Indian FTR 1200 im 50.000 km-Dauertest
Halbzeitbilanz inklusive Zubehör-Tests

Die Indian FTR 1200 nimmt im MOTORRAD-Dauertest insgesamt 50.000 Kilometer unter die Räder. Nach 25.000 Testkilometern ziehen wir ausführlich die erste Bilanz und berichten euch von sämtlichem Zubehör, das wir bisher an der FTR getestet haben.

Indian FTR 1200 Dauertest-Zwischenbilanz
Foto: Jörg Künstle

Am 16.10.2019 begann der Dauertest für die Indian FTR 1200 S. Listenpreis damals: stolze 15.990 Euro. Bedingt durch Winter und Corona dauerte es bis März, bis bei Kilometerstand 4.000 der erste Service fällig wurde. Kostenpunkt: 267,75 Euro inklusive neuer Bremsflüssigkeit. Kurz danach ließ sich der hakende Tankdeckel nur noch mit Gewalt öffnen, er wurde auf Garantie ersetzt. Im August 2020 stand dann der 8.000er-Termin an. Kosten: 359 Euro. Beim Versuch, das sich scheinbar abzulösende Deckglas des Displays wieder zu fixieren, wird dieses leider irreparabel beschädigt. Da zudem ein Gabelinnenrohr leichte Riefen aufweist, werden beide Teile nach mehreren Wochen Lieferzeit auf Garantie ersetzt.

Unsere Highlights

Kurz vor Weihnachten gab es dann die 16.000er-Bescherung. Mit 529,09 Euro kein ganz billiger Spaß, dafür aber auch neue Zündkerzen und ein etwas nebulös tituliertes "Feintuning an der Einspritzung". Aber auch diese Maßnahmen konnten trotz leichter Verbesserungen nicht verhindern, dass wie bereits im ersten Winter nicht immer druckreif über das Kaltstart- und Kaltlaufverhalten geklagt wurde. Einmal drehte der Anlasser gar nicht, eine defekte Sicherung war der Grund, sie wurde ersetzt. Spätestens ab Gefrierpunkt abwärts ist das morgendliche Anspringen nicht immer gewährleistet, und wenn sie dann läuft, stellen die ersten Meter aufgrund von rupfender Kupplung und bockigem Twin erhöhte Anforderungen sowohl an den Langmut als auch die Feinmotorik des jeweiligen Piloten.

Reifenempfehlung wird nachgeliefert

Kurz vor der 20.000er-Marke wollte die FTR nach einer langen Regenfahrt nicht mehr anspringen. Bis auf Benzinpumpe und Bremslicht war die Elektrik tot, auch das jüngst getauschte Display blieb schwarz. Diagnose in der Werkstatt: Kurzschluss einer Beleuchtungssicherung. Ein Zusammenhang mit diversen Blinkerumbauaktionen kann nicht ausgeschlossen werden, jedenfalls wurde das Display erneut ersetzt. Bei Nässe zeigt sich eine weitere Schwachstelle der Indian FTR 1200 S: Das quasi frei liegende Hinterrad schaufelt den Schmodder mehr oder weniger ungebremst in Richtung Besatzung. Zudem zeigte sich die Erstbereifung vom Typ Dunlop DT3-R in puncto Nass- und Kaltgrip derart talentfrei, dass wir bereits nach 1.100 Kilometern auf Pirelli Scorpion Trail II umrüsteten. Und später dann auf Michelin Anakee Adventure. Derart besohlt kamen Ross und die verschiedenen Reiter bis dato sturzfrei über die Runden.

Indian FTR 1200 Dauertest-Zwischenbilanz
mps-Fotostudio
Das von uns an der FTR getestete Zubehör, haben wir in der Bildergalerie (s. o.) zusammengefasst.

Zur Ehrenrettung von Dunlop sei gesagt, dass der derzeit montierte Meridian seine Sache auch richtig gut macht. Wie gut, sollte eigentlich auch an dieser Stelle zu lesen sein, denn eine Reifenempfehlung ist ein wichtiger Bestandteil der Dauertest-Zwischenbilanz. In diesem Fall vereitelten aber widrige Umstände, die entsprechenden Testfahrten zeitgerecht abzuschließen. Wir werden die Erkenntnisse nachreichen. Was wir auch nachreichen werden, ist die Rechnung der jüngst absolvierten 24.000er-Inspektion, denn unmittelbar nach Erledigung derselben ging die Werkstatt in den wohlverdienten Urlaub. Womit wir in der Gegenwart angekommen wären und der Autor die FTR startet.

