Das 800er-Naked Bike von Kawasaki
Fahrbericht Kawasaki Z 800

Mission: Kawasakis neuer Z 800 auf den Zahn fühlen. Tatort: Südfrankreich. Besondere Schwierigkeit: Dauerregen.

Fahrbericht Kawasaki Z 800
Foto: Hersteller

Erster Eindruck

Gott sei Dank ist Goretex im Gepäck. Eine gute Entscheidung. Vor der Hotellobby in Monaco lässt sich ein Dutzend Bikes in Grün, Weiß und Schwarz grad abspülen, denn Dauerregen ist angesagt. Es sind Farben der Saison 2013. Farben der Kawasaki Z 800, die zum Jahreswechsel ihre 750er-Vorgängerin ablöst und diese schon im Stand alt aussehen lässt. Ehrlich: Neben der peppigen 800er wirkt die 750er altbacken. Die Neue trägt das Heck höher und den Blick tiefer und böser. Sie ist wichtig für Kawasaki. Von den Z 750-Modellen haben die Grünen seit 2004 weltweit knapp 160000 Stück verkauft.

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Das 800er-Naked Bike von Kawasaki
Fahrbericht Kawasaki Z 800
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Auszug aus der 800er-Pressemappe: entfesseltes Design! Entfesselter Motor! Entfesseltes Fahrwerk! Aha, war die 750er im Umkehrschluss also gefesselt? Man darf gespannt sein, wie sich diese neue Freiheit anfühlt.

Gut. Perfekter Knieschluss, Fußrasten und Lenker an der richtigen Stelle. Die Sitzbank ist nicht sehr breit und nur 835 Millimeter hoch. Auch Kurzbeinige haben sicheren Stand. Fühlt sich komfortabel an. Blick auf die Reifen: Dunlop D214. Eine in Europa bislang unbekannte Pelle. Zwar wurde der Abroller in Japan bereits im Frühjahr 2012 eingeführt, doch sein europäisches Debüt feiert er hier auf dieser Kawa. Im Regen. Vermutlich im Dauerregen. Visier runter, Motor starten, Gang rein. Im Gänsemarsch geht‘s aus der Stadt und rauf auf die Autobahn.

Kilometer zehn: Regen im Nacken. Kilometer fünfzehn: Regen im Schritt. Gut, dass man heute nur noch knapp 200 fahren muss. Und morgen 100. Aber das hat ja auch was, so eine Extremregenfahrt. Im Idealfall auf einem Motorrad, das genau das tut, was es soll. Einen völlig in Ruhe lässt und nicht hinterhältig mit irgendwelchen Unzulänglichkeiten überrascht. Mit der Kawa geht das problemlos. Obwohl optisch brutal gestylt, benimmt sich die Z 800 wie ein Schaf im Wolfspelz. Sie hängt weich am Gas, reagiert im niedertourigen Bereich gelassen auf zarte Drehs am Gasgriff und überfordert beim Verzögern niemanden mit giftig zuschnappenden Bremszangen. Beim Dahingurken auf der Autobahn ist genug Zeit, die wesentlichen Änderungen gegenüber der hubraumschwächeren Vorgängerin Revue passieren zu lassen: 58 Kubikzentimeter mehr Hubraum durch eine vergrößerte Bohrung. Tricks wie unterschiedlich lange Ansaugtrichter und längere Einlasskanäle sollen die Zylinderfüllung in allen Drehzahlbereichen optimieren. Längere Krümmer sollen diesen Effekt zusätzlich verstärken. Und dann: leichtere Kolben, größere Ölspritzdüsen, reibungsoptimierte Steuerkette sowie eine Zylinderbank aus Aluminiumdruckguss in einer Open-Deck-Konstruktion.

Davon merkt man hier im Regen leider nichts. Kilometer 20: Licht am Horizont. Das Wasser steht mittlerweile fingerhoch im Stiefel. Ich sollte diese Goretex-Kombi wieder zurückschicken und mir eine Regenkombi kaufen. 50 Kilometer später. Nix mehr Autobahn. Französische Kurvenlandschaft. Hab die Stiefel ausgekippt. Straße halb trocken, Regenpause. Mal sehen, wie der Motor geht.

