Er war Dramatiker und Schauspieler. Nun ist Sam Shepard mit 73 Jahren an der Nervenkrankheit ALS gestorben.

In Deutschland kennen ihn die meisten vor allem als Schauspieler. Als Volker Schlöndorff 1991 Max Frischs „Homo Faber“ verfilmte, da hat Sam Shepard die Hauptrolle gespielt: einen Ingenieur, dessen rationale Weltanschauung nach einem Flugzeugabsturz ins Trudeln gerät. Dass Shephard selbst ein Kollege Frischs war, ein damals schon preisgekrönter Dramatiker, das wussten hierzulande nur wenige, machte diese Besetzung aber gerade so reizvoll. Nun ist Sam Shepard vergangenen Donnerstag in seinem Haus in Kentucky gestorben, wie die „New York Times“ am Montag berichtete. Er wurde 73 Jahre alt. Die Zeitung bezeichnet ihn als eine der „originellsten Stimmen seiner Generation“.

Der Mythos des amerikanischen Westens, das war sein Thema, wieder und wieder. Als Mythos, der in Trümmern liegt. Der von Gewalt beherrscht wird. Und ohne Hoffnung ist. Etwa in dem Stück mit dem Signaltitel „True West“. Da prallen zwei ungleiche Brüder aufeinander, bis das Haus der Mutter ein Trümmerhaufen ist. Oder „Fool for Love“, in dem ein Halbgeschwisterpaar sich mal in inzestuöser Liebe zugetan war und, als es sich wiedertrifft, aufs Blut bekämpft. Schonungslose Abgesänge auf den American Dream. Mit seinem Land als Unort. Und Familie keineswegs als Keimzelle der Gesellschaft, sondern im Gegenteil als Saatgut all dessen, was im Land im Argen liegt.

Zu seiner ersten Filmrolle kam er durch Bob Dylan

Shepard selbst stammte aus dem tiefsten Westen. Obschon 1943 in Illinois geboren, wuchs er in Kalifornien auf einer Ranch auf, hat auch erst mal Landwirtschaft studiert. Ein echter Cowboy, möchte man meinen. Dann aber floh er vor seinem alkoholkranken Vater und dessen Gewaltausbrüchen, schloss sich einem Tourneetheater an und kam so Anfang der 60er-Jahre nach New York. Und alles wurde anders. Hier begann er bald, selbst Stücke zu schreiben, 44 sollten es insgesamt werden. Gleich sein Debüt wurde preisgekrönt, für „Buried Child“ gab es 1979 den Pulitzerpreis.

Seinen ersten Kontakt mit dem Film hatte er als Drehbuchautor für Michelangelo Antonionis US-Film „Zabriskie Point“. Auch die Musikerszene lockte ihn an. Shepard spielte bei einer Rockband als Schlagzeuger, schloss sich der Hippie-Bewegung an. Und war, trotz seiner frühen ersten Ehe, mit Patti Smith liiert. Mit Bob Dylan ging er auf Tournee, bastelte mit ihm auch an dessen einzigen Spielfilm „Renaldo and Clara“ und kam dabei auch an seine erste Filmrolle.

Damit begann Shepards zweite Karriere. Nicht zufällig hat er immer wieder Farmer- und Cowboy-Typen gespielt, auch Sheriffs und überhaupt Uniformträger jeglicher Art. Mit seiner athletischen Statur, seinem kantigen Kinn und dem wettergegerbten Gesicht war Shepard so was wie der Inbegriff des Westerners, ein Kerl, der im Leben steht, auch wenn das oft ein einsamer, verhärteter, gebrochener Kerl ist. Zu seinen bekanntesten Filmen zählen „Frances“ (1982) – bei dem er Jessica Lange kennenlernte, mit der er bis 2009 zusammen war – , „Fool for Love“ nach seinem eigenen Theaterstück und „Der Stoff, aus dem die Helden sind“ (1983), für den er eine Oscarnominierung erhielt.

Ausgerechnet Shepard, dieser Baum von einem Mann, war an ALS erkrankt

Shepard hatte auch Gastauftritte in Blockbustern wie „Die Akte“, „Passwort: Swordfish“ oder „Black Hawk Down“. Selbst der deutsche Autorenfilmer klopfte bei ihm an, mit Schlöndorff drehte er besagten „Homo Faber“, für Wim Wenders schrieb er das Drehbuch zu „Paris, Texas“ (1984), Wenders schrieb ihm dafür mit „Don’t Come Knocking“ (2005) eine große Altersrolle auf den Leib. Da war Shepard längst selbst das Gesicht jenes mythischen, aber ramponierten Westens, das er so oft beschrieben hatte.

Eine seiner letzten großen Auftritte hatte er in dem All-Star-Film „Im August in Osage County“ neben Meryl Streep und Julia Roberts, wo sein Freitod gleich zu Beginn eine Familienkatastrophe auslöst. Ein Plot, der auch aus seiner Feder hätte stammen können. Und zuletzt war er noch in der Netflix-Serie „Bloodline“ zu sehen, mit der er noch mal eine ganz neue Generation erreichte. Was kaum einer wusste: Ausgerechnet Shepard, dieser Baum von einem Mann, war an ALS erkrankt. Dem Kampf gegen die Nervenerkrankung ist er nun erlegen.