Zubehör an der Indian FTR 1200 S

Für die Ausfahrt hat sich die Dauertest-Indian volle Kanne rausgeputzt: Mit Windschild, einstellbaren Handhebeln und Fußrasten und zusätzlich ausgerüstet mit Tankrucksack und Seitentasche sowie der hauseigenen Komfortsitzbank macht die Indian FTR 1200 S klar, dass der erste Ausritt gerne auch länger dauern dürfte. Auf schnellstem Weg geht es raus aus der Stadt, Mensch und Maschine erwärmen sich. Auch füreinander. Klar stört die besonders im Rain-Modus verzögerte Gasannahme sowie das gelegentliche Nachschieben oder das ausgeprägte Konstantfahrgeruckel etwas. Muss man sich halt mit arrangieren. Im Standardmodus wirkt der Twin deutlich lebendiger, und im Sportmodus neigt er sogar ein wenig zum Hyperventilieren.

Einerseits. Andererseits lässt es sich damit auch ohne Gebocke und Geruckel durch die Stadt schleichen. Doch deutlich wohler fühlen sich Ross und Reiter außerorts. Durch das ungewöhnliche Reifenformat von 120/70-19 vorne und 150/70-18 hinten bleiben der Indian FTR 1200 S zwar aktuelle Topgummis verwehrt und sie "muss" sich im Regal der Reiseenduros bedienen, aber auch deren Möglichkeiten liegen meist deutlich über dem in der Realität Machbaren. Die recht schmalen Pellen unterstützen die Wuseligkeit, und zusammen mit der recht hohen, aufrechten und vorderradorientierten Sitzposition vermittelt die Indian FTR 1200 S ein ganz eigenes, durchaus der Dynamik zugewandtes Fahrgefühl. Das vom Antrieb mit ebenso kräftigem Antritt wie Ansauggeräusch nach Kräften unterstützt wird. Im Fast-Forward-Mode gibt die Bremse dann den Spielverderber. Hohe Handkraft, wenig Rückmeldung und stumpfes Bremsgefühl wurden nicht nur einmal im Fahrtenbuch bemängelt. Gut, dass wir Ersatz von Brembo im Tankrucksack haben. Fix sind die Pads getauscht, und nach dem Einfahren zeigt sich der vordere Stopper in einem deutlich erfreulicheren Licht. Die Erkenntnisse lest ihr in der Bildergalerie und in MOTORRAD 23/2021.

Volltanken kann Geduldsprobe werden

Leider nicht zu ändern ist eine andere Eigenheit der Indian FTR 1200 S: In den mit 13 Litern ohnehin recht klein geratenen Tank lassen sich die letzten 1,5 Liter nur mit Eselsgeduld einfüllen. Diese Eigenschaft ist nicht bei allen Indian-Treibern gleich vorhanden, weswegen die errechneten Verbräuche extrem schwanken. In der Praxis liegt er zwischen 4,5 und acht Litern. Auf die Restreichweiten-Anzeige ist auch nur bedingt Verlass. Moto-GP-Reporter Imre Paulovits strandete trotz anderslautender Anzeige mit trockenem Tank auf der italienischen Autostrada. Beim Ausritt des

Indian FTR 1200 Dauertest-Zwischenbilanz
mps-Fotostudio
Vor allem die Sportfrak­tion bemängelte des Öfteren die vordere Bremse der FTR. Hohe Handkraft, wenig Rückmeldung und ein stumpfes Bremsgefühl lautete die Kritik. Mit den Brembo-Sinterbelägen 07BB38SA sind diese Kritikpunkte passé.