Motor und Fahrwerk

Hersteller
Kawasaki Z 800.

Hölle. Bei 4000/min legt er sich ins Zeug, 2000 Touren später feuert er los, zwischen 8000 und dem Drehzahlbegrenzer explodiert er. Sinnbildlich zumindest. Anders gesagt: Bis 6000/min kann er Tour. Darüber Sport. Im Vergleich zur 750er ist die größere Schwester etwas kürzer übersetzt. Hinten dreht sich jetzt ein 45er- statt vormals 43er-Kettenrad. Ob es nun die genannten Gimmicks, der größere Hubraum oder die kürzere Sekundärübersetzung sind - auf jeden Fall schiebt der neue 800er-Vierzylinder mächtig vorwärts. Hat spürbar mehr Tinte im Füller als der 750er. Obwohl man das anhand der technischen Daten kaum spüren dürfte: Die Spitzenleistung gegenüber der 750er stieg um drei PS auf 113 PS an, das Drehmoment wuchs um acht Newtonmeter. Aber das Getriebe schaltet hakelig, die Gänge rasten unsauber - zumindest an der Testmaschine.

Kilometer 80: Straße trocken, Himmel schwarz, Hose Biotop. Mal schauen, ob die „Zentralisierung der Massen“ den gewünschten Effekt hatte und die Maschine sich einfach lenkt. Brause auf und sanft auf der Bremse einbiegen. Das Spielchen wiederholt sich kilometerlang. Punkt eins: Der Dunlop D214 verrichtet seinen Job anstandslos.

Er lenkt sauber ein, rollt gut ab, hat ein anständiges Eigendämpfungsverhalten und überrascht vor allem nicht mit abrupt aussetzendem Nassgrip. Punkt zwei: Das Chassis bleibt selbst bei Extrembremsungen stabil. Und damit das auch gewährleistet bleibt, hat man der Neuen eine zusätzliche Verbindungsstrebe im vorderen Rahmenbereich verpasst. Der Radstand wuchs gegenüber der 750er um sieben Millimeter. Was letztlich aber damit zu tun hat, dass eine längere Kette zum Einsatz kommt. Geänderte Motorverschraubungen sollen Vibrationen weitestgehend minimieren. In der Tat läuft der Motor recht ruhig. Ab 6000/min verspürt man allerdings ein zartes Kribbeln.

Feuer frei. Im Nu rauscht die 100 km/h-Marke übers futuristisch anmutende Display, in dem eine Ganganzeige übrigens fehlt. Um die nächste Kurve richtig zu bekommen, ist hartes Bremsen gefragt. Bei Regen ließen die Stopper etwas Biss vermissen. Jetzt, im warmen Zustand, glänzen sie mit ordentlicher Verzögerung und gutem Gefühl. Sportfahrer werden sicherlich über mangelnden Biss klagen. Doch im Alltagsbetrieb und selbst für die schnelle Hatz über die Hausstrecke sind diese ABS-unterstützten Vierkolbensättel jeglichen Ansprüchen gewachsen. Bremse los, Gang passt, Gas auf.

Oh, Bodenwellen. Tückische Sache. Kein Problem, wenn die Z 800 im senkrechten Zustand drüberrollt. Denn die Fahrwerksabstimmung ist geglückt. Beide Federelemente sprechen sauber an, deren Auslegung ist irgendwo zwischen Komfortzone und Sportfeedbackstraff. Überfährt man die Bodenwellen allerdings in Schräglage, sieht alles anders aus. Die 800er stellt sich über den Hinterreifen auf und leitet Unruhe ins Fahrwerk. Allerdings nicht so arg, dass es einem die Linie verhagelt.

Apropos hageln. Es regnet wieder. Und zwar nicht schlecht. Ein paar Kilometer später heißt es erneut Stiefel auskippen. Unter nervigem Wind, trommelnden Tropfen, pechschwarzem Himmel. Skyfall, denke ich. Man sollte mal wieder ins Kino gehen. Und fahren, wenn es trocken ist. Vielleicht an einem anderen Tag.

