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Kürzungen bei Theater und Orchester Kürzungen bei Theater und Orchester: Hinter dem Vorhang

Von christian eger und Kai Gauselmann 01.06.2013, 18:18
Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt: Was ist wohl hinterm Vorhang los? Hier in der Magdeburger „Zwickmühle“
Kulturpolitik in Sachsen-Anhalt: Was ist wohl hinterm Vorhang los? Hier in der Magdeburger „Zwickmühle“ zb Lizenz

magdeburg/halle/MZ - Der Vorhang schließt sich. Aber nicht auf einen Ruck, sondern langsam, Zentimeter für Zentimeter. Der Vorhang, der Teile der Theater- und Orchesterlandschaft Sachsen-Anhalts vor dem Publikum verhüllt. Und hinter dem Politik gemacht wird.

Auch am Freitag, auf der Magdeburger Pressekonferenz zum Abschluss der Regierungsklausur, wurde kein Klartext in Sachen Kulturetat geredet. So wie bei den „5 vor 12“-Protesten gegen Kulturabbau von der Regierungsseite keine Stimme zu hören war. Trotzdem zeigt sich das eine schon sonnenklar: Die Theater- und Orchesterlandschaft Sachsen-Anhalts wird nach den für 2014 in Aussicht gestellten Geldkürzungen nicht mehr mit der von heute identisch sein.

Die seit Tagen im Raum stehende Zahl von sieben Millionen Euro, um die der 85,2 Millionen-Etat der Kultur gekürzt werden soll, wurde am Freitag nicht bestätigt, aber auch nicht dementiert. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) wollte sich zu der geplanten Kürzung der Theater- und Orchesterförderung nicht äußern. Er verriet aber die Systematik der Kürzungen. „Die Kulturförderung der Landeshauptstadt Magdeburg nehmen wir zur Grundlage für Halle und Dessau-Roßlau. Kulturstandard für Theater ist Magdeburg.“

Mit dieser Linie werde Kultusminister Stephan Dorgerloh (SPD) auch in die Gespräche mit den Trägern der Theater und Orchester, also den Städten, gehen. „Da uns alle gleich lieb sind, haben wir entschieden, dass wir auch alle gleich behandeln wollen“, so der Regierungschef. Ob die Kürzungen zu Schließungen einzelner Sparten oder ganzer Einrichtungen führen werden, konnte Haseloff nicht sagen. „Das ist Sache der Träger.“

Verliert das Theater Halle 2014 drei Millionen Euro?

Mit dieser Aussage kann man schon einmal zu rechnen beginnen. Als Kennmarke dienen die Magdeburger Verhältnisse. Im Abschlussbericht des Kulturkonvents sind die Zahlen zu finden. Demnach fördert das Land das Theater Magdeburg (mit Oper, Ballett, Schauspiel, Kinder- und Jugendtheater sowie Puppentheater) 2013 mit rund neun Millionen Euro. Magdeburg zählt rund 230 000 Einwohner. Das als Maßstab gesetzt, würde die Theater, Oper und Orchester GmbH Halle 2014 rund drei Millionen Euro verlieren; der bisherige Landeszuschuss beträgt rund zwölf Millionen Euro, die Einwohnerzahl von Halle und Magdeburg liegt fast gleichauf. Überträgt man dieses Reißbrettmodell auf Dessau-Roßlau mit nur rund 85 000 Einwohnern, gerät man ins Abgründige. Laut Mitteilung des Kultusministeriums wird das Anhaltische Theater, alles in allem, mit rund 8,1 Millionen Euro Landesmitteln finanziert. Im Verhältnis von Einwohnerzahl und Förderung nach der sozusagen Magdeburger Elle stünden ihm 3,5 Millionen zu. Alles unter Vorbehalt - und mehrfachen Fragezeichen - über den Daumen gepeilt. Laut Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) wollen Halle und Dessau selbst ihre Kultur-Struktur anpassen. Ist das so?

Sowohl vom „Magdeburger Standard“ als auch von einer Strukturanpassung in Eigenregie hat der Generaldirektor des Anhaltischen Theaters in Dessau-Roßlau, André Bücker, jemals irgendetwas gehört, sagte er auf Nachfrage der MZ.

Es geht ja auch erst los. Bullerjahn plädiert, wie er sagte, für eine „echte Strukturreform“ der Landeskulturförderung: „Die Strukturen müssen in einem Schritt und richtig diskutiert werden.“ In der Tat: Nicht allein der Kulturbetrieb wartet darauf. Eine „Strukturreform“, die sich in Euro beziffern lässt. Die in den vergangenen Tagen in der MZ genannte Zahl von sieben Millionen, um die der Kulturetat gekürzt werden soll, findet sich im Anhang der Kabinettsvorlage vom 28. Mai. In dem der MZ vorliegenden Papier ist von einer „Reduzierung der Zuweisungen für die Theater- und Orchesterförderung auf 29,0 Millionen Euro“ die Rede.

Schon 2013 wurde der Kulturetat gekürzt

Zur Zeit beträgt die Förderung knapp mehr als 36 Millionen Euro. Erst zum Haushaltsjahr 2013 war der Kulturetat um 5,2 Millionen Euro gekürzt worden. Das gerät schnell aus dem Blick, weil es seinerzeit geräuschlos durchging. Betroffen waren damals vor allem die Museen, die Denkmalpflege, die öffentlich-rechtlichen Stiftungen und die Musik. All jene Bereiche also, an denen die neuerliche Kürzungswelle vorbeigehen wird.

Interessant ist der Hinweis in der Kabinettsvorlage, dass für den zu vollziehenden „Strukturwandel“ von 2014 bis 2020 - also bis zum Wegfall des Solidarzuschlages im Jahr 2019 - „Strukturanpassungsmittel“ benötigt werden. „Dazu wurde zwischenzeitlich eine Haushaltsstelle ausgebracht“, heißt es im Kabinettspapier. Offenbar ein Fonds, der Kündigungen und Neuordnungen finanzieren soll.

Das Kultusministerium meldet sich auf Nachfrage. Um den Kulturumbau „abzumildern“, der ausdrücklich Theater und Orchester „auch künftig“ sowohl „in Oberzentren als auch in der Fläche vorhalten“ soll, habe der Kultusminister dem Kabinett vorgeschlagen, einen „Strukturanpassungsfonds“ aufzulegen. Was der leisten soll? Mit diesem „sollen die Träger unterstützt werden, um die notwendigen Strukturanpassungen umzusetzen“. Man meint es ernst.

Welche Bühne wird wovon betroffen sein? Das Kultusministerium teilt mit: „Das Land entscheidet nicht über die Schließung von Standorten oder Sparten. Dies kann nur der Träger. Das Land entscheidet über die jeweiligen Zuschüsse.“ Über die „geplanten Veränderungen bei den Landeszuschüssen“ sollen die Rechtsträger am 12. Juni informiert werden.

Einer wird an den nachfolgenden Gesprächen wahrscheinlich nicht mehr beteiligt sein. Rolf Stiska, Geschäftsführer der Bühnen, Theater, Oper und Orchester GmbH Halle (TOO), erwägt für Montag seinen Rücktritt, teilte gestern der Intendant der halleschen Kulturinsel, Matthias Brenner, mit.

„Standard für Theater ist Magdeburg", Reiner Haseloff, Ministerpräsident.
„Standard für Theater ist Magdeburg", Reiner Haseloff, Ministerpräsident.
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