Autors folgte, nachdem die Anzeige die 20 unterschritt, ein rotes LOW, und als nach weiteren sechs Kilometern eine Tankstelle erreicht war, ließen sich immerhin 12,2 Liter in den Tank pressen. Im Zweifel heißt das, die Reserve und die Restreichweite besser nicht bis zum letzten Kilometer ausreizen. Letztlich bieten sich zu diesem Zeitpunkt zwei Betrachtungsweisen an. Die einen sagen, Indian gehört zu Polaris und somit einem Weltkonzern, da dürfte man schon mehr Reife erwarten. Die anderen betrachten die Indian FTR 1200 S als den Exoten, der sie ist, nehmen die kleinen Unzulänglichkeiten in Kauf und erfreuen sich der Eigenständigkeit in jedweder Hinsicht. Und der Autor? Hat beschlossen, dass er in der zweiten Halbzeit öfter mal mit der Indian ausrückt.

Einträge aus dem Dauertest-Fahrtenbuch:

Kilometer: 29.530, 3/2022

Die Fangemeinde der Dauertest-FTR unter den Kollegen ist zwar überschaubar, hat aber nun doch ein neues Mitglied gefunden. So war es keine Frage für mich, womit der Weg ins französische Chamonix anzutreten sei, ­wohin Indian zur Vorstellung des plus 400 Kilogramm Monster-Cruisers Pursuit eingeladen hatte. Der Wermutstropfen dabei: Der einzig sinnvolle Weg von Stuttgart dorthin führt durch die Schweiz. Die ist ja bekannt für ihre sedierenden Tempolimits und die dafür umso engagiertere Überwachung derselben. Und das mit diesem Zappelphilipp! Doch einmal mit GPS die ­(geringe) Tachovoreilung ­ermittelt, und den Cruise ­Con­troller auf das Limit eingestellt, schon schaut man völlig entspannt in den bzw. die ­Laser. Und in die Landschaft. Und genießt auf der Rückfahrt dank nur 237 Kilogramm ­Gewicht eine fast schon unerträgliche Leichtigkeit des Seins.

Kilometer: 29.530, 3/2022

Auf der Autobahn macht sich ein Teil der letztjährigen Zubehör-Großoffensive bezahlt: Der Windschild (gut 400 Euro inkl. Halter) leistet auf der Bahn größere Dienste als gedacht. Und auch die Komfortsitzbank (326 Euro) aus dem Original-Zubehör machen die vielen Autobahnkilometer erträglicher. Das kleine aber feine Gepäckset, bestehend aus Seitentasche "LT2" von SW-Motech (243 Euro inkl. Halter) und dem Tankrucksack von Indian (knapp 247 Euro), fasst genau so viel, wie man für das harsche Pendlerleben braucht. Für schlechtes Wetter: Das doppelte und nicht ganz günstige Sicherheitsnetz aus der Hinterradabdeckung von Fechter (knapp 170 Euro) und dem hinteren Kotflügel von Indian (knapp 280 Euro) verhindert wirksam, dass einem innerhalb kürzester Zeit ein Tsunami den Rücken runterläuft. Oder schlimmeres, siehe Kollege Kratschmars auf Video gebanntes Schicksal weiter unten auf dieser Seite.

Tempomat rein und rumbollern: null problemo. Keine Vibrationen, stabiler Geradeauslauf und vor allem nach direktem Umstieg von einer Yamaha MT-09 SP (für "Super Polternd") scheinbar vollendeter Fahrwerkskomfort. Und wenn dann mal wieder ein Schnarcher von rechts mit irgendwas knapp über 90 auf deine Spur zieht, bleibt nun etwas mehr Zeit, bis du deine finalen Gedanken formulieren musst, den Brembo-Bremsbelägen (07BB38SA, ca. 40 Euro) sei Dank. Noch immer ist die Handkraft für solch üppige Stopper-Hardware eher hoch, aber wer reinlangt erntet auch jetzt auch echte Verzögerung.

Indian FTR 1200 Dauertest
René Correra
Feldberg: Hier gibt es Frankfurter „Rindsworscht“ und einen Ausblick, der gegen kleines Geld und nach Erklimmung des 40 Meter hohen Aussichtsturmes noch ein Stückchen weitschweifender wird.

