadet.

Mit zwölf war sie schon ein Star

Aber war sie wirklich – unbeschadet? Fast ein Leben lang wurde sie fremdbestimmt, lebte sie wie in einem Kokon, einer Parallelgesellschaft. Kein Wunder, dass zu ihren engsten Freunden Michael Jackson zählte, den sie als "den normalsten Menschen, den ich kenne“ bezeichnete.

Die Mutter, eine Schauspielerin, die ihre Karriere mit ihrer Hochzeit aufgegeben hatte, steckte all ihren Eifer in die kleine Elizabeth. Forcierte eisern die Karriere des Töchterchens, das mit neun Jahren den ersten Film drehte, mit zwölf schon ein veritabler Star war. Und mit anderen Kinderstars die Schulbank drückte; in einer speziellen Einrichtung des Hollywood-Studios MGM. Ein normales Leben war ihr fremd und sollte ihr immer fremd bleiben.

Ihre erste Hochzeit wurde denn auch gleich von MGM ausgerichtet: sinnigerweise zwei Wochen vor der Premiere ihres Films „Der Vater der Braut“, in dem sie, natürlich, die Braut spielte. Ein einziger PR-Gag. Dass das Leben nicht immer ein Happyend schrieb, musste sie immerhin in ihrer kurzen Ehe mit Nick Hilton erkennen. Vor seinen Schlägen flüchtete sie, noch in den Flitterwochen in Rom – in die Kulissen von „Quo vadis?“, wo sie als unbezahlte (und nicht zu erkennende) Statistin untertauchte.

Auch die Verkündung der Scheidung sollte vom Hollywood-Studio übernommen werden, dessen Kostümbildnerin Helen Rose auch all ihre künftigen Hochzeitskleider entwerfen sollte. Selbst die Heirat mit Ehemann Nr. Drei, Michael Todd, jene mit dem Feuerwerk, wurde in einer Villa zelebriert, die zuvor als Filmkulisse diente, für Todds Mega-Produktion „In 80 Tagen um die Welt“.

Das Kino war der Planet, auf dem sie atmete

Und gänzlich verwischten sich Sein und Schein, das Leben und das große Kino, als sie Richard Burton kennen lernte. Natürlich bei Dreharbeiten, zu der unsäglichen "Cleopatra“. Ihre stürmische Beziehung wurde nicht nur in Filmen und auf der Bühne, sie wurde auch in der Öffentlichkeit ausgetragen, mit der ganzen Gefühlsskala von leidenschaftlicher Liebe bis essenziellem Hass. Dick und Liz – das war die öffentlichste Privatsache der Sechziger Jahre: als sie, beide noch verheiratet, die „wilde Ehe“ im wahrsten Sinn des Wortes, salonfähig machten. Als sie sich vermählten, scheiden ließen, nur um gleich wieder zu heiraten.

Von klein auf hatte Elizabeth Rosemund Taylor niemals ein normales Leben geführt; das Kino war der Planet, auf dem sie wirklich atmete. Und immer wenn eine unlösbare Situation auftrat, so attestierte es ihr Biograf Donald Spoto, dann gab sie dem Leben die Struktur eines Elizabeth-Taylor-Films.

Und was für ein Film! Einer mit so vielen, so harten Schicksalsschlägen, dass man ein solches Drehbuch eigentlich als völlig übertrieben ablehnen müsste. Der erste Mann – ein Schläger, der sie verprügelt. Der dritte Mann – die erste große Liebe, verunglückt nach etwas mehr als einem Ehejahr in einem Flugzeug, dass er ironischerweise "The Lucky Liz“ genannt hatte und in dem sie um ein Haar auch gesessen hätte. Die Nation bangte um „ihren“ Star, nur um sie zu verstoßen, als sie sich gleich darauf mit dem Mann ihrer besten Freundin tröstete.