Technische Daten

Hersteller
Futuristisch, doch ohne Ganganzeige. Schwer ablesbarer Drehzahlmesser.

Motor
Wassergekühlter Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, zwei obenliegende, kettengetriebene Nockenwellen, vier Ventile pro Zylinder, Tassenstößel, Nasssumpfschmierung, Einspritzung, Ø 34 mm, geregelter Katalysator, Lichtmaschine 420 W, Batterie 12 V/8 Ah, mechanisch betätigte Mehrscheiben-Ölbadkupplung, Sechsganggetriebe, O-Ring-Kette, Sekundärübersetzung 45:15
Bohrung x Hub 71,0 x 50,9 mm
Hubraum 806 cm³
Verdichtungsverhältnis 11,9:1
Nennleistung 83,0 kW (113 PS) bei 10200/min
Max. Drehmoment 83 Nm bei 8000/min

Fahrwerk
Brückenrahmen aus Stahl, Upside-down-Gabel, Ø 41 mm, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Zweiarmschwinge aus Aluminium, Zentralfederbein mit Hebelsystem, verstellbare Federbasis und Zugstufendämpfung, Doppelscheibenbremse vorn, Ø 310 mm, Vierkolben-Festsättel, Scheibenbremse hinten, Ø 250 mm, Einkolben-Schwimmsattel, ABS.
Alu-Gussräder 3.50 x 17; 5.50 x 17
Reifen 120/70 ZR 17; 180/55 ZR 17

Maße+Gewichte
Radstand 1445 mm, Lenkkopfwinkel 64 Grad, Nachlauf 98 mm, Federweg v/h 120/137 mm, Sitzhöhe 835 mm, Gewicht vollgetankt 229 kg, Tankinhalt 17,0 Liter.
Garantie zwei Jahre
Farben Grün/Schwarz, Weiß/Schwarz, Schwarz
Preis 9495 Euro
Nebenkosten 180 Euro

Gedrosselte Version

Hersteller
Gabel ohne Verstellmöglichkeit.

Stichtag für die neue Motorrad-Führerscheinklasse A2 ist in Deutschland der 19. Januar 2013. Wer seinen Autoführerschein, den alten Dreier, vor dem 1. April 1980 gemacht hat, der darf nach Ablegen einer praktischen Fahrprüfung Motorräder bis 48 PS fahren. Die Hersteller hoffen auf einen kleinen Boom. Und sie rüsten sich für die Nachfrage.

Kawasaki bietet deshalb zusätzlich zur Z 800 auch eine sogenannte Z 800 e an. Sie ist mit einem Verkaufspreis von 8595 Euro genau 900 Euro günstiger als die offene Version mit 113 PS. Augenscheinlichster Unterschied sind billigere Federelemente. So ist die Gabel nicht einstellbar, und das Federbein der e-Version kann lediglich in der Federbasis verstellt werden. Auch das Setting ist etwas unterschiedlich. Die Federelemente der offenen Version sind hochwertiger. Mit der 48-PS-Version sollen 172 km/h Höchstgeschwindigkeit möglich sein.

Doch nicht nur die Hardware unterscheidet beide Modellvarianten. Das Drosseln von Motorrädern für den 48-PS-Führerschein ist im europäischen Ausland nur erlaubt, wenn sie offen nicht mehr als die doppelte Leistung (maximal 96 PS) haben. In Deutschland dürfte man theoretisch auch eine 200 PS starke BMW S 1000 RR auf 48 PS drosseln und sie dann mit dem A2 fahren. Aus diesem Grund wurde die Z 800 e in der offenen Version nur mit 95 PS homologiert. Ein weiteres Entdrosseln der e-Version auf die 113 PS der offenen Z 800 sei technisch jedoch nicht ohne Weiteres möglich, hieß es auf Nachfrage bei den Entwicklungsingenieuren während der Präsentation. Es gäbe wichtige Unterschiede in der Einspritztechnik und Elektronik zwischen beiden Modellvarianten.

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Erscheinungsdatum 10.05.2024