Gutes Stichwort, denn eben jene muss auch nach wie vor großzügigst eingeplant werden, wenn man dem Motor nach einem Kaltstart dreisterweise Gasbefehle abnötigen will. Am besten erstmal im Stand viele, viele Sekunden laufen lassen und dann gaaaaanz sanft losfahren. Schon nach ungefähr 5 Minuten verkneift sich der dicke V2 dann sein Konstantfahrruckeln, das selbst meiner 33 Jahre alten Zweitakt-Vespa niemals in den (Zylinder-)Kopf kommen würde. Dagegen gibt es leider nach wie vor noch keine legale und einfache Zubehörlösung. So weit, so FTR.

Aber was nach dieser anfänglichen Ladehemmung für ein Schmuckstück erhabener Verbrennungskanonie da unter einem schlummert, hatte ich nach dem langen Winter fast schon wieder vergessen. Feine Laufkultur, kaum Vibrationen, massiver Tiefendruck, feurige Drehfreude und keinerlei Loch. Dazu noch ein wilder Soundtrack vom allerfeinsten. Dieser Twin vereint auf vergnügliche Weise klassisches Langhubfeeling großer Amischlegel mit der luftigen Lebendigkeit moderner V2-Motoren. Was übersetzungsbedingt allerdings auch mit einem recht hohen Drehzahlniveau einhergeht, weswegen sich ganz von alleine das bereits genannte Dauertempofenster einstellt.

Sichtlich wohl fühlt sich die Indian in flotten und langgezogene Kurven. Denn ums Eck geht es zwar durchaus behände, aber trotzdem eher Marke Sportyacht als Rennboot. Der aktuell montierte Trailmax Meridian von Dunlop ist hierbei eine echte Hilfe, so wie eigentlich jedes Gummi abseits der grausigen OEM-Bereifung. Liefert bis zur Kante Grip und Vertrauen, lenkt neutral ein und stellt sich beim Bremsen kaum auf.

Kilometer 19.447, 6/2021

Unser US-Naked-Bike hielt Service-Redakteur Tobias Beyl auf Trab: Auf einer verregneten Tour nach Bregenz sprang die Indian FTR 1200 nicht mehr an – Elektrik tot. Doch selbst mit einer über Nacht nachgeladenen Batterie startete der große V2 nicht: Zwar surrte die Benzinpumpe und das Bremslicht ging, alle anderen elektrischen und elektronischen Geräte hingegen versagten den Dienst: Das Display im Cockpit blieb schwarz – genau dieses wurde ja bei Kilometerstand 8.820 bereits einmal gewechselt. Tobi konnte weder Menüs bedienen noch Blinker einschalten. Und auch nicht starten. Scheibenkleister.

Indian FTR 1200 Dauertest
Tobias Beyl
Auch die Starthilfe eines Autos erweckte die Indian nicht zum Leben.

Nachdem auch Starthilfe von einem Auto die Indian nicht zur Arbeit überreden konnte, war klar: Dieser Defekt liegt nicht am Startstrom. Also rein in den Transporter und ab zur Bike Schmiede Süd in Esslingen. Dort wurde zunächst ein Kurzschluss an der Sicherung der Beleuchtung festgestellt. Ob dieser allerdings die Ursache für den "Fast-Total-Ausfall" der Bordelektrik ist, wäre noch zu klären. Auch ein Zusammenhang mit kürzlich nachgerüsteten, nicht originalen hinteren Blinkern bleibt erst einmal als Verdacht im Raum. Auch wenn die FTR eher auf Kurzstrecken anmacht, denn auf Tour brilliert: Sie wird hoffentlich schon bald wieder Kilometer fressen. Dafür ist sie ja hier.

Kilometer 9.480 (8.820) 04/2021

Wochenlange Werkstattaufenthalte, geringe Reichweite und dann immer wieder dieses vielzitierte, freche Mapping: die Dauertestkilometer auf Indians Muscle Bike sind schwer verdient. Doch so langsam kommt der US-Stein ins Rollen, Zeit und Muße sich also auch mal um die schönen Seiten des Lebens mit der FTR zu kümmern. Namentlich ist das vor allem die gelungene, stiernackige Ergonomie. Es fühlt sich außerordentlich gut und kraftvoll an, sich in das amerikanische Schwermetall-Katapult spannen zu lassen. Doch das Bessere ist bekanntlich des Guten Feind, also haben wir uns an die Optimierung gemacht.

