Mit 17 Jahren galt der Linksfuß als eines der größten Talente im deutschen Fußball. Doch seinen Durchbruch schaffte er bei Hertha nie und muss nun gehen. Die Gründe dafür sucht er bei sich selbst.

Jörn Meyn und Tibault Bethke

An diesem Tag im Mai ziehen Wolken auf. Morgens noch war es sonnig. Nur ein paar Stunden später wird es düster. Im Café am Neuen See im Tiergarten sitzt Shervin Radjabali-Fardi auf einer hölzernen Bank und schaut auf das Wasser. Dunkle, ausgewaschene Jeans. Schwarze Lederjacke. Ein dichter Vollbart, dahinter ein warmes Lächeln. Das Wetter an diesem Frühlingstag in Berlin ist so wechselhaft wie die Karriere des Shervin Radjabali-Fardi.

Mit 17 Jahren galt der Sohn eines Iraners und einer Deutschen noch als eines der größten Talente bei Hertha BSC. Fünf Jahre später muss er den Verein verlassen. Sein auslaufender Vertrag wird nicht verlängert. Bei dem ambitionierte Bundesligaaufsteiger hat er keine Perspektive mehr.

Dabei hatte der Traum vom Profifußball für Radjabali-Fardi so vielversprechend begonnen: Hertha entdeckt ihn in der D-Jugend des Lichterfelder FC und holt ihn ein Jahr später nach Charlottenburg. Schnell fällt auf, dass der Linksfuß nicht nur über außerordentliche technische, sondern auch taktische Fähigkeiten verfügt.

Auch die Jugendtrainer des Deutschen Fußballbundes (DFB) werden auf ihn aufmerksam und laden ihn zu U15-Auswahl ein. Von dort an durchläuft er alle Junioren-Nationalteams bis zur U21. Als Kapitän gewinnt der Linksverteidiger mit Herthas B-Jugend 2008 die Deutsche Meisterschaft. „Shervin war in dieser Saison der beste Linksverteidiger Deutschlands. Und auf dem Feld war er meine rechte Hand“, erinnert sich heute sein damaliger Trainer Thomas Krücken.

Jüngster Hertha-Spieler aller Zeiten

Der DFB verleiht ihm die bronzene Fritz-Walter-Medaille. Seit 2005 werden damit in den Kategorien Gold, Silber und Bronze die drei besten deutschen Nachwuchsspieler gekürt. Daran ist auch die Erwartung geknüpft: Der wird mal einer. Auch die Ex-Herthaner und heutigen Stars Kevin-Prince (2005) und Jerome Boateng (2007) haben sie in Bronze gewonnen.

Radjabali-Fardi erhält die Auszeichnung 2010 zum zweiten Mal. Da hatte ihn Herthas damaliger Trainer Lucien Favre längst zu den Profis beordert. Nach dem Gewinn der Deutschen B-Jugendmeisterschaft nimmt ihn Favre mit ins Trainingslager der Bundesligamannschaft nach Österreich. Er hinterlässt einen guten Eindruck und bekommt einen Profivertrag.

Am 17. Juli 2008 wechselt ihn der Schweizer im Uefa-Pokal-Qualifikationsspiel gegen den FC Nistru Otaci aus Moldawien in der 71. Minute ein. Damit ist Radjabali-Fardi mit 17 Jahren und genau zwei Monaten bis heute der jüngste Spieler, der jemals in einem Pflichtspiel für Hertha zum Einsatz gekommen ist.

Auch wenn es damals bereits 7:0 stand und am Ende 8:1 ausging, werden Radjabali-Fardis Augen heute noch etwas feucht, wenn er an seinen ersten Profi-Einsatz denkt: „Das war der Wahnsinn. Für diesen einen Augenblick hatte ich so lange hart gearbeitet.“ Viele Schulterklopfer folgen. Irgendwann beginnt auch Radjabali-Fardi an seinen Durchbruch zu glauben. Immer wieder hört er: „Du hast es geschafft“. Das harte Arbeiten aber vergisst er. Im Training geht er nicht mehr an seine Grenzen: „Ich glaube, mein Fehler war es, zu denken, dass der nächste Schritt von allein kommen würde. Vielleicht war ich einfach noch zu jung.“

Rückschlag nach Kreuzbandriss

Der nächste Schritt aber bleibt aus. In der Regionalligamannschaft soll er Spielpraxis sammeln. Anstatt Bayern München und Borussia Dortmund in der Bundesliga heißen die Gegner Plauen und Oberneuland. Auch unter Favres Nachfolger Markus Babbel in der Zweiten Liga bekommt er keinen Einsatz und wird zum Ligakonkurrenten Alemannia Aachen ausgeliehen.

Dort entwickelt er sich zum Stammspieler: „Ich bin da wieder aufgewacht und habe verstanden, dass ich jeden Tag hart arbeiten muss, um meine Leistung zu bringen“, sagt Radjabali-Fardi. Nach anderthalb Jahren soll er zurück nach Berlin, doch kurz vor Saisonschluss reißt er sich das Kreuzband. Er verpasst die Vorbereitung unter Jos Luhukay und hat Mühe, sich zurück ins Team zu kämpfen. Im Winter sagen ihm Herthas Manager Michael Preetz und Luhukay, dass sie nicht mehr mit ihm planen.

„Das ist unglaublich schade, weil Shervin hoch veranlagt ist“, sagt Preetz. Dennoch habe er ihm empfohlen, einen Neuanfang bei einem anderen Klub zu versuchen. Denn mit Johannes van den Bergh kommt ein neuer Linksverteidiger. Fabian Holland und Levan Kobiashvili sind die Alternativen.

Für Radjabali-Fardi geht es nun vorerst um Jobsuche statt Bundesligakarriere. Er hofft, dass es ein Neuanfang in der Zweiten Liga wird. Doch auch das Umfeld ist ihm wichtig, und dafür würde er auch in die Dritte Liga gehen. Sorgen, dass seine Karriere versandet, hat er nicht: „Ich weiß, dass ich noch jung bin. Die Angebote werden kommen, und diesmal nutze ich meine Chance“, sagt er. Shervin Radjabali-Fardi will, dass für ihn wieder die Sonne scheint.