Dann wäre sie an einer Lungenentzündung fast gestorben, lag nach einem Luftröhrenschnitt im Koma, und wieder bangte die Nation. Sie bekam danach einen Oscar, scheinbar für "Butterfield 8“ – einen "Mistfilm“, den die Taylor hasste. In Wirklichkeit für ihre Wiederauferstehung; "Ich habe gegen einen Luftröhrenschnitt verloren“, heulte damals Shirley MacLaine.

Das Leben von E.T., es war gesäumt von Affären, Liebhabern, acht Gatten, vom Senator bis zum Bauarbeiter. Von grässlichen Krankheiten, von einer Hypotrichose als Neugeborene bis zum späten Hirntumor. Von Krankenhausaufenthalten, deren Anzahl die ihrer Filme überstieg. Von Skandalen, Fress-, Trunk- und Tablettensucht. Nervenzusammenbrüchen. Selbstmordversuchen.

Sie ließ die Öffentlichkeit an ihrem Altern teilhaben

Die Taylor ließ nichts aus. Spielte ihre ureigene Rolle längst nicht mehr vor der Filmkamera, sondern vor den Kameras der Paparazzi aus aller Welt. Eine öffentliche Frau. Die doch nur eines suchte: Geborgenheit. Ein einfaches, autarkes, selbstbestimmtes Leben. Das sie freilich, und das war ihre Tragik, nie fand. Nicht bei den Männern, die meist bedeutend älter und Vaterersatz waren, erst recht nicht in ihren Filmen, glaubte sie doch selbst nie, dass eine attraktive Schauspielerin auch Talent haben konnte. Eine Erklärung dafür, warum sie sich so oft verschwendete. Und so selten wirklich glänzte; wie bei "Die Katze auf dem heißen Blechdach“, den sie drehte, während sie Mike Todd verlor, oder "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“; als sie, mit 32, den Mut hatte, eine schlampige Endvierzigerin zu spielen – und ihren eigenen Verfall schon um Jahre vorwegnahm.

Auch in dieser Beziehung schonte sich die Taylor nicht: Im Gegensatz zu anderen Diven ihres Metiers, einer Garbo oder einer Dietrich, zog sie sich nicht zurück, als der schöne Schwan sich in ein hässliches Entlein verwandelte. Auch hier ließ sie die Öffentlichkeit teilnehmen, als wolle sie sich den Star, die Ikone in ihr austreiben.

Ihre wichtigste Rolle und den Weg ins wahre Leben fand sie indes erst spät, als sie Anfang der achtziger Jahre, noch vor dem Tod von Rock Hudson, als erste prominente Persönlichkeit über eine neue Seuche sprach und zur Schirmherrin der Aids-Forschung mutierte. Diese Arbeit bedeutete ihr mehr als alles, was sie je als Schauspielerin geleistet hatte, hier endlich fand sie die Betätigung und Bestätigung, nach der sie so lange gesucht hatte. "Das Schauspielern“, das war ihre späte Erkenntnis, "erscheint mir jetzt künstlich. Menschen leiden zu sehen, das ist echt. Viele mögen nicht hinschauen, weil es wehtut. Aber wenn niemand es tut, wird sich nichts ändern.“ Bis zuletzt setzte sie sich dafür ein, auch wenn sie ihre alljährliche Aids-Gala beim Filmfestival in Cannes im Mai 2005 nicht mehr selbst besuchen und zuletzt nur noch im Rollstuhl sitzen konnte.

Zuletzt hat Liz Taylor, die im Film schon so viele Tode gestorben und im Leben so oft für beinahe tot erklärt worden war, noch ihre eigene Beerdigung organisiert. So viel Inszenierung musste immerhin sein, bis zum Schluss. Jetzt ist sie, mit 79 Jahren, wirklich gestorben, ist sie endgültig ein Star unter Sternen. Was auf ihrem Grabstein stehen soll, das hatte sie schon vor Jahren diktiert: "Sie hat gelebt.“