Stufe 1: neue Hebelei. Die originale ist selbst für so ein Kaliber wie die FTR arg groß und grob und zudem auf der Kupplungsseite nicht einstellbar, was bei größeren Pranken schnell für Unmut sorgen kann. Abhilfe kam von Gilles Tooling mit zwei leckeren Alternativen. Der Kupplungshebel MPCL-05 ist dreifach verstellbar, der Bremshebel MPBL-03 gar fünffach. Letzterer verwendet statt Gleitbuchsen doppelte Kugellager und lässt sich daher absolut spielfrei bedienen. Das führt zusammen mit dem hochwertigen Finish (gefrästes Aluminium) und der etwas kürzeren Bauform zu einem erhabenen Griffgefühl. Der genauso wertige Kupplungshebel indes lässt die besagten Großpranken endlich aufatmen, schafft er doch deutlich mehr Platz zwischen Hebel und Griff. Mit 300 Euro fürs Hebelpaar allerdings nicht ganz billig. Aber das gilt für die FTR an sich ja genauso.

Dauertest Indian FTR 1200 März 2021
Jens Kratschmar

Stufe 2: Lenkerposition. Ebenfalls bei Gilles fanden wir zweigeteilte Lenkerböcke, die sich entweder an Vorlieben oder Körperlängen der FahrerInnen anpassen können. Der Lenker kommt so in jedem Fall 6 Millimeter höher und kann zusätzlich um je 7 Millimeter nach vorn oder hinten geschoben, werden je nachdem, ob mehr Vorderradnähe oder weniger Über den Tank-Spannung gefragt ist. Feine Sache für Nicht-Normgrößler und oder perfektionistische Feintuner. Für das Variieren muss allerdings der Lenker runter und anschließend die Kontermutter unter der Gabelbrücke gelöst werden. Diese gibt die Schraube frei, die den unteren Teil der Lenkerböcke in den entsprechenden Langlöchern fixiert. Zum Glück gibt es feine Markierungen in den ebenso fein gefrästen Böcken, was die Justage erheblich erleichtert. Apropos Justieren: Auch der Tacho lässt sich durch den integrierten Halter nun stufenlos in seiner Neigung verstellen. 198,99 und ein wenig Quality Time in der Garage kostet die neue Flexibilität.

Indian Dauertester Gilles Heck
Kratschmar/Correra

Die Optik des Flattrackers bedarf eigentlich keiner größeren Eingriffe. Einhellige Meinung in der Redaktion: Haben sie gut gemacht der neuen Welt! Vor allem das knackig steile Heck mit dem branding-gerecht leuchtendem Scheinwerfer. Aber dieser Kennzeichenhalter…Naserümpfen. Und dann noch die lieblos drangedengelten Blinker. Da geht mehr. Weil wir schon auf Großeinkauf bei Gilles Tooling waren, sind wir auch auf einen feingefrästen Kennzeichenhalter aus Alu gestoßen: der flugs mitbestellt. Er verbleibt an selber Stelle wie der originale, ist jedoch deutlich kompakter und hochwertiger gemacht. Die Blinker wandern hoch ans Heck. Sieht insgesamt deutlich besser aus und kommt als Komplettlösung inklusive LED-Kennzeichenbeleuchtung, Rückstrahler, Befestigungsmaterial und E-Zulassung für 198,99 Euro. Der Anbau ist aber nicht ganz trivial, die Kabelführung muss natürlich neu gelegt werden. Dazu ließen sich die nicht untereinander austauschbaren Blinker nur auf der richtigen Seite montieren, wenn das entsprechende Halteblech mit Gilles-Logo verdreht wurde. Ein kleiner Schönheitsfehler für ein schönes Zubehörteil.

