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Landwirtschaft Landwirtschaft: Bauern wollen mehr Geld für Milch

27.05.2008, 08:25
Milchbauern demonstrieren in Auw (Rheinland-Pfalz) gegen die gesunkenen Milcherzeugerpreise. Mit einem Milchlieferstopp an die Molkereien wollen sie einen Mindestpreis von 43 Cent je Kilogramm erreichen. (Foto: dpa)
Milchbauern demonstrieren in Auw (Rheinland-Pfalz) gegen die gesunkenen Milcherzeugerpreise. Mit einem Milchlieferstopp an die Molkereien wollen sie einen Mindestpreis von 43 Cent je Kilogramm erreichen. (Foto: dpa) dpa

Berlin/dpa. - «Wir sind entschlossen erst dannwieder zu liefern, wenn wir die Zusage erhalten, dass kostendeckende Preise bezahlt werden», sagte der Vorsitzende des Bundesverbands deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber. Der Einzelhandelsverband versicherte, die Supermarktregale blieben dennoch mit Milch und Joghurt gefüllt. Der Lebensmittelhändler Edeka erwartet keine Versorgungsengpässe. Unterdessen forderte EU-Agrarministerin Mariann Fischer Boel zum Ärger von Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) die Anhebung der Milchquoten.

Die Bauern zahlreicher Bundesländer beteiligten sich an demBoykott. Der Schwerpunkt der Proteste lag in Süddeutschland, aber auch in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen folgten Bauern dem Aufruf. Wieviele Milcherzeuger die Molkereien boykottierten, war zunächst nicht genau festzustellen. «Die Bereitschaft ist aber riesig», versicherte der niedersächsische BDM-Landesvize Ludwig Soeken.

So beteiligten sich etwa in Südbaden nach Schätzungen desBauernverbands rund 70 Prozent an dem Boykott - und dies, obwohl der Verband im Südwesten aus rechtlichen Gründen ausdrücklich nicht zu dem Lieferstopp aufrief. «Da die Milchbauern einen Vertrag mit den Molkereien haben, wollen wir nicht zum Vertragsbruch aufrufen», sagte ein Sprecher.

In Sachsen und Sachsen-Anhalt setzten die Bauern auf Verhandlungen mit den Molkereien statt auf einen Boykott. Die Vernichtung der Milch sei der Bevölkerung aus ethisch-moralischen Gründen nicht zu vermitteln, sagte der Sprecher des Sächsischen Bauernverbandes, Manfred Böhm. «Wir schütten keine Milch aufs Feld oder in den Gully.»Dem entgegnete Eckhard Meiners vom BDM-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern: «Kein Bauer kippt Milch freiwillig weg, das macht man nur, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht.» Die Milch solle nun an die Kälber verfüttert werden.

Schuld an den Milchpreisen von 27 Cent in Norddeutschland und 35Cent in Süddeutschland sind nach Meinung Seehofers und der Bauern die mächtigen Supermarktketten. «Es gibt eine starke Nachfragemacht und Oligopolisten», sagte Seehofer am Rande eines Treffens der EU-Landwirtschaftsminister im slowenischen Brdo. Dem stehe aber auf Seiten der Milchbauern keine entsprechende Angebotsmacht gegenüber. «Ich gebe ihnen (den Bauern) den Rat, weiter für den Preis zu kämpfen.»

«Der Lebensmitteleinzelhandel hat die Molkereien an die Wandgedrückt und extreme Nachlässe erreicht», unterstrich auch derPräsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner. Den mehr als 100 000 Milchbauern stünden «im Grunde nur drei, vier ganz große Lebensmitteleinzelhändler gegenüber, die mit uns Katz und Maus spielen». Der Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE), Hubertus Pellengahr, sagte: «Wenn einige Bauern nicht liefern, werden andere einspringen. Es gibt ja zu viel Milch und deshalb kann dieser Streik auch nichts auswirken. Er verpufft, er ist geradezu absurd - notfalls kommt die Milch eben aus dem Ausland.»

EU-Agrarministerin Fischer Boel forderte erneut höhere Quoten.«Das Milchquotensystem ist eine Zwangsjacke für unsere Produzenten.» Sie schlug deshalb vor, bis zur Abschaffung des Systems im Frühjahr 2015 die Produktion jährlich um ein Prozent zu erhöhen. Schon für das Wirtschaftsjahr 2008/2009 ist eine Erhöhung der Milchproduktion um zwei Prozent festgeschrieben.

Die Kommission sieht für europäische Milchprodukte großeAbsatzchancen vor allem auf den wachsenden Märkten in Asien. DieMitgliedstaaten sollten nach ihrer Ansicht Geld innerhalb derDirektzahlungen umschichten - also beispielsweise von Getreidebauernzu Milchbauern. Auf diese Weise könnten bis zu 500 Millionen Euro fürdie Milchwirtschaft lockergemacht werden - allerdings zulastenanderer Betriebe. Seehofer reagierte verärgert auf die AussagenFischer Boels. Deutschland hat bereits Protest gegen die Pläneangekündigt und möchte einen «Milchfonds» auflegen.

Unterstützung erhielten die Bauern von Politikern undOrganisationen. Zwar sei es aus ethischen Gründen bedenklich,Nahrungsmittel wegzuschütten, sagte Carolin Callenius von «Brot fürdie Welt». Der Lieferstopp sei jedoch ein legitimes Mittel, nachdemGespräche mit den Molkereien gescheitert seien.