Wo wir schon am Heck und damit auch am sprichwörtlichen Ende sind: Wie schon öfters bemängelt, sorgt der fehlende Spritzschutz bei Sauwetter oder kühn gewähltem Untergrund gern (siehe Foto) für Performance-Kunst auf dem Rücken und Motorrad. Ein passendes Kotflügelchen wird gerade ausgefasst. Und die Causa "Bauernbremse", wie es ein Kollege hier kürzlich gewohnt blümerant beschrieb, bleibt auch nicht unadressiert. Ein Satz schärfere Bremsbeläge ist bereits unterwegs…

Kilometerstand: 8.588 (+8.820), 3/2021

Das urtümliche Kaltstart- und Laufverhalten beherrscht das Fahrtenbuch. Nach kalten Nächten springt der Twin zwar zunächst zuverlässig an, reagiert auf Gasstöße aber mit Absterben. Erst nach gut einer Minute weicht der unrunde, mechanisch auffällige Leerlauf – klingt nach Lagerschaden – wohligem V2-Pulsieren. Die rumpelige Gasannahme legt die FTR aber nie ab. Gepaart mit einer rupfigen Kupplung mit unstetem Schleifpunkt, späten Eingriff und dem hakeligen Getriebe eine charaktervolle, aber anstrengende Kombi. Sportlich getrieben zeigt der Twin was er kann: Druck und Leistung zu jeder Zeit mit enorm starker Mitte und hoher Drehfreude. Wenn die Drosselklappen voll geöffnet werden, ein enorm launiges Fahrerlebnis. Auffällig ist aber, dass die FTR beim forcierten Anbremsen und Herunterschalten beim Einkuppeln gerne mal Zwischengas gibt, was die Linie ordentlich verhagelt und das Motorrad deutlich aufrichtet.

Dauertest Indian FTR 1200 März 2021
Jens Kratschmar
Großes Lob für den Anakee Adventure von Michelin. Auf der FTR seit gut 3.500 Kilometern montiert, bietet er hohen Grip und Vertrauen selbst bei Kälte und Nässe.

Minuspunkte sammelt die an sich kräftige, aber zahnlose Bremsanlage: "Eine richtige Bauernbremse...", war aus dem Testbetrieb zu hören. Erst wann man reinlangt wie ein Ochse, passt die Verzögerung. Der 12-Liter-Tank ist vom Volumen her ok, das Tankprozedere ein Geduldsspiel: Mit dem tief und flach sitzenden Tankdeckel, dem kurzen Tankrüssel und dem hohen Rückstau den Benzins, kann die Zapfpistole maximal 30% geöffnet werden, ohne das Rückschlagventil zu öffnen. So dauern 10 Liter nachtanken schonmal 2-3 Minuten. Bei Regenfahrten ist der mangelnde Spritzschutz hinten störend und wenig alltagstauglich. Großes Lob von vielen Seiten erntet der vor 3.500 Kilometern montierte Michelin Anakee Adventure: Viel Grip und Vertrauen bei Kälte und Nässe, handlich, neutral, nur wenig Aufstellmoment, ohne nennenswerte Verschleißerscheinungen nach 3.500 Kilometern.

Kilometerstand 7.200 (+8.820), 2/2021

Über das schlechte Kaltstart- und Kaltlaufverhalten der Indian wurde an dieser Stelle schon öfter berichtet. Beim letzten Service wurde, so Bodo H. von der Bikeschmiede Süd, auf der mechanischen Seite das Gemisch etwas angefettet. Genauer wollte er auch auf Nachfrage nicht werden, betonte aber, dass Soft- und Hardware unangetastet blieben.

Indian FTR 1200 Dauertest
Stefan Glück
Sieht zwar aus wie „SimCity“, ist aber tatsächlich die elektrische Schaltzentrale der Indian.

Tatsächlich springt die Indian jetzt besser an und läuft kalt weniger rumpelig. Vorausgesetzt, der Anlasser dreht. Was er aber nicht tut, wenn die auf dem Bild eben nicht sichtbare, sich vor dem linken "Hochhaus" versteckende Sicherung durchgebrannt ist. Seit dem Tausch ist wieder alles so weit in Ordnung.

Kilometerstand: 6.900 (+8.820), 12/2020

Wegen einer defekten Scheibe musste das komplette Display getauscht werden. Da sich laut Indian der Tachostand nicht manipulieren lässt, auch nicht nach oben, zeigt eben ein altmodisch analoger Aufkleber die bis dato gefahrenen Kilometer an. Mit zunehmender Kälte steigen die Klagen über das Kaltstart- und -laufverhalten. Nach frostigen Nächten muss man nach alter Väter Sitte den Motor starten und dann bis zu einer Minute laufen lassen, bevor er Gas annimmt und man losfahren kann. Zeitgemäß oder gar gut ist das natürlich nicht. Wohl dem, der tolerante Nachbarn hat.

Indian FTR 1200 Dauertest Display
Stefan Glück
Der 8.820-km-Aufkleber zeigt an, wie viele Kilometer wir addieren müssen, um auf den tatsächlichen Kilometerstand der Dauertest-Indian zu kommen.

Kilometerstand: 12.310, 10/2020

Motosport-Reporter Imre Paulovits hat die Indian reichlich für seine Touren zu verschiedenen Rennen genutzt. Hier seine Anmerkungen: Ich habe die Indian mit dem neu montierten Cockpit (Cockpitausch bei 8.820 km) übernommen, bin seither 3.500 Kilometer mit ihr gefahren und war zweimal mit ihr in Misano, dazwischen in der Schweiz.

Neu montiert waren auch der Tankrucksack und die Soft-Tasche. Sehen beide nett aus, der Spalt zwischen Tankrucksack und Cockpit ist aber so eng, dass es jedes Mal eine Fingerübung ist, den Zündschlüssel rumzudrehen. Die Größe des Tankdrucksacks ist ok, ich konnte Regenkombi, Ersatzvisier, Papiere, eine Trinkflasche und etwas Proviant darin unterbringen. Mit etwas Übung lässt sie sich mit ihrem Haltehaken zum Tanken leicht ab- und anschnallen. Auch in die Packtasche passt relativ viel rein, sie ist leicht an- und abzumontieren. Das gilt aber auch für Diebe, deshalb sollte man sie nicht dranlassen, wenn man sie aus den Augen lässt. Wie lange sie wasserdicht sind konnte ich nicht feststellen, es hat während meiner zwei Fahrten nach Italien zum Glück nie sonderlich lange geregnet.

Grundsätzlich sitzt sich auf der Indian recht angenehm, das fahrbare Reisetempo ist halt wie bei einem Nakedbike, so um die 140 km/h. Aber schneller darf man außerhalb von Deutschland eh nicht mehr fahren. Hat man sich erst einmal mit der etwas gewöhnungsbedürftigen Kupplung arrangiert, ist der Motor grundsätzlich ein angenehmer Genosse und auf der Autobahn über alle Situationen erhaben.

Auf der Landstraße kommt aber die große Ernüchterung. Die Elektroniker hätten weniger Zeit mit der Programmierung des Mäusekinos mit unterschiedlichen Ansichtsmodi und mehr mit der des Mappings verbringen sollen. Legt man nach dem Schiebebetrieb das Gas an, hat sie ständig Schluckauf, und je höher man über den Meeresspiegel kommt, desto schlimmer wird es. Eine echte Tortour waren die Spitzkehren auf nasser Fahrbahn den San Bernadino hinauf, wo ich fahren musste, wie mit einem Renn-Zweitakter: Immer mit einer Hand an der Kupplung, um beim schlagartigen Leistungseinsatz die Drehmoment-Spitzen herauszunehmen. Ansonsten wäre die Gefahr groß gewesen, dass das Hinterrad ausbricht.

Indian FTR 1200 Dauertest
Imre Paulovits

Das Fahrwerk ist für mich recht angenehm. Ganz eng mag sie nicht, ist bei dem Radstand aber verständlich. Für 19 Zoll vorn und 18 Zoll hinten ist die Handlichkeit recht gut. Die Bremsen sind sehr gut, und auf dem welligen Belag der Alpenpässe zeigten die Federelemente echtes Potential. Wo sportliche Nakedbikes und Sportler über die vielen kurzen aufeinander folgenden Wellen hüpfen, blieben bei der FTR die Räder am Boden wie bei einer Reiseenduro, sie ist denen aber in schnellen Kurven und beim Anbremsen haushoch überlegen. Die Bodenfreiheit, bis die Stifte in den Fußrasten aufsetzen, ist genau ausreichend für die Haftgrenze der Reifen.

Mit um die sechs Liter liegt der Verbrauch der Indian im Rahmen, ihr Zwölf-Liter-Tank ist aber nicht gerade das, womit man auf Reise gehen will. Dazu lassen sich die letzten zwei Liter nur mühsam einfüllen. In Italien bin ich einmal in die unangenehme Situation gekommen, dass die Tankanzeige noch 64 Kilometer anzeigte, dann mit einem Schlag Reserve, und mir fehlten schließlich vier Kilometer bis zur nächsten Tankstelle. Nicht angenehm, wenn dann die Polizei kommt.

Indian FTR 1200 Dauertest
Imre Paulovits

Mit der nächsten Tankfüllung zeigte sie gar noch 192 Kilometer Reichweite an, ich wusste aber, dass dies nicht sein konnte. Dann ging es auf 140 Kilometer, 90 Kilometer, plötzlich was sie wieder auf Reserve, und als ich fünf Kilometer später getankt habe, war der Tank fast leer. Danach ist dieses Phänomen nicht mehr aufgetreten.

Positiv ist mir der LED-Scheinwerfer aufgefallen. Das Licht ist hell und leuchtet die Fahrbahn sowohl mit dem Abblendlicht als auch dem Fernlicht fleckenfrei aus.

Kilometerstand: 3.729, 3/2020

Schöne Maschine. Sie ist viel zierlicher als die Motorräder, die ich im Kopf habe, wenn ich an eine Indian denke. Trotzdem, die breite Sitzbank sorgt dafür, dass ich ein paar Kilometer benötige, um mich im Stop-and-go-Verkehr und an roten Ampeln, einigermaßen sicher zu fühlen. Mit meinen 1,58 Meter Körpergröße bekomme ich auf einer Seite die Zehenspitzen runter, muss mich aber rechtzeitig für eine Seite entscheiden und dementsprechend auf der Sitzbank nach rechts oder links "versetzen".

Indian FTR 1200 Dauertest Notizen
Ferdinand Heinrich
Schickes Teil, die Indian FTR 1200. Leider fällt die Sitzbank etwas breit aus, sodass Fahrerinnen/Fahrer mit 76 cm Innenbeinlänge - und weniger - nur "einbeinig" auf den Boden kommen.

Bevor es losgeht sehe ich mich allerdings mit der Frage konfrontiert: Warum springt sie denn nicht an? "Du musst erst den Leerlauf einlegen, dann geht’s." Obwohl der Seitenständer nicht ausgeklappt ist. So, so. Amerikanische Logik? Keine Ahnung.

Sitzposition: Mit meinen kurzen Armen hatte ich zwar keine Lean-back-Haltung erwartet, dass die Fußrasten aber so weit hinten positioniert sind, der Lenker recht breit und der Oberkörper sich deutlich Richtung Vorderrad orientiert, überrascht mich positiv. Der Motor liefert ordentlich Power, von einem unausgereiften Mapping habe ich nichts gespürt. Gespürt habe ich hingegen ziemlich viel in den Fußsohlen – und zwar Vibrationen, die die Fußrasten weitergeben. Glücklicherweise trifft das nicht auch auf den Lenker und die Handgriffe zu.

Kilometerstand: 515, 10/2019

Indian FTR 1200 Dauertest
Peter Mayer

Nach vollendeter Einfahrzeit ging es zur obligatorischen Eingangsmessung auf den Prüfstand. Und siehe da: Alle versprochenen Pferde sind zum Dienst angetreten und sogar noch zwei in Reserve. Beim Drehmoment wird die Werksangabe exakt getroffen. Die ersten Einträge im Fahrtenbuch lassen aufhorchen. Einerseits erntet der Motor ob seines bärigen Schubs großes Lob, sein Gebaren insgesamt führt aber bei einigen Fahrern zu dem Schluss, dass beim Mapping wohl noch nicht alle Programmzeilen geschrieben sind, es fiel der Vergleich zu älteren MV-Agusta-Modellen. Wir sind gespannt, was die Zeit bringt, und werden darüber berichten.

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Erscheinungsdatum 10.05.2024